Erfahren Sie alles Wichtige

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

exponentiell steigende Energiepreise, Diskussionen um abgesenkte Raumtemperaturen – in turbulenten Zeiten ist der Betriebsratsvorsitzende als Krisenmanager wichtiger denn je. In unserem ersten Top-Thema erfahren Sie daher alles über die besondere Stellung an der Spitze des Betriebsrats.

Außerdem haben wir wieder drei spannende Entscheidungen der Arbeitsgerichte praxisnah für Sie aufbereitet. Unter anderem geht es hier um die Themen Urlaubsverfall bei unterlassenem Hinweis des Arbeitgebers sowie um das Schicksal von Betriebsvereinbarungen, wenn diese ohne wirksamen Betriebsratsbeschluss geschlossen wurden.

Viel Spaß beim Lesen!

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Themen des Monats

  • Die Stellung des Betriebsratsvorsitzenden
  • Auf einmal Schriftführer – das gilt es zu beachten!

Aktuelles von den Arbeitsgerichten

  • Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung ohne Betriebsratsbeschluss
  • Urlaubsverfall trotz fehlender Hinweispflicht durch Arbeitgeber
  • Keine höhere Sozialplanabfindung für Gewerkschaftsmitglieder durch mündliche Zusage

Aktuelle Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen des Monats

Die Stellung des BRV
Der Betriebsratsvorsitzende wird auf der konstituierenden Sitzung des neu formierten Betriebsrats gewählt. Er vertritt den Betriebsrat nach außen, lädt zu den Sitzungen ein und legt die Tagesordnung fest.
 
Auf einmal Schriftführer – das gilt es zu beachten!
Der Schriftführer ist die Person im BR, die bei der BR-Sitzung das Protokoll anfertigt. Es handelt sich um einen sehr wichtigen und verantwortungsvollen Posten.

Video-Empfehlung des Monats
DESHALB ist das Monatsgespräch so wichtig

Betriebsräte werden fast überall ernst genommen. Arbeitgeber, natürlich, MUSS man ernst nehmen. Das Monatsgespräch zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber aber verkommt mehr und mehr zur bloßen Pflichtübung. Oder schlimmer: Zur Lachnummer. Ernst genommen jedenfalls wird es fast nirgends. Dabei handelt es sich beim Monatsgespräch sowohl um eine echte Rechtspflicht als auch eine unter strategischen Gesichtspunkten wichtige Einrichtung der Betriebsverfassung. Das jedenfalls meinen die Rechtsanwälte Lina Goldbach und Niklas Pastille aus Berlin. Beide wären keine Anwälte, wenn sie glaubten, dass ihr engagiertes Plädoyer für das Monatsgespräch von den Betriebsratsmitgliedern nicht doch noch erhört würde.

Zum Video  ➜

Aktuelles von den Arbeitsgerichten
Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung ohne Betriebsratsbeschluss

BAG, Urteil vom 08.02.2022, Az. 1 AZR 233/21

Leitsatz: Eine Betriebsvereinbarung muss vor der Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden vom Gremium beschlossen werden.

Der Fall: Der Betriebsrat und der Arbeitgeber hatten in mehreren Betriebsvereinbarungen Details zu einem Entlohnungssystem neu geregelt. Zum Streit kam es, als ein Arbeitnehmer, der nunmehr weniger verdiente, gerichtlich die Rechtmäßigkeit der Betriebsvereinbarungen anzweifelte. Er meinte, sie seien ohne ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zustande gekommen und damit rechtlich unverbindlich.

Die Entscheidung des Gerichts: Der Arbeitnehmer bekam Recht, da sich in der Verhandlung herausstellte, dass der Betriebsrat hierzu keinen Beschluss gefasst hatte. Eine vom Betriebsratsvorsitzenden ohne Beschluss des Gremiums abgegebene Erklärung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung kann dem Betriebsrat auch nicht nach den Grundsätzen einer Anscheinsvollmacht zugerechnet werden. Denn eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Der Vorsitzende des Betriebsrats gibt aber lediglich Erklärungen für den Betriebsrat ab und trifft nicht an dessen Stelle auf eigenem Willensentschluss beruhende Entscheidungen. Diese gesetzlich vorgesehene Verknüpfung der Willensbildung im Gremium mit der – lediglich diesen Willen äußernden – Erklärung steht einer unmittelbaren Anwendung der Grundsätze über die Anscheinsvollmacht entgegen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Vor der Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung muss der Betriebsrat über den Gegenstand unbedingt einen Beschluss fassen. Der Betriebsrat hat zudem bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung die Nebenpflicht, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen eine entsprechende Abschrift desjenigen Teils der Sitzungsniederschrift auszuhändigen, aus dem sich die Beschlussfassung des Gremiums ergibt. Ein Muster dazu können Sie hier runterladen.

GRUNDLAGEN

Betriebsverfassungsrecht Teil 1
Das Einsteiger-Seminar für alle Betriebsräte
Urlaubsverfall trotz fehlender Hinweispflicht durch Arbeitgeber

LAG Hamm, Beschluss vom 17.02.22, Az. 5 Sa 872/21

Leitsatz: Urlaubsansprüche erlöschen trotz eines fehlenden Hinweises des Arbeitgebers 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage ist, seinen Urlaub während des Urlaubsjahres und des Übertragungszeitraums zu nehmen.

Der Fall: Ein Arbeitnehmer stand seit 1992 in einem Arbeitsverhältnis. Im Jahr 2010 wurde aufgrund einer schweren Nervenschädigung in der linken Hand Arbeitsunfähigkeit attestiert. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zur fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers im Februar 2021. Im Jahr 2019 verlangte der Arbeitnehmer die Abgeltung von je 30 Urlaubstagen für die Kalenderjahre 2016 und 2017. Schließlich klagte er seinen Anspruch ein. Er meinte, sein Arbeitgeber habe ihn nicht auf einen möglichen Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen. Deswegen sei der Urlaub noch nicht verfallen.

Die Entscheidung des Gerichts: Der Arbeitnehmer hatte keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2016 und 2017.

Die Urlaubsansprüche erlöschen im Fall der über mehrere Jahre andauernden Erkrankung in jedem Fall 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Diese waren somit bereits vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses im Februar 2021 erloschen. Damit konnte es auch keine Urlaubsabgeltung geben.

Auch der fehlende Hinweis auf einen Urlaubsverfall, den die Rechtsprechung grundsätzlich fordert, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn auch bei Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten durch den Arbeitgeber hätte der Zweck der Hinweispflichten nicht erreicht werden können. So konnte der Arbeitnehmer aufgrund bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht frei darüber entscheiden, ob er seinen Urlaub nimmt.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das Bundesarbeitsgericht hatte mit dem Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 423/16, entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres beziehungsweise des zulässigen Übertragungszeitraums erlischt,

  • wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und
  • der Mitarbeiter den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht nimmt.

Der Arbeitgeber muss also

  • zwingend auf den Urlaubsanspruch hinweisen,
  • dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen und
  • über den Verfall nicht genommenen Urlaubs aufklären.

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil 2
So setzen Sie Ihre Arbeitnehmerschutzrechte erfolgreich durch
Keine höhere Sozialplanabfindung durch Schweigen des Arbeitgebers

LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2022, Az. 1 Sa 991/21

Leitsatz: Gewerkschaftsmitglieder haben keinen Anspruch auf eine höhere Sozialplanabfindung bei einer nur mündlich bestehenden Zusage.

Der Fall: In einem Betrieb hatte es im Jahr 2017 einen Personalabbau gegeben. Der hierzu vereinbarte Sozialplan regelte Abfindungen für gekündigte Arbeitnehmer. Diese sollten sich folgendermaßen berechnen: „Betriebszugehörigkeit x Monatsbrutto x 0,9“. Außerdem war mündlich vereinbart worden, dass Mitglieder der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) einen erhöhten Abfindungsfaktor von 1,0 erhalten, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben.

Drei Jahre später gab es einen weiteren Personalabbau. Im Interessenausgleich wurde vereinbart, dass der Sozialplan aus dem Jahr 2017 hier ebenfalls Anwendung finden sollte. Eine Arbeitnehmerin war Mitglied der Gewerkschaft NGG, erhielt aber trotzdem nur eine Abfindung auf Basis eines Abfindungsfaktors von 0,9. Nun verlangte sie die Differenz zu einem Abfindungsbetrag mit dem Faktor 1,0. Sie behauptete, der Geschäftsführer habe mündlich zugesagt, dass Gewerkschaftsmitglieder wie im Jahr 2017 auch einen erhöhten Betrag erhalten würden. Außerdem habe die Geschäftsführerin der NGG die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung über entsprechende Regelung informiert, der ebenfalls anwesende Geschäftsführer der Arbeitgeberin habe dazu geschwiegen.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Gericht wies die Klage auf erhöhte Abfindung ab. Maßgeblich hierfür war, dass Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BetrVG schriftlich abzuschließen sind. Mangels Einhaltung dieser Schriftform kann die (von der Arbeitgeberin bestrittene) Zusage in keinem Fall Rechtsansprüche begründen. Auch die Erklärung der Geschäftsführerin der NGG auf der Betriebsversammlung hatte für die Arbeitgeberin keine bindende Wirkung. Denn der Geschäftsführer der Arbeitgeberin hatte zu diesem Punkt geschwiegen, was gerade keine Willenserklärung darstellt. Auch war nicht erkennbar, dass die Geschäftsführerin der NGG als Vertreterin der Arbeitgeberin aufgetreten wäre und rechtsverbindliche Erklärungen für diese abgeben durfte.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Sämtliche Inhalte einer Betriebsvereinbarung müssen zwingend schriftlich vereinbart werden. Das gilt auch für einen Interessenausgleich und Sozialplan. Mündliche Zusagen sind unwirksam.

GRUNDLAGEN

Betriebsverfassungsrecht Teil 4
Mit fundiertem Wissen den BR-Alltag in der Praxis meistern

Podcast-Empfehlung des Monats
Karibik, Corona, keine Kohle – kann das sein?

Eine Frau ist im Urlaub in der Dominikanischen Republik, ein vom RKI zu diesem Zeitpunkt als Hochrisikogebiet eingestuftes Land. Sie kommt symptomfrei positiv zurück und wird arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Arbeitgeber verweigert die Lohnfortzahlung. Begründung: sie ist symptomfrei und hat dies selbst verschuldet. Zu unrecht – sagt das Arbeitsgericht Kiel. Die Rechtsanwälte Tobias Gerlach und Ansgar Dittmar diskutieren das spannende Urteil.

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Aktuelle Seminarangebote der W.A.F.

Arbeits- und Gesundheitsschutz Teil 1
In diesem Einsteiger-Seminar bekommen Sie einen Überblick über die gesetzlichen Grundlagen und die wichtigsten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beim Arbeits- und Gesundheitsschutz.
 
Ersatzmitglieder Teil 1
Lernen Sie in diesem Seminar  alles über Ihre Rechte und Pflichten als Ersatzmitglied und gewinnen Grundkenntnisse für eine kompetente Mitbestimmung. So sind Sie fit für Ihren Einsatz im BR und können sich im Fall der Fälle aktiv in die BR-Arbeit einbringen.

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