Die Rechte der SBV bei Betriebsänderungen | Haftung für Impfschäden durch AG? | Virtuelles BEM

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SBV,

wir hoffen, Sie haben schöne Ostertage verbracht, die ersten Frühlingsstunden genossen und sind nun gut erholt zurück an Ihrem Arbeitsplatz. Hier wollen wir Sie wieder bestmöglich mit frischem SBV-Wissen zu aktuellen Themen versorgen!

Kennen Sie schon das neue Nationale Gesundheitsportal „gesund.bund.de“? Dieses Portal des Bundesministeriums für Gesundheit bietet wissenschaftlich gesicherte und allgemein verständliche Gesundheitsinformationen zu Erkrankungen, Therapiemöglichkeiten und weiteren ausgesuchten Gesundheitsthemen – und zwar digital. Die Inhalte sollen fortlaufend erweitert werden, um das Portal zu einer zentralen Anlaufstelle für verlässliche Gesundheitsinformationen zu machen.

Natürlich haben wir für Sie auch in diesem Newsletter wieder die wichtigsten Urteile der vergangenen Monate zusammengestellt. Unter anderem hatten die Gerichte darüber zu entscheiden, ob der Urlaubsanspruch in Kurzarbeit Null anteilig gekürzt werden darf und ob die SBV nur Krankheitszeiten von (Schwer-)Behinderten und Gleichgestellten einsehen kann.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Thema der SBV

  • Die Rechte der Schwerbehindertenvertretung bei Betriebsänderungen

SBV fragt – W.A.F. antwortet

  • Haftung für Impfschäden durch Arbeitgeber?

Rechtsprechungsmonitor

  • Benachteiligung wegen Schwerbehinderung bei mehrstufigem Auswahlverfahren
  • SBV kann nur Krankheitszeiten (Schwer-)Behinderter und Gleichgestellter einsehen
  • Arbeitgeber dürfen Urlaub bei Kurzarbeit Null anteilig kürzen

Neue Seminarangebote der W.A.F.

Top-Thema der SBV
Die Rechte der Schwerbehindertenvertretung bei Betriebsänderungen

Der Begriff der Betriebsänderung findet sich in § 111 Satz 1 BetrVG. Darunter wird jede Änderung der betrieblichen Organisation, der Struktur, des Tätigkeitsbereichs, der Arbeitsweise oder des Standorts des Betriebs verstanden, wenn diese Änderung zumindest für erhebliche Teile der Belegschaft wesentliche Nachteile zur Folge haben kann. Die wesentlichen Nachteile treffen (schwer-)behinderte Menschen besonders und können sowohl materieller, als auch immaterieller Art sein. Es geht um den Verlust des Arbeitsplatzes, höhere körperliche oder psychische Belastung, eine weitere Entfernung zum Arbeitsort und Ähnliches.

Rechte für Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung

Der Betriebsrat hat bei vielen Betriebsänderungen ein Mitspracherecht, die Gestaltungsmöglichkeiten der Schwerbehindertenvertretung sind hingegen begrenzt. Umso wichtiger ist es, dass die wenigen Rechte konsequent genutzt werden. Die Schwerbehindertenvertretung ist nach § 178 Abs. 2 SGB IX zu informieren und anzuhören – selbstverständlich vor dem Ausspruch von Kündigungen und dem Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan. Deshalb ist es für Sie wichtig zu wissen, wann eine Betriebsänderung vorliegt.

Die Beteiligung bei Betriebsänderungen

Betriebsänderungen sind in den §§ 111 bis 113 BetrVG geregelt. Sie sind an einige Grundvoraussetzungen gebunden:

  1. Im Betrieb muss ein Betriebsrat existieren.
  2. Im Betrieb müssen in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden.
  3. Die in Frage stehende Maßnahme muss eine Betriebsänderung sein. Dabei meint das Gesetz nur solche Maßnahmen, durch die die Funktionsweise des Betriebs geändert wird – und zwar in nicht alltäglicher Weise.
  4. Es besteht das Risiko, dass die Betriebsänderung wesentliche Nachteile für die Beschäftigten des Unternehmens zur Folge hat.
  5. Es muss zumindest ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen sein.

„Wesentlichen Nachteile“ für die Belegschaft

Ein Punkt, der dabei immer wieder für Auseinandersetzungen sorgt, sind die „wesentlichen Nachteile“ für die Belegschaft. Es reicht insoweit die Vermutung, dass sich bei objektiver Beurteilung einer Betriebsänderung solche Nachteile einstellen können.

Beispiele für wesentliche Nachteile, die zum Vorliegen einer mitbestimmungspflichtigen Betriebsänderung führen, sind Nachteile, die

  • mit einer Kündigung bzw. einem Aufhebungsvertrag, also dem Ausscheiden aus dem Betrieb verbunden sind, wie z.B. finanzielle Nachteile, Arbeitslosigkeit, psychosoziale Nachteile durch die Arbeitslosigkeit,
  • durch eine Versetzung innerhalb des Betriebs entstehen,
  • durch die allgemeine Veränderung der Arbeitsorganisation entstehen, wie z.B. Veränderungen der Arbeitszeitgestaltung, verminderte Qualifikationsanforderungen, erhöhte Arbeitsbelastung.

Interessenausgleich und Sozialplan: Die Rechte der SBV

In den Verhandlungen über einen Interessenausgleich wird geklärt, ob, wie, wann und in welchem Umfang eine Betriebsänderung durchgeführt werden soll. Zudem wird in den Gesprächen erörtert, ob es alternative Möglichkeiten gibt und wie diese aussehen könnten. Sie sind im Einzelnen als Schwerbehindertenvertretung darüber zu informieren. Dabei nimmt die Schwerbehindertenvertretung an den Betriebsratssitzungen teil.

Ziel bei einem Interessenausgleich muss es vor allem sein, dafür zu sorgen, dass die wirtschaftlichen Nachteile für die Belegschaft so gering wie möglich bleiben. Der Betriebsrat sollte sich deshalb wirkungsvolle Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung nach den §§ 80 Abs. 1 Nr. 8, 92 a BetrVG überlegen. Die Vorschläge der Schwerbehindertenvertretung können beispielsweise eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit, die Förderung von Teilzeitarbeit oder Altersteilzeit zum Gegenstand haben. Auch die Qualifizierung von Beschäftigten kommt in Betracht. Des Weiteren kann die Schwerbehindertenvertretung eine Alternative zur Ausgliederung von Arbeit oder ihre Vergabe an andere Unternehmen sowie Produktions- und Investitionsprogramme vorschlagen. Auch die Förderung der von einer Behinderung betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehört dazu.

Diese Vorschläge muss der Arbeitgeber sodann nach § 92a Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit dem Betriebsrat beraten. Hält er sie für ungeeignet, muss er dies begründen.

Der Sozialplan

Der Arbeitgeber muss im Fall von Betriebsänderungen einen Sozialplan mit dem Betriebsrat vereinbaren, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Bei den Verhandlungen über einen Sozialplan geht es vor allem um einen finanziellen Ausgleich für die Arbeitnehmer in Form von Abfindungen. Die Höhe der Abfindungen richtet sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Alter der Kollegen, deren durchschnittlichen Verdienstes und der Anzahl eventueller unterhaltsberechtigter Personen. Auch eine Schwerbehinderung soll Berücksichtigung finden. Dafür kann die Schwerbehindertenvertretung sorgen.

GRUNDLAGEN

Betriebsverfassungs- und Arbeitsrecht für die SBV
Wichtiges Grundlagenwissen für die SBV erwerben

SBV fragt – W.A.F. antwortet
Haftung für Impfschäden durch Arbeitgeber?

SBV fragt: Bei uns im Pflegeheim wurde fleißig geimpft. Wenn genügend Impfstoff vorhanden ist, möchte unser Arbeitgeber, dass die Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht geimpft wurden, ein Angebot vor Ort in der Pflegeinrichtung erhalten. Ich als Schwerbehindertenvertreterin sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wenn unser Arbeitgeber die Impfung fordert und fördert, haftet er dann auch für Impfschäden?

W.A.F. antwortet: Beschäftigte im medizinischen Bereich erhalten ja häufig eine Impfung am Arbeitsplatz. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob der Arbeitgeber bei einem eventuellen Impfschaden haftet.

Für die Grippeschutzimpfung wurden die Arbeitgeber bereits durch das Bundesarbeitsgericht entlastet. Bei einer vom Betriebsarzt durchgeführten Grippeimpfung haftet der Arbeitgeber regelmäßig nicht für daraus resultierende Impfschäden. Weder ist ein Behandlungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zustande gekommen, noch muss sich der Arbeitgeber eine Pflichtverletzung des Betriebsarztes zurechnen lassen (BAG, 21.12.2017, Az.: 8 AZR 853/16).

Die Grundsätze dieses Urteils sind auf die Corona-Impfung anzuwenden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Ihr Arbeitgeber nicht haftet. Anders sieht es natürlich aus, wenn er sich nicht an die hygienerechtlichen und medizinischen Vorgaben hält.

Video-Empfehlung des Monats
Virtuelles BEM-Verfahren: Gibt es so was?

In Zeiten von virtuell durchgeführten Betriebsratssitzungen kann man diesen Gedanken doch auch auf das Betriebliche Eingliederungsmanagement übertragen, oder nicht? Rechtsanwalt Niklas Pastille erklärt, worauf bei der Durchführung von BEM-Gesprächen per Videokonferenz zu achten ist. Wer muss teilnehmen? Worauf ist technisch zu achten? Und warum ist es wichtig, dass auch in Pandemiezeiten unbedingt BEM-Gespräche geführt werden müssen?

Rechtsprechungsmonitor
Benachteiligung wegen Schwerbehinderung bei mehrstufigem Auswahlverfahren

BAG, Urteil vom 27.08.2020, Az. 8 AZR 45/19

Leitsatz: (Schwer-)Behinderte Bewerber sollen durch das in § 82 Satz 2 SGB IX a. F. genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer fachlichen und persönlichen Eignung zu überzeugen.

Der Fall: Der schwerbehinderte Kläger bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle einer Fachbereichsleitung beim beklagten Bundesland. Er wurde zu einem Auswahlgespräch eingeladen, allerdings nicht zur nächsten Stufe, einer sog. „Potenzialanalyse“, bestehend aus schriftlichen Tests, einem Interview und Präsentationen. Nach Ansicht des Klägers sei er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden und das beklagte Land sei ihm nach § 15 Abs. 2 AGG zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, da nach Auffassung der Gerichte keine Benachteiligungen erkennbar gewesen seien. Die gesetzliche Verpflichtung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch beziehe sich in mehrstufigen Verfahren nur auf das erste Auswahlgespräch (LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2018, Az. 7 Sa 227/18).

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG gab der Revision des Klägers statt. Entgegen der Annahme des LAG hat der Kläger gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entschädigung i.H.v. 7.674 Euro für angemessen. Das beklagte Land habe den Kläger entgegen den Vorgaben des AGG sowie des SGB IX a.F. unmittelbar wegen seiner (Schwer-)Behinderung benachteiligt. Es hätte den Kläger, anstatt ihm nach dem Auswahlgespräch eine Absage zu erteilen, auch zu der Potenzialanalyse einladen müssen. Der Begriff „Vorstellungsgespräch“ in § 82 Satz 2 SGB IX a.F. sei nicht eng im Sinne eines Gesprächs, in dem sich der Bewerber einmalig vorstellt, zu verstehen, sondern weit auszulegen. Er umfasse - auch bei mehrstufigen Auswahlprozessen - grundsätzlich alle Instrumente im Verfahren der Personalauswahl unabhängig von ihrer Bezeichnung (z.B. als Auswahlgespräch, Test, Assessment Center, Interview etc.), der angewandten Methode (z.B. biografie-, test- oder simulationsorientierte Verfahren) und der konkreten Durchführungsform (z.B. Rollenspiele, Fallbeispiele, Ad-hoc-Präsentationen etc.), die nach der eigenen Konzeption des Arbeitgebers erforderlich seien, um sich einen umfassenden Eindruck von der fachlichen und persönlichen Eignung des Bewerbers zu machen. Dies folge aus einer am Sinn und Zweck orientierten Auslegung des Begriffs „Vorstellungsgespräch“ in § 82 Satz 2 SGB IX a.F..

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Schwerbehinderten Bewerbern soll der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Sie sollen durch das Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern und den Arbeitgeber von ihrer Eignung zu überzeugen. Dafür soll ihnen nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung das vollständige Vorstellungsgespräch zur Verfügung stehen. Zwar ist das Urteil noch zum alten Recht (§ 82 Satz 2 SGB IX a.F.) ergangen. Die Regelung der Einladungsverpflichtung (schwer-)behinderter Bewerber für öffentliche Arbeitgeber findet sich jedoch inhaltlich unverändert auch nach der Reform des SGB IX in § 165 Satz 3 SGB IX wieder und gilt damit auch für das neue Recht.

SPEZIAL SEMINAR

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz für die SBV
Wirkungsvoll gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz vorgehen
SBV kann nur Krankheitszeiten (Schwer-)Behinderter und Gleichgestellter einsehen

LAG Hamm, Beschluss vom 10.01.2020, Az. 13 TaBV 60/19

Leitsatz: Neben dem Betriebsrat muss der Arbeitgeber auch die SBV informieren, für welche Beschäftigten das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) in Frage kommt. Die SBV hat aber nur einen Anspruch auf die quartalsweise Herausgabe von Listen der (schwer-)behinderten und gleichgestellten Arbeitnehmer und nicht auf die der gesamten Belegschaft.

Der Fall: Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) eines Betriebs und die Gesamtschwerbehindertenvertretung (GSBV) des Unternehmens verlangen vom Arbeitgeber die quartalsweise Herausgabe von Listen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die krankheitsbedingt in den zurückliegenden zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren und/oder bei denen in den vergangenen zwölf Monaten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement eingeleitet wurde. Der Arbeitgeber teilte der SBV und der GSBV die geforderten Informationen mit, allerdings nur für die (schwer-)behinderten Arbeitnehmer einschließlich der diesen gleichgestellten Beschäftigten. Die Schwerbehindertenvertretungen sind hingegen der Meinung, ihnen stünden die angefragten Informationen über alle Beschäftigten zu, was sich schon aus § 178 Abs. 1 S. 3 SGB IX ergeben würde. Danach sei es auch Pflicht der SBV diejenigen Beschäftigten zu unterstützen, die erst noch einen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung stellen wollen. Ergebnis eines BEM-Verfahrens könne nämlich gerade auch die Stellung eines solchen Antrages sein. Darüber hinaus umfasse der neu gefasste Behindertenbegriff nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB IX auch diejenigen Menschen, die von einer Behinderung bedroht seien. Schließlich würde gegen europarechtliche Vorgaben verstoßen werden, wenn die Zuständigkeit von Schwerbehindertenvertretungen nur auf anerkannt (schwer-)behinderte Menschen begrenzt würde. Die SBV und Gesamt-SBV scheiterten mit ihren Anträgen sowohl vor dem Arbeitsgericht, als auch in zweiter Instanz vor dem LAG Hamm.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG Hamm stellte klar, dass die SBV aufgrund ihrer sich aus § 167 Abs. 2 S. 7 SGB IX ergebenden Überwachungsaufgabe nur einen Anspruch auf die Listen der (schwer-)behinderten und gleichgestellten Beschäftigten, die in den zurückliegenden zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig krank waren und bei denen ein BEM eingeleitet wurde, habe. Für die (schwer-)behinderten Arbeitnehmer und die diesen gleichgestellten Beschäftigten ergebe sich dieser Anspruch aus der gesetzlichen Beteiligung der SBV gemäß § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX. Der Gesetzgeber habe bei der Bestimmung der zu beteiligenden Interessenvertretungen die Einschaltung der SBV auf die Gruppe der (schwer-)behinderten und der diesen gleichgestellten behinderten Menschen begrenzt. Wirke sich eine Angelegenheit jedoch gleichmäßig auf alle Beschäftigten aus, so sei aufgrund der Verweisung in § 176 SGB IX allein der Betriebsrat für die Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer zuständig. Damit sei eine lückenlose Interessenvertretung kollektivrechtlich gewährleistet.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Es ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, über welche Beschäftigten der SBV im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements Auskünfte zustehen. Insofern hat das LAG Hamm auch ausdrücklich die Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bleibt also abzuwarten, wie das BAG in dieser Frage entscheidet.

SPEZIAL SEMINAR

Betriebliches Eingliederungsmanagement für die SBV
Schwerpunkt und Herausforderung für die Schwerbehindertenvertretung
Arbeitgeber dürfen Urlaub bei Kurzarbeit Null anteilig kürzen

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021, Az. 6 Sa 824/20

Leitsatz: Während Kurzarbeit Null können Urlaubsansprüche nicht entstehen. Der Jahresurlaub wird für jeden Monat der Kurzarbeit Null um ein Zwölftel gekürzt.

Der Fall: Die Arbeitnehmerin ist seit dem 01.03.2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt und arbeitet in einer 3-Tage-Woche in Teilzeit. Pro Kalenderjahr stehen der Arbeitnehmerin vereinbarungsgemäß 28 Werktage bzw. umgerechnet 14 Arbeitstage Erholungsurlaub zu. Infolge der Corona-Pandemie galt für die Arbeitnehmerin ab April bis Dezember 2020 wiederholt Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. In den Monaten August und September 2020 hatte die Arbeitgeberin der Klägerin insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt.

Die Arbeitnehmerin ist der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Konjunkturbedingte Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse der Arbeitgeberin. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit. So unterliege sie während der Kurzarbeit Meldepflichten. Auch könne die Arbeitgeberin die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, weswegen es an einer Planbarkeit der freien Zeit fehle. Die Arbeitnehmerin begehrt deshalb die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der volle vertraglich vereinbarte Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen zustehe, somit noch weitere 2,5 Arbeitstage. Die Arbeitgeberin tritt dem entgegen und ist der Meinung, mangels Arbeitspflicht entstünden während der Kurzarbeit Null keine Urlaubsansprüche. Deshalb habe sie den Urlaubsanspruch der Klägerin für 2020 bereits vollständig erfüllt.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG Düsseldorf bestätigt die Entscheidung des AG Essen vom 06.10.2020 (Az. 1 Ca 2155/20), die einen weiteren Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin verneint. Die Klägerin habe aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null sei der Urlaub um 1/12 zu kürzen gewesen. Dies ergebe sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage. Der Erholungszweck des Urlaubs setze eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Während der Kurzarbeit seien die Leistungspflichten, welche im Arbeitsverhältnis korrespondieren, aufgehoben und Kurzarbeiter seien wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen ist. Das Gericht betont, dass Kurzarbeit Null nicht mit der Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen sei und auch die besonderen Umstände der Corona-Pandemie hieran nichts ändern würden. Zudem würde sich aus den Vorschriften des BUrlG nichts anderes ergeben und eine spezielle Regelung für Kurzarbeit existiere ebenfalls nicht.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das LAG Düsseldorf folgt damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie). Danach entsteht während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch nicht. Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen.

TOP AKTUELL

Arbeits- und Sozialrecht - Update
Aktuelle Änderungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung

Podcast-Empfehlung des Monats
Das BEM und die SBV - Ein Anwalt beantwortet Ihre Fragen

In dieser Folge erhalten Sie Antworten auf Fragen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Zum Beispiel gilt das BEM nur für (Schwer-)Behinderte? Oder gibt es das BEM auch "ohne SBV" und in betriebsratslosen Betrieben?

Unsere Empfehlung
Neue Seminarangebote der W.A.F.

Arbeits- und Gesundheitsschutz für die SBV
Arbeitssicherheit: So schützen Sie (schwer-)behinderte Kollegen
Schwerbehindertenversammlung und betriebliche Öffentlichkeitsarbeit
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