Wie Sie Ihre Versammlung (schwer-)behinderter Menschen planen und warum Sie besser kein BEM virtuell durchführen, erfahren Sie in diesem Newsletter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SBV,

eine Home-Office-Pflicht gibt es seit dem 1. Juli 2021 nicht mehr und die Zahl der im Betrieb arbeitenden Beschäftigten steigt aktuell wieder an. Gerade jetzt ist es als SBV wichtig, präsent zu sein! Hierfür bietet die Schwerbehindertenversammlung die optimale Plattform. Lesen Sie in unserem Top-Thema mehr zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Schwerbehindertenversammlung und holen Sie sich hilfreiche Tipps und Tricks für eine rundum gelungene Veranstaltung.

In unserer neuen Video-Reihe „10 Lektionen der BEM-Schule“ erklärt Ihnen unser BEM-Spezialist Niklas Pastille, welche Fallstricke beim BEM-Gespräch zu vermeiden sind. Schauen Sie rein, es lohnt sich!

Auch unser Rechtsprechungsmonitor gibt Ihnen wieder Einblicke in die aktuelle Rechtsprechung, in diesem Monat zu den Themen Rufbereitschaft, Einladungspflicht für Stellenbewerber und Einsichtsrecht bei Bewerbungen.

Herzliche Grüße und eine schöne Sommerzeit wünscht Ihnen,

Ihre W.A.F.

 

Inhalt

Top-Themen der SBV

  • Planen Sie jetzt Ihre Versammlung (schwer-)behinderter Menschen
  • Besser kein BEM virtuell durchführen

Rechtsprechungsmonitor

  • Rufbereitschaft als Mehrarbeit?
  • Umfang der Unterrichtungs- und Vorlagepflicht des Arbeitgebers bei Einstellung
  • Mindestnote gilt auch für (schwer-)behinderte Menschen

Neue Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen der SBV

Planen Sie jetzt Ihre Versammlung (schwer-)behinderter Menschen
Präsenzversammlungen sind zunehmend möglich. Die SBV sollte jetzt für den Sommer oder spätestens den Herbst wieder eine Versammlung (schwer-)behinderter Menschen planen. Denn die Chancen für einen persönlichen Austausch und die Präsentation Ihrer gelungenen SBV-Arbeit stehen gut.
 
Besser kein BEM virtuell durchführen
In § 167 Abs. 2 SGB IX findet sich keine Antwort auf die Frage, ob ein Betriebliches Eingliederungsmanagement auch virtuell durchgeführt werden kann. Im Umkehrschluss wird man daher wohl sagen müssen, dass mangels einer gesetzlich angeordneten Präsenzpflicht dies wohl grundsätzlich möglich sein sollte. Aber ist dies auch empfehlenswert?

Video-Empfehlung des Monats
BEM auch bei Bagatellen | BEM-Schule Folge #1

Warum ist das BEM-Gespräche in der Praxis so ein Elend? Unser Rechtsanwalt und BEM Flüsterer Niklas Pastille erklärt, wie man sich als Betriebsrat oder als Betroffener am besten verhält.

Rechtsprechungsmonitor
Rufbereitschaft als Mehrarbeit?

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.07.2020, Az. 8 Sa 438/19

Leitsatz: Zeiten der Rufbereitschaft zählen nicht als Mehrarbeit, von der sich ein (schwer-)behinderter oder gleichgestellter Arbeitnehmer nach § 207 SGB IX befreien lassen kann.

Der Fall: Der schwerbehinderte Arbeitnehmer war für einen Trinkwasserversorger tätig. Dieser gewährte eine Befreiung von der Rufbereitschaft für sämtliche Tage, an denen sich die Rufbereitschaft an eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden anschließen würde. Für Tage ohne tägliche Arbeitszeit (mithin also für Tage am Wochenende) lehnte der Arbeitgeber die Befreiung von der Rufbereitschaft ab, sicherte aber gleichwohl zu, dass der Arbeitnehmer an diesen Tagen keine Einsätze leisten müsse, die mehr als 8 Stunden pro Tag umfassen würden. Diese Zusicherung genügte dem Arbeitnehmer jedoch nicht und er erhob Klage auf vollständige Befreiung.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Gericht vertrat die Auffassung, dass Rufbereitschaft bereits keine Mehrarbeit i.S.v. § 207 SGB IX ist. Denn bei Zeiten der Rufbereitschaft ist danach zu differenzieren, ob diese überhaupt als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne zu qualifizieren sind, insbesondere weil sich der Arbeitnehmer aufgrund einer Anweisung binnen sehr kurzer Zeit im Betrieb einfinden muss. Erfolgen während eines Rufbereitschaftsdienstes Einsätze, so sind diese Einsatzzeiten natürlich ebenfalls als Arbeitszeit zu werten. Kommt der Arbeitnehmer mit den Einsatzzeiten auf über 8 Stunden arbeitstäglich, kann er sich hiervon nach § 207 SGB IX befreien lassen. Dies sicherte der Arbeitgeber aber auch zu.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: § 207 SGB IX gewährt den (schwer-)behinderten und gleichgestellten Arbeitnehmern die Möglichkeit, sich von einer Mehrarbeit zu befreien. Eine weitere Möglichkeit in diese Richtung gewährt § 164 Abs. 4 SGB IX, der eine individuelle Anpassung der Arbeitsbedingungen zusichert, wenn dies wegen der Behinderung erforderlich ist. In jedem Falle ist nach § 178 SGB IX die SBV zu beteiligen, bevor der Arbeitgeber Rufbereitschaften einführt und gegenüber (schwer-)behinderten und/oder gleichgestellten Arbeitnehmern anordnet.

NEU

Webinar: Schwerbehindertenvertretung Teil 2
Besondere Schutzrechte (schwer-)behinderter Kollegen durchsetzen
Umfang der Unterrichtungs- und Vorlagepflicht des Arbeitgebers bei Einstellung

BAG, Beschluss vom 16.09.2020, Az. 7 ABR 2/20

Leitsatz: Das Recht der Schwerbehindertenvertretung aus § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX umfasst nicht den Anspruch auf Vorlage der vollständigen dienstlichen Beurteilungen der einzustellenden Bewerber sowie der im Auswahlverfahren nicht berücksichtigten (schwer-)behinderten oder ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer, soweit diese nicht entscheidungsrelevant sind.

Der Fall: Schwerbehindertenvertretung und Arbeitgeberin stritten sich über den Umfang der Unterlagen, die der SBV im Hinblick auf ein Auswahlverfahren zur Entfristung von Arbeitsverhältnissen zur Verfügung gestellt werden sollten.

Die Entscheidung des Gerichts: Grundsätzlich steht der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX das Recht zu, Einsicht in die entscheidungserheblichen dienstlichen Beurteilungen zu nehmen. Insbesondere hat die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ein Recht darauf,

  • Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile von Bewerbungsunterlagen zu nehmen (entscheidungsrelevant sind nur die Unterlagen, die für die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers maßgeblich sind und die die Schwerbehindertenvertretung zur Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgabe benötigt),
  • grundsätzlich Einsicht in Beurteilungsgrundsätze und -ergebnisse zu nehmen (z.B. in Form von Kategorien: Arbeitsqualität, Arbeitsquantität, …),
  • an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen.

Diese Rechte bestehen auch in Fällen,

  • in denen keine Bewerbung eines (schwer-)behinderten Menschen vorliegt, sondern auch dann, wenn diese in die Auswahlentscheidung mit einbezogen werden, ohne dass diese sich beworben hatten (z.B. bei der Auswahl bei Entfristung von Arbeitsverträgen),
  • in denen der Arbeitnehmer nach der Begründung des Arbeitsverhältnisses einem Dritten im Wege der Personalgestaltung zugewiesen werden soll.

Kein Anspruch auf Vorlage der vollständigen dienstlichen Beurteilungen der einzustellenden Arbeitnehmer sowie der im Auswahlverfahren nicht berücksichtigten (schwer-)behinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer besteht hingegen, wenn der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung nur auf Auszüge aus dienstlichen Beurteilungen stützt.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Ein Recht auf Einsicht in die dienstlichen Beurteilungen besteht nur insoweit, als diese benötigt werden, um die vom Arbeitgeber getroffene Auswahlentscheidung im Hinblick auf die hinreichende Berücksichtigung (schwer-)behinderter Arbeitnehmer von der Schwerbehindertenvertretung nachvollziehen zu können.

SPEZIAL SEMINAR

Fresh-up Schwerbehindertenrecht
Topaktuelles Wissen praxisnah erklärt
Mindestnote gilt auch für (schwer-)behinderte Menschen

BAG, Beschluss vom 29.04.2021, Az. 8 AZR 279/20

Leitsatz: Öffentliche Arbeitgeber müssen einen (schwer-)behinderten Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch einladen, wenn dieser laut Bewerbung eine in der Stellenausschreibung bestimmte Mindestnote des geforderten Ausbildungsabschlusses nicht erreicht hat.

Der Fall: Im Sommer 2018 schrieb die Beklagte (öffentlicher Dienst) mehrere Stellen als Referenten/Referentinnen mit folgendem Anforderungsprofil aus: „Sie verfügen über ein wissenschaftliches Hochschulstudium ... der Politik-, Geschichts- oder Verwaltungswissenschaften ... mit mindestens der Note 'gut'." Der Kläger, der sein Studium der Fächer Politikwissenschaften, Philosophie und Deutsche Philologie mit der Note „befriedigend" abgeschlossen hat, bewarb sich innerhalb der Bewerbungsfrist unter Angabe seiner Schwerbehinderung. Er wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und erhielt mit E-Mail der Beklagten vom 17.07.2018 eine Absage. Als er zunächst außergerichtlich eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG einforderte, teilte die Beklagte dem Kläger mit, er erfülle nicht die formalen Kriterien der Stellenausschreibung, da er sein Studium mit der Note „befriedigend" abgeschlossen habe. Deshalb hätte er nach § 165 Satz 4 SGB IX auch nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen.

Die Entscheidung des Gerichts: Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer (schwer-)behinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 165 Satz 3 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Nach § 165 Satz 4 SGB IX ist eine Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Dies kann anzunehmen sein, wenn der/die Bewerber/in eine in einem nach Art. 33 Abs. 2 GG zulässigen Anforderungsprofil als zwingendes Auswahlkriterium bestimmte Mindestnote des geforderten Ausbildungsabschlusses nicht erreicht hat. Daran ändert der Umstand, dass § 165 Satz 4 SGB IX als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, nichts.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Dem Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG sind auch die durch das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG geschützten Personengruppen unterworfen.

SPEZIAL SEMINAR

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz für die SBV
Wirkungsvoll gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz vorgehen

Podcast-Empfehlung des Monats
Zusammenarbeit von SBV und Betriebsrat

Rechtsanwalt Arne Schrein und Fachreferentin Sandra Becker klären in diesem Podcast, was es bei der Zusammenarbeit von SBV und Betriebsrat zu beachten gibt.

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Ihre Beteiligungsrechte als SBV - jetzt sind Sie gefordert
 
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