Die Beschäftigungspflicht (schwer-)behinderter Menschen | Mit welchen Behörden hat es die SBV am häufigsten zu tun? | Unzulässiger Versand von Wahlwerbung durch die amtierende SBV

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SBV,

auch heute möchten wir Sie mit unserem neuen, speziell auf die SBV zugeschnittenen Newsletter wieder über aktuelle Themen, neue Gerichtsentscheidungen und Fragestellungen rund um die Vertretung (schwer-)behinderter Menschen informieren und Ihnen Ihre anspruchsvolle Arbeit als Schwerbehindertenvertretung erleichtern. Wir hoffen, Sie damit neben unseren Seminaren und Webinaren noch besser unterstützen zu können.

Viel Freude beim Lesen und bleiben Sie gesund!

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Wichtiges SBV-Thema

  • Die Beschäftigungspflicht (schwer-)behinderter Menschen

SBV fragt – W.A.F. antwortet

  • Mit welchen Behörden hat es die SBV am häufigsten zu tun? Und wer ist wofür zuständig?

Rechtsprechungsmonitor

  • Nachschieben von Kündigungsgründen bei einem (schwer-)behinderten Arbeitnehmer
  • Unzulässiger Versand von Wahlwerbung durch die amtierende SBV
  • Einladung (schwer-)behinderter Menschen bei internen Stellenausschreibungen öffentlicher Arbeitgeber

Neue Seminarangebote der W.A.F.

  • SBV spezial: Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell
  • Webinar: Schwerbehindertenvertretung Teil 1

Wichtiges SBV-Thema
Die Beschäftigungspflicht (schwer-)behinderter Menschen

Bei jeder Neueinstellung ist es die Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung (SBV), auf eine Besetzung mit einem (schwer-)behinderten Mitarbeiter hinzuwirken nach § 176 SGB IX. Erfüllt ein Arbeitgeber die Beschäftigungsquote nicht, muss er zahlen.

Die Bedeutung der Beschäftigungspflicht

  • Unternehmen mit mindestens 20 und höchstens 39 Arbeitsplätzen müssen mindestens einen (schwer-)behinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer beschäftigen.
  • Bei bis zu 59 Arbeitsplätzen sind es 2.
  • Ab 60 Arbeitsplätzen liegt die Pflichtquote bei 5 %, wobei Sie Bruchteile ab 0,5 aufrunden müssen nach § 154 SGB IX.

Die Höhe der Ausgleichsabgabe pro Monat bei mindestens 60 Arbeitsplätzen nach § 160 SGB IX beträgt:

Damit die SBV ihre Aufgaben erfüllen kann, muss der Arbeitgeber je eine Abschrift folgender Unterlagen aushändigen:

  • Verzeichnis der beschäftigten (schwer-)behinderten Menschen, ihnen gleichgestellten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen,
  • Anzeige an das Integrationsamt mit den Daten, die für die Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig sind.

Verstöße melden

Die SBV hat das Recht, Verstöße des Arbeitgebers bei der Erfüllung der Beschäftigungspflicht der Bundesagentur für Arbeit mitzuteilen. Ignoriert der Arbeitgeber seine Aufgaben mutwillig und vorsätzlich, sollte er darauf hingewiesen werden.

Auch Gleichgestellte zählen mit

Jeder Arbeitgeber kann seine Beschäftigungspflicht mit der Einstellung (schwer-)behinderter oder gleichgestellter Menschen erfüllen. „Gleichgestellt“ bedeutet: Behinderte Menschen mit einem festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von weniger als 50, aber mindestens 30, können den (schwer-)behinderten Menschen gleichgestellt werden nach § 2 Absatz 3 SGB IX. Eine Gleichstellung kann dann erlangt werden, wenn infolge der Behinderung ohne die Gleichstellung ein geeigneter Arbeitsplatz nicht erlangt oder nicht behalten werden kann. Die Gleichstellung wird rückwirkend mit dem Tage des Antragseingangs bei der Agentur für Arbeit wirksam.

Die mehrfache Anrechnung bei der Beschäftigungsquote

Einen (schwer-)behinderten oder gleichgestellten Beschäftigten kann der Arbeitgeber auf einen Pflichtarbeitsplatz anrechnen. Von dieser Regel gibt es allerdings Ausnahmen. So darf ein (schwer-)behinderter Beschäftigter unter Umständen auf bis zu 3 Pflichtarbeitsplätze angerechnet werden, wenn dieser wegen der Art und Schwere seiner Behinderung besonders im Arbeitsleben betroffen ist.

Stellt der Arbeitgeber einen (schwer-)behinderten Menschen zur beruflichen Ausbildung ein, darf er diesen auf 2 Pflichtarbeitsplätze anrechnen. Bei dieser Anrechnung bleibt es auch nach Abschluss der Ausbildung im ersten Jahr, wenn der Mitarbeiter übernommen wird.

Die Mehrfachanrechnung ist in folgenden Fällen möglich:

  1. Der Arbeitnehmer benötigt zur Ausübung der Beschäftigung wegen seiner Behinderung eine besondere Hilfskraft.
  2. Der Arbeitgeber hat außergewöhnliche Aufwendungen durch die Beschäftigung des Mitarbeiters.
  3. Der Arbeitnehmer kann wegen seiner Behinderung offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen.
  4. Es liegt ein GdB von mindestens 50 allein aufgrund geistiger oder seelischer Behinderung oder eines Anfallsleidens vor.
  5. Der Arbeitnehmer hat wegen der Art und Schwere seiner Behinderung keine abgeschlossene Berufsausbildung.
  6. Der (schwer-)behinderte Arbeitnehmer hat das 50. Lebensjahr vollendet.
  7. Grundsätzlich kann auch jeder andere (schwer-)behinderte Mensch mehrfach gerechnet werden, wenn seine Arbeitsvermittlung auf besondere Schwierigkeiten stößt. Die Entscheidung über die Mehrfachanrechnung fällt in allen Fällen die zuständige Agentur für Arbeit.

Werkstätten für behinderte Menschen

Arbeitgeber, die zur Ausgleichsabgabe verpflichtet sind, können ihre Zahlungspflicht ganz oder teilweise auch dadurch erfüllen, dass sie anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) oder Blindenwerkstätten Aufträge erteilen.

Es kann bis zu 50 % der in den Aufträgen enthaltenen Arbeitsleistung auf die zu zahlende Ausgleichsabgabe angerechnet werden nach § 223 SGB IX.

Dauernde Pflichten

Arbeitgeber sind stets verpflichtet, im Rahmen der Prüfung ihrer Beschäftigungspflicht zu untersuchen, ob Stellen nicht mit besonders beeinträchtigten Mitarbeitern besetzt werden können nach § 155 SGB IX.

Erörterungspflicht mit der SBV

Der Arbeitgeber hat mit der SBV die Beschäftigungspflicht nach § 155 Abs. 2 SGB IX ausdrücklich zu erörtern.

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SBV fragt – W.A.F. antwortet
Mit welchen Behörden hat es die SBV am häufigsten zu tun? Und wer ist wofür zuständig?

W.A.F. antwortet: Vielen Dank für Ihre Anfrage! Im Folgenden haben wir die wichtigsten Behörden mit ihren jeweiligen Aufgaben zusammengestellt:

Das Integrationsamt:
Das Integrationsamt und Inklusionsamt sind identische Behörden. Je nach Bundesland differenziert die Bezeichnung. Es ist zuständig für das Antragsverfahren zur Kündigung durch den Arbeitgeber und für die finanzielle Förderung (begleitende Hilfe) an den (schwer-)behinderten Menschen.

Die Agentur für Arbeit:
Die Agentur für Arbeit ist für das Gleichstellungsverfahren nach § 151 Abs. 3 SGB IX zuständig sowie für Förderbescheide bei Leistungen der beruflichen Rehabilitation, für die Rückkehr in den Beruf nach Krankheit oder bei Behinderung.

Die Rentenversicherungsträger:
Für Leistungen der beruflichen Rehabilitation kommen auch die Rentenversicherungsträger in Betracht, wenn der Betroffene bereits 15 Jahre versichert ist.

Der Unfallversicherungsträger:
Bei Hilfen zur Rückkehr in den Beruf nach einem Unfall ist der Unfallversicherungsträger zuständig.

Das Versorgungsamt:
Das Versorgungsamt oder eine andere nach dem jeweiligen Landesrecht zuständige Stelle erlässt Bescheide in Verfahren auf Feststellung einer Behinderung, zur Änderung des GdB und bei Zuweisung von Merkzeichen.

Die Integrationsfachdienste:
Die Integrationsfachdienste (IFD) sind in Deutschland Dienste Dritter, die die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt unterstützen sollen. Die Koordination der Arbeit der IFD liegt bei den Integrationsämtern. Die IFD sind in §§ 192 ff. bzw. § 49 Abs. 6 Ziff. 9 SGB IX gesetzlich geregelt. Es geht um die Vermittlung, Begleitung und Sicherung eines Arbeitsplatzes sowie auch um die Eingliederung nach einem Unfall.

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Dass der Betriebsrat bei jeder Einstellung mit ins Boot zu holen ist, ist den meisten bewusst. Aber ob und wann die Schwerbehindertenvertretung ein Wörtchen mitzureden hat, erfahren Sie im Video!

Rechtsprechungsmonitor
Nachschieben von Kündigungsgründen bei einem (schwer-)behinderten Arbeitnehmer

LAG Köln, Urteil vom 15.07.2020 – 3 Sa 736/19, amtl. Leitsatz
Bei einem (schwer-)behinderten Arbeitnehmer scheitert das Nachschieben von Kündigungsgründen im Kündigungsschutzprozess an der insoweit regelmäßig fehlenden vorherigen Mitteilung dieser Kündigungsgründe an das Integrationsamt. Diese ist anders als die Betriebsratsanhörung nicht nachholbar.

Der Fall: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen arbeitgeberseitigen Kündigung sowie über den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung. Der Arbeitnehmer ist seit 2006 bei einem international tätigen Hersteller von Drogerieartikeln mit rund 2.000 Mitarbeitern und mehreren Niederlassungen beschäftigt, bei dem sowohl ein Betriebsrat als auch eine Schwerbehindertenvertretung besteht. Zunächst war er als Personalreferent tätig, seit 2013 dann im Qualitätsmanagement mit einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 7.452,00 €.
Seit dem 07.06.2013 ist der Arbeitnehmer bei einem GdB von 30 einem (schwer-)behinderten Menschen gleichgestellt. Mit Schreiben vom 27.08.2019 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos aus wichtigem Grund. Er warf dem Arbeitnehmer vor, zwischen Mai und Juli 2019 mehrfach vorsätzlich gegen das Verbot der Privatnutzung von Poolfahrzeugen verstoßen und diese Nutzung durch Manipulationen verschleiert zu haben. Der Arbeitnehmer gewann den Kündigungsschutzprozess in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht (ArbG Aachen, Urteil vom 12.11.2019 – 4 Ca 2303/19). Hiergegen legte der Arbeitgeber Berufung beim LAG Köln ein, nannte als zusätzliche Belege für die eigenmächtigen Privatfahrten Widersprüche zwischen dem Fahrtenbuch und den erfassten Arbeitszeiten und reichte weitere Beweise für Privatfahrten des Arbeitnehmers im April 2019 nach. Der Arbeitgeber gab an, den Kläger zu sämtlichen neu ermittelten Vorfällen schriftlich angehört und auch den Betriebsrat und die SBV nachträglich mit schriftlichen Anhörungen beteiligt zu haben.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG wies die Berufung des Arbeitgebers zurück. Die außerordentliche Kündigung war bereits unverhältnismäßig, da dem Arbeitgeber bei Abwägung der Gesamtumstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei. Darüber hinaus stellt das LAG klar, dass die nachgeschobenen Sachverhalte nicht erschwerend berücksichtigt werden können, da diese nicht Gegenstand des Antrags an das Integrationsamt gewesen seien. Insoweit fehle es an einer vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bzw. der eingetretenen Fiktion gemäß § 174 SGB IX. Nach dieser Vorschrift bedarf auch die außerordentliche Kündigung – ebenso wie die ordentliche Kündigung nach § 168 SGB IX – der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Der Antrag muss – so das LAG – eine detaillierte Darstellung des gesamten Kündigungssachverhalts enthalten. Das gelte in gleicher Weise für sog. nachgeschobene Sachumstände, die zum Zeitpunkt der Kündigung bereits vorgelegen haben, vom Arbeitgeber aber erstmals im Kündigungsschutzprozess zur Unterstützung der Kündigung vorgebracht werden. Diese Umstände seien nicht Gegenstand des ursprünglichen Antrags an das Integrationsamt gewesen und daher von der Zustimmung bzw. Fiktionswirkung gemäß § 174 Abs. 3 S. 2 SGB IX nicht erfasst. Dies gelte unabhängig davon, ob solche Tatsachen im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Jegliche arbeitsrechtliche Berücksichtigung von nicht dem Integrationsamt mitgeteilten Gründen ließe die gesetzlich vorgegebene, strikte verfahrensmäßige Trennung von Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsverfahren außer Acht. Gesetzeskonform sei daher allein ein generelles Verbot von nachgeschobenen Kündigungsgründen, die nicht Gegenstand des Antrags beim Integrationsamt waren.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Unabhängig davon, wie lange ein etwaiger Kündigungsschutzprozess dauert, ist der Arbeitgeber bei einer Kündigung (schwer-)behinderter und gleichgestellter Arbeitnehmer auf die Gründe beschränkt, die er dem Integrationsamt ganz zu Anfang mitgeteilt hat.

TOP AKTUELL

Kündigung (schwer-)behinderter Mitarbeiter
Ihre Beteiligungsrechte als SBV - jetzt sind Sie gefordert
Unzulässiger Versand von Wahlwerbung durch die amtierende SBV

LAG Hessen, Beschluss vom 25.05.2020 – 16 TaBV 147/19, amtl. Leitsatz
Der Versand von Wahlwerbung an die privaten Email-Adressen der Wahlberechtigten durch die amtierende Schwerbehindertenvertretung verletzt den Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber.

Der Fall: Der Arbeitgeber betreibt eine Fluggesellschaft. Mit Schreiben vom 15. August 2018 übersandte die damalige SBV an die privaten Email-Adressen der im Betrieb beschäftigten (schwer-)behinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Einladung zur Jahreshauptversammlung der SBV, der ein Schreiben beigefügt war, dessen Absatz 4 wie folgt lautete:

„Zum letzten Mal dürfen wir die Kollegen des fliegenden Personals bei unserer Versammlung begrüßen. Durch die Neuwahlen bei der Personalvertretung wurde die Voraussetzung für die Wahl einer eigenen Schwerbehindertenvertretung geschaffen. Die SBV-Wahl steht auch bei uns in Kürze an. Sie wird in Briefwahl durchgeführt. Sie erhalten Ihre Wahlunterlagen Ende September per Post zugeschickt. Gewählt werden wieder eine Vertrauensperson und mehrere StellvertreterInnen. Die im Amt befindlichen treten wieder an und würden sich über ihr Vertrauen sehr freuen. Bitte nutzen Sie Ihr Recht zu wählen sehr zahlreich. Eine hohe Wahlbeteiligung dokumentiert das Interesse an unseren Themen.“

Eine weitere Kandidatin zur SBV-Wahl wandte sich im September 2020 wiederholt an den Wahlvorstand, zunächst mit der Bitte einen „e-Flyer“ der Kandidaten an die Wahlberechtigten zu versenden, sodann forderte sie Chancengleichheit der Wahlbewerber, die durch das Begleitschreiben der derzeitigen Amtsinhaber zur Einladung für die Jahreshauptversammlung verletzt sei. Der Wahlvorstand berief sich auf seine Neutralitätspflicht und verwies die Kandidatin auf Aushangmöglichkeiten an verschiedenen Stellen im Betrieb. Schließlich ging die bei der Wahl unterlegene Kandidatin gemeinsam mit weiteren Wahlberechtigten gerichtlich gegen die SBV-Wahl vor.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG Hessen kam zu dem Ergebnis, dass die Wahl der SBV unwirksam ist, da eine Verletzung des ungeschriebenen Grundsatzes der Chancengleichheit der Wahlbewerber vorliege. Nach ihm solle jeder Wahlbewerber die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren und damit die gleiche Chance im Wettbewerb um die Wählerstimmen haben. Insofern dürfe der Wahlvorstand auch nicht einzelnen Bewerbern Vorrechte gegenüber anderen einräumen. Dasselbe müsse gelten, wenn einzelne Wahlbewerber sich selbst Vorrechte gegenüber Mitbewerbern herausnehmen.

Nach Ansicht des LAG Hessen ist das der Einladung zur Jahreshauptversammlung der SBV beigefügte Schreiben als Wahlwerbung zu qualifizieren, auch wenn es sich letztlich nur um einen Satz („Die im Amt befindlichen treten wieder an und würden sich über Ihr Vertrauen sehr freuen.“) im Gesamtkontext handele. Dieser gebe aber dem gesamten Schreiben sein Gepräge. Nach der Auffassung des LAG komme es nicht darauf an, ob es sich hierbei um unzulässige Wahlwerbung handele. Der Grundsatz der Chancengleichheit sei deshalb verletzt, weil für die anderen Kandidaten keine Möglichkeit bestand, für ihre Kandidatur in vergleichbarer Weise zu werben. Dies ergebe sich daraus, dass das genannte Schreiben als Anlage zur Einladung zur Jahreshauptversammlung an die privaten E-Mail-Adressen sämtlicher (schwer-)behinderter Menschen des Betriebs versandt wurde. Eine derartige Möglichkeit bestünde für die anderen Kandidaten nicht. Der Hinweis des Wahlvorstands, sich um die Aushangmöglichkeiten im Betrieb zu bemühen, hätte keine vergleichbare Öffentlichkeitswirkung. Eine direkte Ansprache per E-Mail oder durch ein Schreiben erreiche den Adressaten unmittelbar, während ungewiss sei, ob Aushänge an einzelnen Stellen im Betrieb von den Wählern tatsächlich zur Kenntnis genommen werden. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Wahl ohne das Schreiben zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, müsse die Wahl wiederholt werden.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Passen Sie gut auf, dass Sie sich aus Ihrem Amt keine unerlaubten Vorteile für die eigene Wahlwerbung verschaffen. Wie die Entscheidung des LAG Hessen zeigt, kann das schnell gehen. Schon ein einziger Satz in einem Informationsschreiben kann das gesamte Schreiben zu einer (unzulässigen) Wahlwerbung machen.

SPEZIAL SEMINAR

SBV-Schreiben gekonnt formuliert
Praxis-Tipps für rechtssichere Korrespondenz
Einladung (schwer-)behinderter Menschen bei internen Stellenausschreibungen öffentlicher Arbeitgeber

BAG, Urteil vom 25.06.2020 - 8 AZR 75/19
Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten (schwer-)behinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX in der bis zum 29. Dezember 2016 geltenden Fassung (Hinweis: eine entsprechende Regelung findet sich nun in § 165 SGB IX n.F. wieder) zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Das gilt auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung.

Der Fall: Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit schrieb im März 2016 intern zwei Stellen als Personalberater aus, wobei eine Stelle bei der Arbeitsagentur in Cottbus und die andere Stelle bei der Arbeitsagentur in Berlin-Mitte zu besetzen war. Der Kläger, ein langjährig bei der Bundesagentur für Arbeit beschäftigter Mitarbeiter, bewarb sich auf beide Stellen. Beide Stellen, die identische Anforderungsprofile hatten, wurden durch die zuständige Regionaldirektion Berlin-Brandenburg in einem Auswahlverfahren nach identischen Kriterien vergeben. Der Kläger wurde aber nur für eine Stelle zu einem Vorstellungsgespräch mit dem Hinweis eingeladen, dass die Ergebnisse des Vorstellungsgesprächs für die Stelle in Berlin-Mitte in das Stellenbesetzungsverfahren für die Stelle in Cottbus einfließen würden. Die Bewerbungen des Klägers blieben beide erfolglos. Der Kläger sah sich wegen seiner (Schwer-)Behinderung benachteiligt. Dies machte er an der unterbliebenen Einladung zum Vorstellungsgespräch auch für die Stelle in Cottbus fest und verlangte eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG verneinte die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, da der Kläger nicht wegen seiner (Schwer-)Behinderung benachteiligt worden sei. Zwar müsse ein öffentlicher Arbeitgeber, dem die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten (schwer-)behinderten oder dieser gleichgestellten Person zugehe, diese nach § 82 Satz 2 SGB IX a.F. auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Allerdings reiche die Durchführung eines Vorstellungsgespräches aus, wenn es sich um Stellen mit deckungsgleichen Kriterien handele und zudem die Vertreter des Arbeitgebers im Auswahlverfahren identisch seien.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Ob das Einladungserfordernis gegenüber (schwer-)behinderten Stellenbewerbern für öffentliche Arbeitgeber auch bei rein internen Stellenausschreibungen erfüllt werden muss, war bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt. Insofern trägt das Urteil des BAG zur rechtssicheren Gestaltung von Bewerbungsverfahren durch öffentliche Arbeitgeber bei. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch darf nur dann unterbleiben, wenn der Bewerber für die Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Das Urteil ist auch nach heutiger Rechtslage (§ 165 SGB IX) zu beachten, da sich weder am Wortlaut des Gesetzes noch am Sinn und Zweck der Norm etwas geändert hat.

SPEZIAL SEMINAR

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz für die SBV
Wirkungsvoll gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz vorgehen

Podcast-Empfehlung des Monats
Kündigung von Schwerbehinderten: Anhörung der SBV

In diesem Podcast geht es um eine Entscheidung des BAG zur Frage, zu welchem Zeitpunkt die SBV angehört werden muss.

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Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell
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Webinar: Schwerbehindertenvertretung Teil 1
Aufgaben und Möglichkeiten der Schwerbehindertenvertretung

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