Wie Arbeitnehmer ab sofort eine Vertrauensperson zum BEM hinzuziehen und alles zu den persönlichen Rechten der Vertrauensperson der SBV, erfahren Sie in diesem Newsletter

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SBV,

erfahren Sie in unserem Rechtsprechungsmonitor, wie aktuell zur Hinweispflicht auf den Zusatzurlaub für (schwer-)behinderte Menschen entschieden wurde und warum ein Masken-Attest zu einer Arbeitsunfähigkeit führen kann. Zudem erhalten Sie in unseren Top-Themen komplexe Fragestellungen praxisgerecht aufbereitet, diesen Monat u.a. alles Wichtige rund um die Inhalte des Teilhabestärkungsgesetzes und die persönlichen Rechte der Vertrauensperson der SBV.

Aber auch bei der W.A.F. hat sich einiges getan: Wir haben unsere Grundlagen-Reihe für die Schwerbehindertenvertretung um die Live Webinare „SBV Teil 2“ und „SBV Teil 3“ erweitert und wollen Sie so bestmöglich und rechtssicher für die Praxis vorbereiten. Weiterhin haben wir unsere SBV-Homepage neu strukturiert. Schauen Sie rein – es lohnt sich!

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Themen der SBV

  • Arbeitnehmer können ab sofort eine Vertrauensperson zum BEM hinzuziehen
  • Persönliche Rechte der Vertrauensperson der SBV

Rechtsprechungsmonitor

  • Keine Hinweispflicht auf den Zusatzurlaub
  • Keine Diskriminierung bei verspäteter Mitteilung einer Schwerbehinderung
  • Kein Beschäftigungsanspruch bei Masken-Attest

Neue Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen der SBV

Arbeitnehmer können ab sofort eine Vertrauensperson zum BEM hinzuziehen
Der Bundestag hat das Teilhabestärkungsgesetz beschlossen. Mit dem Teilhabestärkungsgesetz wird auch eine Regelung zur Stärkung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) umgesetzt.
 
Persönliche Rechte der Vertrauensperson der SBV
Das gewählte Mitglied der SBV heißt nach dem Gesetz Vertrauensperson. Sie haben als Vertrauensperson auch ganz persönliche Rechte, die nur Ihnen zustehen. Welche das sind, haben wir Ihnen übersichtlich zusammengestellt.

Video-Empfehlung des Monats
SBV NoNos: Was Vertrauenspersonen nicht tun dürfen

Unser Rechtsanwalt Niklas Pastille erklärt, welche NoNos die SBV hat. Hand aufs Herz: was dürfen Vertrauenspersonen nicht?

Zum Video  ➜

Rechtsprechungsmonitor
Keine Hinweispflicht auf den Zusatzurlaub

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.01.2021, Az. 5 Sa 267/19

Leitsatz: Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, jeden Arbeitnehmer anlasslos und gleichsam prophylaktisch auf den Zusatzurlaub für (schwer-)behinderte Menschen hinzuweisen. Solange er nicht weiß, dass der Arbeitnehmer ein (schwer-)behinderter Mensch ist, braucht er einen Zusatzurlaub nicht anzubieten.

Der Fall: Der Kläger war vom 22.08.2016 bis zu seiner Kündigung zum 15.02.2019 als Sicherheitskraft bei der Beklagten angestellt. Die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit betrug 46 Stunden, der Stundenlohn belief sich zuletzt auf 10,08 Euro brutto. Dem Kläger stand der gesetzliche Mindesturlaub, bei einer Fünftagewoche 20 Urlaubstage pro Jahr, zu.

Nach Ausspruch der Kündigung verlangte der Kläger die Abgeltung offener Urlaubsansprüche und machte nicht nur Ansprüche aus dem gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch auf Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung geltend.  Die Arbeitgeberin habe ihn nicht über seine Urlaubsansprüche informiert und diese seien somit auch nicht verfallen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die geltende Rechtsprechung des BAG und des EuGH.

Die Beklagte zahlte Urlaubsabgeltung für den Mindesturlaub, wollte aber den Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung nicht abgelten, da sie von der Schwerbehinderung überhaupt nichts gewusst habe. Daher könne ihr auch nicht vorgeworfen werden, dass sie den Kläger darüber hätte informieren müssen. Die Ansprüche seien damit verfallen.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG wies die Klage auf Urlaubsabgeltung ab. Der Zusatzurlaub nach § 7 Abs. 3 Satz 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sei verfallen, weil ihn der Kläger in den laufenden Kalenderjahren 2016, 2017 und 2018 nicht genommen hat. Zwar müsse ein Arbeitgeber im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 06.11.2018 (C-684/16, NZA 2018, 1474 = NJW 2019, 495 – Max-Planck-Institut) einen (schwer-)behinderten Arbeitnehmer auf dessen Zusatzurlaub nach § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hinweisen und konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der (schwer-)behinderte Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen Urlaub zu nehmen, aber nur, wenn er von der Schwerbehinderung wusste. Dies sei hier nicht belegt. Arbeitgeber seien jedoch nicht verpflichtet, jeden Arbeitnehmer – anlasslos und gleichsam prophylaktischer – auf den Zusatzurlaub für (schwer-)behinderte Menschen hinzuweisen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das LAG weist die Beweislast für die Entstehung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers – abweichend zur Rechtsprechung des EuGH und ohne dies zu begründen – dem Arbeitnehmer zu. Abzuwarten bleibt, wie das BAG diese Frage im Revisionsverfahren klärt (Az. 9 AZR 143/21). Für die Frage, ob Zusatzurlaub nach § 208 Abs. 1 S. 1 SGB IX materiell entsteht, liegt die Beweislast ebenfalls auf Seiten des Arbeitnehmers.

NEU

Schwerbehindertenvertretung Teil 2
Besondere Schutzrechte (schwer-)behinderter Kollegen durchsetzen
Keine Diskriminierung bei verspäteter Mitteilung einer Schwerbehinderung

BAG, Urteil vom 17.12.2020, Az. 8 AZR 171/20

Leitsatz: Will ein Bewerber seine Schwerbehinderung bei der Behandlung seiner Bewerbung berücksichtigt wissen, muss er den (potenziellen) Arbeitgeber hierüber in Kenntnis setzen, soweit dieser nicht ausnahmsweise bereits über diese Information verfügt.

Der Fall: Der Kläger, ein gelernter Diplom-Verwaltungswirt (FH) und langjähriger erster Bürgermeister einer Gemeinde, bewarb sich auf die im September 2017 in einer anderen Stadt in der städtischen Verwaltung ausgeschriebene Stelle eines/einer „Leiter/in des Sachgebiets Bauen und Wohnen“. Im Dezember 2013 war dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 attestiert worden. Weder im Bewerbungsschreiben noch im beigefügten Lebenslauf informierte er die Beklagte über seine Schwerbehinderung. Der Kläger wurde im Folgenden nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und das Auswahlgremium entschied sich für einen anderen Bewerber. Die erforderliche Zustimmung des Gemeinderats zur Auswahl des Gremiums erfolgte schließlich am 21.11.2017. Mit E-Mail vom gleichen Tage teilte der Kläger der Beklagten in Ergänzung seiner Bewerbungsunterlagen mit, dass er einen GdB von 50 habe. Da zu diesem Zeitpunkt das Bewerbungsverfahren bereits kurz vor dem Abschluss stand, wurde dies nicht mehr berücksichtigt. Der abgelehnte Bewerber, der sich dadurch wegen seiner Behinderung diskriminiert sah, machte Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG geltend.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG wies die Revision zurück und kam – wie auch die Vorinstanzen – zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde. Der Umstand, dass die Beklagte den Bewerber entgegen der in § 165 S. 3 SGB IX geregelten Verpflichtung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe, begründe im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht die Vermutung, dass die Schwerbehinderung ursächlich für dessen unmittelbare Benachteiligung gewesen sei. Vielmehr habe der Bewerber der Stadt seine Schwerbehinderung erst am Tag der Stadtratssondersitzung und damit nicht rechtzeitig mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt sei es der Stadt unter Berücksichtigung ihres Interesses an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahrens und an einer zügigen Entscheidung über die Besetzung der Stelle nicht mehr zumutbar gewesen, die Schwerbehinderung des Klägers zu berücksichtigen. Um rechtzeitig zu sein, muss die Information über die Schwerbehinderung regelmäßig in der Bewerbung, sofern eine Bewerbungsfrist gesetzt ist, jedenfalls bis zum Ablauf dieser Frist gegeben werden.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Die in § 165 S. 3 SGB IX normierte Einladungspflicht zum Vorstellungsgespräch setzt voraus, dass der Arbeitgeber rechtzeitig erfährt, dass ein Bewerber (schwer-)behindert ist. Nur im Einzelfall kann ausnahmsweise auch eine spätere Mitteilung noch ausreichend sein, allerdings nur dann, wenn es dem Arbeitgeber noch zumutbar ist, den zugunsten (schwer-)behinderter Menschen bestehenden Verfahrens- und/oder Förderpflichten nachzukommen. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Vorstellungs- und Auswahlphase bereits abgeschlossen ist.

SPEZIAL SEMINAR

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz für die SBV
Wirkungsvoll gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz vorgehen
Kein Beschäftigungsanspruch bei Masken-Attest

LAG Köln, Urteil vom 12.4.2021, Az. 2 SaGa 1/21

Leitsatz: Ein Arbeitgeber darf die Beschäftigung eines Arbeitnehmers verweigern, wenn es diesem nicht möglich ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Der Fall: Im Mai 2020 wurde in einem Rathaus das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte angeordnet. Ein Verwaltungsmitarbeiter legte daraufhin zwei Atteste vor, die ihn von der Maskenpflicht befreiten. Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, um seinen Beschäftigungsanspruch durchzusetzen.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Anträge wurden durch das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Den Arbeitgeber traf die Verpflichtung zum Schutz der Beschäftigten nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, der er durch die Anordnung einer Maskenpflicht ordnungsgemäß nachkam. Die Anordnung war auch durch das Direktionsrecht gedeckt, denn das Tragen einer FFP2-Maske diente sowohl dem Infektionsschutz der Mitarbeiter und Besucher, als auch der Gesundheit des Klägers selbst. Wenn ein Mitarbeiter aus besonderen Gründen keine Maske tragen kann, so ist er arbeitsunfähig. Deshalb war er auch nicht zu beschäftigen, zumal Home-Office vorliegend ebenfalls nicht möglich war.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Gesundheitsschutz geht vor! Vielleicht kommt die Verpflichtung zum Tragen von Masken im Herbst in voller Breite wieder. Sie sollten Ihren Kolleginnen und Kollegen daher mitteilen, dass von einer Arbeitsunfähigkeit – mit allen Folgen – auszugehen ist, wenn ein ärztliches Attest vorliegt, nach dem keine Maske getragen werden darf.

SPEZIAL SEMINAR

Arbeits- und Gesundheitsschutz für die SBV
Arbeitssicherheit: So schützen Sie (schwer-)behinderte Kollegen

Podcast-Empfehlung des Monats
Endlich klargestellt: Die SBV darf alles sehen

Das BAG hat klargestellt, dass die SBV bei jeder Einstellung einzubeziehen ist und ihr alle Teile einer Bewerbung vorzulegen sind, auch wenn sich gar kein Schwerbehinderter beworben hat. Doch was genau hat die SBV eigentlich bei Einstellungsverfahren zu tun und warum hat sie diese Aufgaben? Das klären Fabian Baumgartner und unser SBV-Experte Niklas Pastille in diesem Podcast.

Unsere Empfehlung 
Neue Webinarangebote der W.A.F.

Webinar: SBV Teil 2
Besondere Schutzrechte (schwer-)behinderter Kollegen durchsetzen.
 
Webinar: SBV Teil 3
Integration (schwer-)behinderter Kollegen fördern.

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