Erfahren Sie alles Wichtige zur Ausgleichsabgabe und Online-Wahlversammlung der Schwerbehindertenvertretung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SBV,

haben Sie schon mal von der Ausgleichsabgabe gehört? Diese muss der Arbeitgeber bezahlen, wenn er nicht genug (schwer-)behinderte Arbeitnehmer beschäftigt. Als SBV haben Sie nicht nur die Aufgabe dies zu kontrollieren, sondern bei Einstellungen auch darauf hinzuwirken. Erfahren Sie mehr darüber in unserem ersten Top-Thema. Erst kürzlich hat in die Wahlordnung zur Wahl der Schwerbehindertenvertretungen in § 20 Abs. 5 SchwbVWO eine neue Art der Wahlversammlung Eingang gefunden. Mehr dazu lesen Sie in unserem zweiten Top-Thema des Monats.

Darüber hinaus haben wir wieder neue Entscheidungen der Arbeitsgerichte praxisnah für Sie aufbereitet. So hat der EuGH mit einem neuen Urteil den Schwerbehindertenschutz erheblich gestärkt, indem der Arbeitgeber verpflichtet wird, auch schon in der Probezeit erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung zu ermöglichen. Darüber hinaus hat sich das BAG mit den Seminarbeigaben der W.A.F. beschäftigt und deren Zulässigkeit rechtlich abgesegnet.

Viel Spaß beim Lesen!

Herzliche Grüße

Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Themen der SBV

  • Ausgleichsabgabe
  • Online-Wahlversammlung der Schwerbehindertenvertretung

Rechtsprechungsmonitor

  • Neues zur Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer in der Probezeit
  • Keine Rückzahlungspflicht von Fortbildungskosten bei krankheitsbedingter Eigenkündigung
  • Seminarbeigaben der W.A.F. rechtlich unbedenklich

Aktuelle Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen der SBV

Ausgleichsabgabe
Die meisten Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, eine gewisse Zahl an (schwer-)behinderten Menschen zu beschäftigen. Die Ausgleichsabgabe, die ein Unternehmen jährlich zahlen muss, wenn es keine ausreichende Anzahl (schwer-)behinderter Mitarbeiter beschäftigt, hilft zusätzlich. 
 
Online-Wahlversammlung der SBV
Durch Schaffung einer neuen Art der Wahlversammlung kann die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung nun mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. 

Video-Empfehlung des Monats
Kein Hexenwerk: SBV jetzt VEREINFACHT wählen!

Das vereinfachte Wahlverfahren ist kein Hexenwerk – doch GANZ so einfach, wie alle behaupten, ist es dann doch nicht. Der SBV-Experte Niklas Pastille erklärt Ihnen im ersten Teil der Reihe "SBV Wahl Basics", welche Voraussetzungen für das vereinfachte Wahlverfahren gegeben sein müssen und was Sie beachten sollten.

Zum Video  ➜

Rechtsprechungsmonitor
Neues zur Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer in der Probezeit

EuGH, Urteil vom 10.02.2022, Az. C-485/20

Leitsatz: Auch in der Probezeit müssen Arbeitgeber geeignete und im konkreten Fall erforderliche Maßnahmen ergreifen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen.

Der Fall: Der Arbeitgeber des Falls hatte einen neuen Facharbeiter eingestellt. Kurz nachdem dieser seine neue Stelle angetreten hatte, wurden bei ihm so schwere Herzprobleme festgestellt, dass eine Beschäftigung auf dem ursprünglich für ihn vorgesehenen Arbeitsplatz unmöglich war. Der Arbeitgeber versetzte ihn deshalb noch in der Probezeit auf einen anderen Arbeitsplatz. Allerdings erschien dem Arbeitgeber die Beschäftigung auf dem Ersatzarbeitsplatz offensichtlich auch zu unsicher. Er sprach deshalb rechtzeitig eine Probezeitkündigung aus. Diese begründete er damit, dass eine Weiterbeschäftigung auf dem geschuldeten Arbeitsplatz aufgrund der Behinderung unmöglich erscheine. Der Mitarbeiter wehrte sich gegen die Kündigung und klagte.

Die Entscheidung des Gerichts: Der EuGH entschied, dass Arbeitgeber geeignete und im konkreten Fall erforderliche Maßnahmen ergreifen müssen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Maßnahmen einen Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten würden. Der Arbeitgeber muss deshalb einen Arbeitsplatz so einrichten, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer seine Arbeit ausführen kann. Die Richter wiesen zudem darauf hin, dass ein Arbeitgeber verpflichtet sein kann, einen Arbeitnehmer der aufgrund des Entstehens einer Schwerbehinderung seine ursprüngliche Tätigkeit langfristig nicht mehr ausüben könne, an einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Eine Kündigung behinderter und schwerbehinderter Arbeitnehmer wird also künftig für den Arbeitgeber schwerer werden. Er muss prüfen, ob er einen (schwer-)behinderten Mitarbeiter nicht auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz umsetzen kann beziehungsweise einen Arbeitsplatz behindertengerecht umgestalten kann. Darauf sollte der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung bei der Anhörung unbedingt achten. Denn die Pflicht zur Anhörung vor einer Kündigung besteht auch während der Probezeit.

TOPAKTUELL

Arbeits- und Sozialrecht - Update
Aktuelle Änderungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung
Keine Rückzahlungspflicht von Fortbildungskosten bei krankheitsbedingter Eigenkündigung

BAG, Urteil vom 01.03.2022, Az. 9 AZR 260/21

Leitsatz: Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Es ist jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht rein an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden.

Der Fall: Die Arbeitnehmerin war von Juni 2017 bis Januar 2020 als Altenpflegerin in einer Reha-Klinik angestellt. Sie absolvierte auf Kosten ihrer Arbeitgeberin von Juni bis Dezember 2019 erfolgreich eine Ausbildung zum “Fachtherapeut Wunde ICW”.

In einem Fortbildungsvertrag verpflichtete sich die Arbeitgeberin, die Kosten der Fortbildung in Höhe von 4.090 Euro zu tragen. Zu einer möglichen Rückzahlung der Fortbildungskosten bestimmt § 3 des Vertrags: "Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag. Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen."

Ende November 2019 kündigte die Altenpflegerin ihre Stellung aus gesundheitlichen Gründen zum 01.02.2020. Die Arbeitgeberin erhob nach verweigerter Rückzahlung Klage, jedoch wiesen das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht diese ab. Letztinstanzlich hatte dann das BAG darüber zu befinden.

Die Entscheidung des Gerichts: Auch das BAG gab der beklagten Arbeitnehmerin recht: Eine Rückzahlungsklausel müsse Fälle ausklammern, in denen der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses haben könne. Das sei dann der Fall, in denen es dem Arbeitnehmer unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Verpflichtet die Rückzahlungsklausel den Arbeitnehmer ausnahmslos auch ohne Verschulden zur Erstattung der Fortbildungskosten, falls er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, ist sie unangemessen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und damit unwirksam. Sei es dem Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen ohne sein Verschulden dauerhaft nicht möglich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, wäre er bei Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel verpflichtet, sogar nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums ohne Gegenleistung des Arbeitgebers am Arbeitsverhältnis festzuhalten, um die Rückzahlungspflicht abzuwenden. Daran könne der Arbeitgeber kein rechtlich billigenswertes Interesse haben, auch wenn er die Fortbildung finanziert habe. Denn der Umstand, dass sich eine Investition in einen Arbeitnehmer wegen unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit nicht amortisiere, sei "dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen”.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Rückzahlungsklauseln unterliegen den strengen Regeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Fehler machen die Klausel insgesamt unwirksam. Sollte ein Arbeitnehmer auf Rückzahlung von Fortbildungskosten in Anspruch genommen werden, lohnt sich hier ein genauerer Blick auf die konkret verwandte Vertragsklausel.

SPEZIAL-SEMINAR

Betriebsverfassungs- und Arbeitsrecht für die SBV
Wichtiges Grundlagenwissen für die SBV erwerben
Seminarbeigaben der W.A.F. rechtlich unbedenklich

BAG, Beschluss vom 17.11.2021, Az. 7 ABR 27/20

Leitsatz: Der Arbeitgeber darf die Kostenübernahme für ein Seminar nicht wegen teurer Give-Aways verweigern. Das gilt jedenfalls dann, wenn vergleichbare Seminare nicht günstiger zu buchen sind.

Der Fall: Ein Mitglied eines Betriebsrats hatte an einem von der W.A.F. veranstalteten viertägigen Grundlagen-Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ teilgenommen. Inkludiert war unter anderem die Überlassung eines sogenannten „Starter-Sets“ an die Teilnehmer, bestehend aus einem Tablet für die Betriebsratsarbeit, einem Handkommentar Fitting zum BetrVG mit Wahlordnung, einer DTV-Ausgabe der Arbeitsgesetze, einem USB-Stick, einem Laserpointer, einem Taschenrechner und einer Tasche. Auch konnte jeder Teilnehmer eine „kostenfreie anwaltliche Erstberatung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt“ in Anspruch nehmen.

Die Arbeitgeberin lehnte die Kostenübernahme unter Berufung auf eine „unzulässige Berechnung von Arbeitsmittelkosten in den Seminarkosten“ ab und verwies darauf, es handele sich „bei dem Startkit um Akquise-Geschenke, die weit über den Rahmen einer kleinen Anerkennung hinausgehen“.

Die Entscheidung des Gerichts: Der auf Freistellung von den Seminargebühren klagende Betriebsrat gewann in allen drei Instanzen. Auch das letztinstanzlich urteilende BAG befand, dass Beigaben zu Betriebsratsschulungen völlig in Ordnung sind.

Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Insbesondere muss er sich nicht für die kostengünstigste Schulungsveranstaltung entscheiden, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält. Sein Beurteilungsspielraum bezieht sich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung.

Den erhobenen Einwand der Arbeitgeberin, der Wert der den Seminarteilnehmern überlassenen kostenlosen „Werbebeigaben“ sei zudem der inhaltlichen Kenntnisvermittlung ins Verhältnis zu setzen, konnte das Gericht nicht nachvollziehen. Denn die Frage der Unverhältnismäßigkeit anfallender Seminarkosten steht nicht in Zusammenhang mit der Frage, inwieweit Seminarinhalte für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Den Schutz des Arbeitgebers vor einer unangemessenen Kostenbelastung bewirkt aber der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Verhältnismäßigkeit, den der Betriebsrat bei seiner Beschlussfassung über die Entsendung eines (oder mehrerer) seiner Mitglieder zu beachten hat. Vom Betriebsrat wird die Prüfung verlangt, ob die verlangten Schulungskosten angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse dem Arbeitgeber zumutbar sind. Vergleichbare Seminare anderer Anbieter waren jedoch nicht wesentlich günstiger, es gab allerdings viele teurere Seminare. Daher lag der Seminarpreis im Rahmen des Marktüblichen. Zudem boten andere Veranstalter, die auf derartige Werbeartikel verzichteten, vergleichbare Seminare nicht „deutlich günstiger“ an. Der Seminarpreis war nach Auffassung der Richter „durchaus moderat“ und der Betriebsrat hatte die Arbeitgeberin nicht mit unverhältnismäßigen Kosten belastet.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Die Klarstellung des BAG ist zu begrüßen. Sie ist natürlich 1:1 auch auf SBV-Seminare übertragbar, sodass auch Vertrauenspersonen sich gegenüber dem Arbeitgeber hierauf berufen können.

GRUNDLAGEN

Schwerbehindertenvertretung Teil 1
Aufgaben und Möglichkeiten der Schwerbehindertenvertretung

Podcast-Empfehlung des Monats
SBV-Wahl: Die 5 peinlichsten Fehler im vereinfachten Wahlverfahren

Auch für die SBV ist Wahljahr – gewählt wird von Anfang Oktober bis Ende November. Und die SBV hat eine ganz eigene und recht komplizierte Wahlordnung. Die Rechtsanwälte Fabian Baumgartner und Niklas Pastille helfen Ihnen durch die Wahl im vereinfachten Wahlverfahren.

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Aktuelle Seminarangebote der W.A.F.

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