Wann die SBV einen Sachverständigen hinzuziehen darf und wie sie mit der Verschwiegenheitspflicht umgeht, erfahren Sie in diesem Newsletter!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SBV,

wir hoffen, Sie haben schöne Sommertage genossen und sind gesund, gut erholt und mit viel Elan in Ihren Betrieb zurückgehrt! Dort gilt es jetzt wieder, die aktuell brennenden Themen und Herausforderungen tatkräftig anzupacken und Ihre (schwer-)behinderten Kolleginnen und Kollegen bestmöglich zu unterstützen. Dabei wollen wir Ihnen helfen!

Lesen Sie in unseren Top-Themen des Monats, wann Sie als SBV einen externen Sachverständigen hinzuziehen dürfen und wie Sie mit vertraulichen Angelegenheiten Ihrer (schwer-)behinderten Kolleginnen und Kollegen umgehen sollten. Darüber hinaus haben wir auch wieder aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte praxisnah für Sie aufbereitet. Erfahren Sie insbesondere, wie zur Bestellung eines Wahlvorstands durch die Gesamt-SBV sowie zur Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Corona-Infektion entschieden wurde.

Herzliche Grüße

Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Themen der SBV

  • Sachverständige: Wann darf die SBV fremdes Wissen einkaufen?
  • Wie die SBV mit der Verschwiegenheitspflicht umgeht

Rechtsprechungsmonitor

  • Bestellung eines Wahlvorstands durch Gesamt-SBV nicht zulässig
  • Keine Nachgewährung von Urlaub bei Quarantäne
  • Kündigung wegen mangelhaften Attests zur Befreiung von der Maskenpflicht

Neue Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen der SBV

Sachverständige: Wann darf die SBV fremdes Wissen einkaufen?
Der Arbeitgeber hat die SBV von den entstandenen Sachverständigen- oder Rechtsanwaltskosten gemäß § 179 Abs. 8 Satz 1 SGB IX nach denselben Grundsätzen freizustellen, wie sie für Personalräte und für Betriebsräte nach § 40 BetrVG gelten.
 
Wie die SBV mit der Verschwiegenheits-pflicht umgeht
Die SBV erhält tagtäglich zahlreiche und sehr persönliche Informationen. Arbeitnehmer vertrauen sich gerade der SBV häufig an und können dann sehr schnell schwer enttäuscht werden, wenn sie erfahren, dass die Angelegenheit offen mit dem BR, dem Integrationsamt oder sogar mit dem Arbeitgeber diskutiert wurde. Dem sollte ein Riegel vorgeschoben werden.

Video-Empfehlung des Monats
Krankheitsbedingte Kündigung: Wann ist ein BEM „fehlgeschlagen“?

Gibt es so etwas wie ein fehlgeschlagenes BEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement) überhaupt? Und was muss getan werden, um ein erfolgreiches BEM zu protokollieren? Unser BEM-Beauftragter und Rechtsanwalt Niklas Pastille gibt hilfreiche Tipps.

Zum Video  ➜

Rechtsprechungsmonitor
Bestellung eines Wahlvorstands durch Gesamt-SBV nicht zulässig

Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 26.01.2021, Az. 7 BVGa 1/21

Leitsatz: Ist in einem Betrieb keine Schwerbehindertenvertretung gewählt, ist die Gesamtschwerbehindertenvertretung (Gesamt-SBV) nicht befugt, zu einer Versammlung zum Zweck der Wahl des Wahlvorstands einzuladen.

Der Fall: Die Beteiligten stritten im vorliegenden Fall über die Berechtigung der Gesamt-SBV, zur Wahl des Wahlvorstands einzuladen. Belegschaftsmitglieder des Betriebs B bzw. des Betriebsteils W luden mit Schreiben vom 02.12.2020 zur Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstands im förmlichen Verfahren für die Wahlen zur SBV im Betrieb B (inkl. des Betriebsteils W) ein und hängten die Einladung sowohl im Betrieb B als auch im Betriebsteil W aus. Im Betrieb B gibt es keine SBV, jedoch existiert eine Gesamt-SBV. Die Gesamt-SBV teilte den Beteiligten mit, dass die von ihnen geplante Versammlung nicht stattfinden würde, da die Gesamt-SBV selbst Anfang des Jahres 2021 einen Wahlvorstand benennen werde, damit dieser ohne zeitliche Verzögerung die Wahl einleiten könne.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Arbeitsgericht Stuttgart gab den Anträgen der Belegschaftsmitglieder statt. Die Gesamt-SBV sei nicht berechtigt einen Wahlvorstand zu bestellen. Die Antragsteller hätten wirksam von ihrem Einladungsrecht nach § 1 Abs. 2 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO) Gebrauch gemacht. Zwar werde in der Literatur darüber diskutiert, ob in der Sonderkonstellation, in welcher keine betriebliche SBV vorhanden ist und weder drei Wahlberechtigte, noch Betriebs-/Personalrat oder das Integrationsamt von ihren Einladungsrechten Gebrauch machen, einer Stufenvertretung (Gesamt- oder Konzern-SBV) das Recht zustehen könnte, zu einer Versammlung zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstands einzuladen. Für eine solche Auffangzuständigkeit bzw. solch ein erstrecktes Einladungsmandat sei jedoch spätestens dann keinerlei Anwendungsbereich mehr gegeben, wenn wie im vorliegenden Fall zuvor drei Wahlberechtigte aus dem Betrieb, in welchem gewählt werden soll, von ihrem originären Einladungsrecht bereits Gebrauch gemacht hätten.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Ist in einem Betrieb keine SBV vorhanden, wird ein Wahlverfahren durch eine Versammlung der (schwer-)behinderten und diesen gleichstellten behinderten Beschäftigten eingeleitet, die den Wahlvorstand wählt. Eine Regelung, wonach ein Wahlvorstand auch durch ein Arbeitsgericht bestellt werden kann, existiert zwar im BetrVG, nicht jedoch im Schwerbehindertenrecht. Maßgeblich ist insofern ausschließlich die Regelung in § 1 Abs. 2 SchwbVWO, wonach lediglich drei Wahlberechtigte, der Betriebs-/Personalrat oder das Integrationsamt zu einer solchen Versammlung einladen dürfen.

NEU

SBV-Wahl außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums
SBV-Wahl rechtssicher vorbereiten und durchführen
Keine Nachgewährung von Urlaub bei Quarantäne

AG Bonn, Urteil vom 07.07.2021, Az. 2 Ca 504/21

Leitsatz: Es besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus.

Der Fall: Eine Arbeitnehmerin hatte vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Urlaub. Wegen einer Corona-Infektion musste sie sich auf behördliche Anordnung in der Zeit vom 27.11.2020 bis zum 07.12.2020 in Quarantäne begeben. Krank war sie nicht und es lag auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Im Anschluss verlangte sie von ihrem Arbeitgeber die Nachgewährung der fünf Urlaubstage, in denen sie in Quarantäne war. Als der sich weigerte, klagte sie.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Klage wurde abgewiesen. Nach § 9 BUrlG werden bei einer Erkrankung während des Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Hier hatte die Arbeitnehmerin jedoch gerade nicht ihre Arbeitsunfähigkeit durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen. Und eine behördliche Quarantäneanordnung steht einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers obliegt alleine dem behandelnden Arzt. Die Voraussetzungen für die Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Arbeitsunfähigkeit lagen nicht vor. Auch eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG bei einer behördlichen Quarantäneanordnung aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus schied für die Richter aus. Es lag weder eine planwidrige Regelungslücke noch ein mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbarer Sachverhalt vor. Denn eine Erkrankung mit dem Coronavirus führt nicht zwingend und unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Auch wer sich in behördlich angeordneter Quarantäne befindet, weil er sich mit dem Coronavirus infiziert hat, kann unter Umständen seinen Urlaub noch genießen bzw. durchaus auch aus dem Home-Office weiterarbeiten.

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Arbeits- und Sozialrecht - Update
Aktuelle Änderungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung
Kündigung wegen mangelhaften Attests zur Befreiung von der Maskenpflicht

AG Cottbus, Urteil vom 17.06.2021, Az. 11 Ca 10390/20

Leitsatz: Weigert sich eine Arbeitnehmerin während der Behandlung von Patienten den vom Arbeitgeber angeordneten Mund-Nasen-Schutz (MNS) zu tragen und liegt kein ordnungsgemäßes Attest vor, ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sozial gerechtfertigt.

Der Fall: Eine angestellte Logopädin hatte ihrer Arbeitgeberin ein einfaches ärztliches Attest vorgelegt, nach dem sie bei der Arbeit angeblich keinen MNS tragen konnte. Da sie sich trotz einer entsprechenden Anweisung der Arbeitgeberin weigerte, einen MNS zu tragen, wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt. Gegen die Kündigung klagte die Logopädin.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Kündigung war wirksam, da die Arbeitgeberin zu Recht die Entscheidung treffen konnte, dass während der Behandlungen ein MNS zu tragen ist. Bei einer logopädischen Behandlung ist ein Abstand von 1,5 m nicht stets zu gewährleisten. Zum damaligen Zeitpunkt war nach der SARS-CoV-2-Umgangsverordnung des Landes Brandenburg das Tragen eines MNS zwingend vorgeschrieben. Außerdem war das von der Logopädin vorgelegte Attest nicht geeignet, eine wirksame Befreiung vom Tragen eines MNS zu begründen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Selbst bei Vorliegen eines ordnungsgemäßen begründeten Attests schweben Maskenverweigerer in der Gefahr, eine Kündigung zu erhalten, wenn der Arbeitgeber sie nicht anders einsetzen kann.

Atteste, in denen lediglich festgestellt wird, dass der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit ist, können nicht Grundlage einer Befreiungsentscheidung sein. Es muss aus dem Attest hervorgehen, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund eines MNS zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Zudem muss erkennbar sein, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gekommen ist. Derjenige, dem das Attest vorgelegt wird, muss aufgrund konkreter nachvollziehbarer Angaben in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen prüfen zu können.

In diesem Fall ist die Berufung anhängig beim zuständigen Landesarbeitsgericht.

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Kündigung (schwer-)behinderter Mitarbeiter
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Podcast-Empfehlung des Monats
Her mit der AGG-Schulung: Arbeitgeber müssen Diskriminierungen zuvorkommen!

Gibt es einen Grund, warum Betriebsrat und SBV Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder des Geschlechts im Betrieb dulden sollten? Die Rechtsanwälte Fabian Baumgartner und Niklas Pastille sehen keinen. Stattdessen verweisen sie auf den in der betrieblichen Praxis wenig bekannten, aber wichtigen Paragraf 12 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG.

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