Erfahren Sie alles Wichtige zum Thema Rente und Diskriminierung und Rechte nach dem AGG.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SBV,

die SBV-Wahl rückt näher und die Vorbereitungen hierzu werden immer konkreter. Um Sie oder auch den eingesetzten Wahlvorstand hierbei optimal zu unterstützen, haben wir neue Musterbriefe für das förmliche Wahlverfahren und das vereinfachte Wahlverfahren sowie Checklisten erstellt.

Außerdem finden Sie bei uns auch hilfreiche Videos zur SBV-Wahl – schauen Sie unbedingt mal rein! Darüber hinaus haben wir in diesem Newsletter neben wichtigen Themen auch wieder neue Entscheidungen der Arbeitsgerichte praxisnah für Sie aufbereitet. Lesen Sie insbesondere, wann bei einer Kündigung ohne vorherige Beteiligung des Integrationsamts Schadenersatzansprüche im Raum stehen und warum die Stufenvertretung keinesfalls einen Wahlvorstand für die Durchführung der SBV-Wahl bestellen sollte.

Viel Spaß beim Lesen!

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Themen der SBV

  • Das sollte die SBV zum Thema Rente wissen
  • Diskriminierung und Rechte nach dem AGG

Rechtsprechungsmonitor

  • Entschädigungsanspruch bei Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamts
  • Kein Anspruch auf leidensgerechten Arbeitsplatz im Home-Office
  • Bestellung des Wahlvorstands einer Schwerbehindertenvertretung

Aktuelle Angebote der W.A.F.

Top-Themen der SBV

Das sollte die SBV zum Thema Rente wissen
Kaum ein anderes Organ der Arbeitnehmervertretung kommt so oft mit Fragen zur Rente in Berührung wie die SBV. Denn Schwerbehinderte können eher in Rente gehen und sind oftmals auch darauf angewiesen.
 
Diskriminierung und Rechte nach dem AGG
Leider sind Menschen mit Benachteiligungen und/oder Behinderungen häufiger von Diskriminierungen am Arbeitsplatz betroffen. Dabei gibt es eine ganze Reihe an Diskriminierungsformen, die die SBV kennen sollte.

Video-Empfehlung des Monats
SBV Wahl: Teuflische Tipps #1 

Kaum jemand – so scheint es – ist wirklich vorbereitet auf die SBV-Wahl 2022. Dabei war es nie leichter, eine SBV-Wahl durchzuführen – meint zumindest Rechtsanwalt und SBV-Experte Niklas Pastille. So können Wahlversammlungen neuerdings als Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden – eine kleine Revolution. Doch Vorsicht: Reine Online-Wahlen bleiben unzulässig. Auch wenn Sie glauben, in Sachen „SBV-Wahl“ bereits alles zu wissen: Informieren Sie sich in diesem Ratgebervideo über die neuesten Entwicklungen.

Zum Video  ➜

Rechtsprechungsmonitor
Entschädigungsanspruch bei Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamts

BAG, Urteil vom 02.06.2022, Az. 8 AZR 191/21

Leitsatz: Schwerbehinderte Arbeitnehmer können einen Entschädigungsanspruch haben, wenn der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Integrationsamts eine Kündigung ausspricht.

Der Fall: Anfang Februar 2018 erlitt ein Hausmeister einen Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung und musste auf die Intensivstation. Über diese Situation war die Arbeitgeberin telefonisch benachrichtigt worden. Trotzdem kündigte die Arbeitgeberin ca. zwei Monate später das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen. Das Integrationsamt wurde vorher nicht angehört. Der Arbeitnehmer erhob vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage, das Verfahren endete mit einem Vergleich.

Schließlich erhob der Hausmeister erneut Klage, diesmal gerichtet auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Dabei stütze er sich darauf, dass die Arbeitgeberin ihm ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts gekündigt habe. Zwar habe zum Kündigungszeitpunkt noch kein Nachweis der Schwerbehinderung durch eine behördliche Feststellung vorgelegen und auch ein Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung war nicht gestellt. Die Schwerbehinderung sei allerdings zum Zeitpunkt der Kündigung offensichtlich gewesen.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Klage des Arbeitnehmers hatte keinen Erfolg, da er im Prozess keine Umstände darlegen konnte, nach denen im Zeitpunkt der Kündigung durch die Arbeitgeberin von einer offenkundigen Schwerbehinderung auszugehen war. Die Richter sagten jedoch auch deutlich, dass der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten (schwer-)behinderter Menschen enthalten, die Vermutung begründen kann, dass eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung erfolgte. Zu diesen Vorschriften gehört insbesondere auch § 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines (schwer-)behinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf. Eine solche Vermutung kann und muss sodann der Arbeitgeber nach § 22 AGG widerlegen, möchte er im Prozess nicht unterliegen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Kündigt ein Arbeitgeber einen anerkannt oder offenkundig (schwer-)behinderten Menschen oder einen Menschen mit einer Gleichstellung, ohne das Integrationsamt einzuschalten, muss er mit Entschädigungsansprüchen rechnen.

GRUNDWISSEN

Betriebsverfassungs- und Arbeitsrecht für die SBV
Wichtiges Grundlagenwissen für die SBV erwerben
Kein Anspruch auf leidensgerechten Arbeitsplatz im Home-Office

LAG Köln, Beschluss vom 12.01.2022, Az. 3 Sa 540/21

Leitsatz: Ein Anspruch auf eine leidensgerechte vertragsfremde Beschäftigung kann sich, wenn überhaupt, nur aus § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX, nicht jedoch aus der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht ergeben.

Der Fall: Die 35-jährige Arbeitnehmerin war als medizinische Fachangestellte bei ihrer Arbeitgeberin angestellt, die eine Augenklinik sowie zwölf weitere medizinische Versorgungszentren betreibt. Sie litt an Multipler Sklerose, der GdB betrug 50. Vom 15.01.2020 bis 09.02.2021 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Im Nachgang eines BEM-Gesprächs beantragte die Arbeitgeberin einen Zuschuss für die behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes der Klägerin, der ihr in Höhe von 2.488,91 EUR auch gewährt wurde. Die Arbeitnehmerin verlangte von der Arbeitgeberin schließlich einen leidensgerechten Arbeitsplatz im Home-Office. Sie machte geltend, dies sei im BEM-Gespräch vereinbart worden. Das Arbeitsgericht wies ihre Klage allerdings ab.

Ende November 2019 kündigte die Altenpflegerin ihre Stellung aus gesundheitlichen Gründen zum 01.02.2020. Die Arbeitgeberin erhob nach verweigerter Rückzahlung Klage, jedoch wiesen das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht diese ab. Letztinstanzlich hatte dann das BAG darüber zu befinden.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Arbeitsgericht und in der Berufungsinstanz sodann auch das LAG entschieden übereinstimmend, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf die Einrichtung eines Home-Office-Arbeitsplatzes hat. Ein Anspruch auf die beantragte Beschäftigung folge insbesondere weder aus dem BEM-Gespräch, da die Parteien hier keinen rechtswirksamen Änderungsvertrag geschlossen hatten, noch aus der Pflicht der Arbeitgeberin, ihr Direktionsrecht mit Rücksicht auf die Interessen ihrer Angestellten auszuüben. Zwar kann die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht gebieten, im Rahmen des Direktionsrechts eine Tätigkeit zu übertragen, die der Arbeitnehmer noch erbringen kann, der Arbeitgeber sei aber nicht verpflichtet, eine vertragsfremde Beschäftigung zu ermöglichen. Eine Tätigkeit im Home-Office, bei der die Klägerin die Telefonzentrale betreut, Termine koordiniert und Praxiskorrespondenz erledigen würde, erfülle jedoch nicht das Berufsbild als medizinische Fachangestellte. Ein Anspruch auf die begehrte Tätigkeit folgt schließlich auch nicht aus dem Recht (schwer-)behinderter Menschen auf Beschäftigung, vgl. § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX. Zwar könne sich ein Anspruch des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers auf anderweitige, sogar auf vertragsfremde Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertragliche Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann. Ein Anspruch bestehe aber nicht, soweit die Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre, vgl. § 164 Abs. 4 S. 3 SGB IX. Insbesondere müsse der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das Urteil zeigt beispielhaft, welche Möglichkeiten Beschäftigte mit anerkannter Schwerbehinderung, Gleichstellung oder auch schon im Vorfeld im Rahmen eines BEM haben, um für sich bessere oder geeignetere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

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Bestellung des Wahlvorstands einer Schwerbehindertenvertretung

ArbG Stuttgart, Urteil vom 26.01.2021, Az. 7 BVGa 1/21

Leitsatz: In der Sonderkonstellation, in welcher keine betriebliche Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist und weder drei Wahlberechtigte, noch Betriebsrat oder das Integrationsamt von ihren Einladungsrechten Gebrauch machen, besteht wenn überhaupt nur das Recht einer Stufenvertretung, zu einer Versammlung zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstands einzuladen, nicht jedoch den Wahlvorstand selbst zu benennen.

Der Fall: Die Wahl der betrieblichen Schwerbehindertenvertretung, die im Jahr 2018 durchgeführt worden war, war arbeitgeberseitig mit Erfolg angefochten worden. Mit E-Mail vom 02.12.2020, gerichtet an alle Betriebsangehörigen, luden 3 Belegschaftsmitglieder, die aufgrund Feststellung einer Schwerbehinderung durch das zuständige Versorgungsamt bzw. Feststellung einer Gleichstellung durch die Bundesagentur für Arbeit wahlberechtigt waren, zur "Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes" im förmlichen Verfahren ein. Mit E-Mail vom 08.12.2020 schrieb die im Unternehmen bestehende Gesamtschwerbehindertenvertretung ihrerseits alle Wahlberechtigten an und teilte mit, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung in ihrer Funktion als "Ersatz-Schwerbehindertenvertretung" einen Wahlvorstand benennen werde und daher die Versammlung, zu welcher die drei Betriebszugehörigen eingeladen hatten, nicht stattfinden würde.

Als die Gesamtschwerbehindertenvertretung trotz anwaltlicher Aufforderung nicht vom Inhalt der E-Mail vom 08.12.2020 Abstand nahm und schließlich sogar ankündigungsgemäß einen Wahlvorstand bestellte, beantragten die drei Belegschaftsmitglieder beim zuständigen Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung, dass die Bestellung eines Wahlvorstands durch die Gesamtschwerbehindertenvertretung gegen die Wahlvorschriften verstoße, da diese ein Bestellungsrecht der Gesamtschwerbehindertenvertretung nicht vorsehe.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Kammer am Arbeitsgericht teilte die Auffassung der Antragssteller, wonach das eigenmächtige Bestellen dreier Personen zum Wahlvorstand und das Auftreten des Wahlvorstands unter Entfaltung von Wahl- und Wahlvorbereitungstätigkeiten offenkundig und eklatant gegen die Wahlordnung verstoßen. In der Literatur würde zwar darüber diskutiert, ob in der Sonderkonstellation, in welcher keine betriebliche Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist und weder drei Wahlberechtigte, noch Betriebsrat oder das Integrationsamt von ihren Einladungsrechten Gebrauch machen, einer Stufenvertretung (Gesamt- oder Konzernschwerbehindertenvertretung) das Recht zustehen könnte, zu einer Versammlung zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstands einzuladen (nicht aber eigenmächtig einen Wahlvorstand auszusuchen oder zu bestellen).

Für eine solche "Auffangzuständigkeit" bzw. ein solch "erstrecktes Einladungsmandat" ist aber spätestens dann keinerlei Anwendungsbereich mehr gegeben, wenn bereits zuvor drei Wahlberechtigte (oder ein Betriebsrat) aus dem Betrieb, in welchem gewählt werden soll, von ihrem originären Einladungsrecht Gebrauch gemacht haben.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Die Wahl zur SBV ist wichtig! Diese rechtzeitig einzuleiten ist eine der bedeutsamsten Aufgaben der amtierenden SBV, dann kommt es auf Ersatzzuständigkeiten gar nicht erst an.

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Webinar: SBV Teil 2
Wie können Sie Ihre Beteiligungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen durchsetzen und wann greift der besondere Kündigungsschutz? Diese Fragen und alles zu den besonderen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften erfahren Sie in diesem Webinar.
 
Webinar: SBV Teil 3
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