Erfahren Sie alles Wichtige zum neuen Nachweisgesetz und holen Sie sich wichtiges BR-Wissen rund um das Thema Hitze am Arbeitsplatz

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

seit gestern ist das neue Nachweisgesetz in Kraft! In diesem wird neu geregelt, wie Arbeitsverträge zukünftig auszusehen haben. Und nicht nur, dass sich einiges geändert hat, kommen Arbeitgeber ihren Informationspflichten nach dem Nachweisgesetz nicht nach, droht im schlimmsten Fall ein Bußgeld. Erfahren Sie in einem unserer Top-Themen, auf was Betriebsräte im Rahmen ihrer Kontrollaufgabe zu achten haben und wie sie bei Fehlern reagieren müssen.

Außerdem haben wir wieder neue Entscheidungen der Arbeitsgerichte praxisnah für Sie aufbereitet. Während sich zwei Urteile personellen Themen widmen, ging es in der Entscheidung des Arbeitsgerichts Kiel um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erkrankung nach einer Reise in ein ausgewiesenes Risikogebiet selbst verschuldet ist.

Viel Spaß beim Lesen!

Sonnige Grüße
Ihre W.A.F.

 

Inhalt

Top-Themen des Monats

  • Das neue Nachweisgesetz
  • Wichtiges BR-Wissen: Hitze am Arbeitsplatz

Aktuelles von den Arbeitsgerichten

  • Corona-Erkrankung nach Urlaub ist nicht selbst verschuldet
  • Einigungsstelle zur Zahlung einer Anwesenheitsprämie
  • Kündigung nach wiederholter Absage von Personalgesprächen

Aktuelle Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen des Monats

Das neue Nachweisgesetz
Das Nachweisgesetz musste aufgrund der Umsetzung der sogenannten EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie neu gefasst werden. Die Änderungen haben erhebliche Auswirkungen auf Arbeitsverträge und sind bereits seit dem 1. August 2022 in Kraft.
 
Wichtiges BR-Wissen: Hitze am Arbeitsplatz
Klimawandel oder nicht, die Temperaturen klettern immer öfter über die 30-Grad-Marke. Vielfach ist von einem Rekord-Sommer zu hören. Aber was folgt daraus für Betriebe und wie kann sich der Betriebsrat bei Hitze für die betroffenen Kollegen einsetzen?

Video-Empfehlung des Monats
Neuerungen des Nachweisgesetzes ab August 2022

Aufgrund der Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen muss der deutsche Gesetzgeber auch das Nachweisgesetz ändern, in dem verankert ist, welchen Informations- und Dokumentationspflichten der Arbeitgeber nachkommen muss. Arbeitgeber müssen künftig bei Einstellungen von Mitarbeitern mehr Informationen übergeben als dies bisher notwendig war. Mehr zum neuen Nachweisgesetz, das seit dem 1. August 2022 in Kraft getreten ist, im heutigen Video zusammen mit Lina Goldbach und Tobias Gerlach.

Zum Video  ➜

Aktuelles von den Arbeitsgerichten
Corona-Erkrankung nach Urlaub ist nicht selbst verschuldet

ArbG Kiel, Urteil vom 27.06.2022, Az. 5 Ca 229 f/22

Leitsatz: Eine Corona-Erkrankung nach dem Urlaub in einem Risikogebiet ist dann nicht selbst verschuldet, wenn die Inzidenzwerte des Reiselandes denen in Deutschland entsprechen oder sogar darunter liegen.

Der Fall: Die Arbeitnehmerin reiste im Frühjahr 2022 in die Dominikanische Republik. Diese war vom Robert-Koch-Institut zu jener Zeit mit einer Inzidenz von 377,7 als Hochrisikogebiet ausgewiesen worden. In Deutschland lag die Inzidenz seinerseits bei 878,9. Die Arbeitnehmerin war dreimal gegen Covid-19 geimpft. Rund eine Woche nach Beendigung der Reise war die Inzidenz in der Dominikanischen Republik auf 72,5 gefallen und in Deutschland auf 1.465,4 gestiegen.

Im direkten Anschluss an die Reise wurde die Arbeitnehmerin positiv auf Corona getestet. Sie legte dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die der Arbeitgeber allerdings nicht anerkannte. Er behauptete, die Arbeitnehmerin sei mangels Symptomen nicht arbeitsunfähig gewesen und habe zudem die Erkrankung durch ihren Reiseantritt schuldhaft herbeigeführt. Die Arbeitnehmerin erhob daraufhin Klage.

Die Entscheidung des Gerichts: Mit ihrer Klage setzte die Arbeitnehmerin erfolgreich die Entgeltfortzahlung durch. Das Arbeitsgericht Kiel führte aus, dass ein Arbeitnehmer auch dann arbeitsunfähig sei, wenn er symptomlos Corona-positiv getestet ist und nicht im Home-Office tätig sein kann. Im Übrigen ließe die Mitteilung der Klägerin, dass es ihr „ganz gut gehe“, den hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht entfallen.

Schließlich habe die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit auch nicht im Sinne von § 3 Abs. 1 S.1 EntgFG verschuldet. Denn dies setzt einen groben Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen voraus. Einen solchen Verstoß verneinte das Gericht aber bei der dreifach geimpften Klägerin. Auch die Wertung des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG finde keine Anwendung. Danach entfällt ein Entschädigungsanspruch, wenn jemand die Erkrankung oder Quarantäne „durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet“ hätte vermeiden können. Denn nach Auffassung des Gerichts kommt diese Vorschrift immer dann nicht zum Tragen, wenn die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet nicht deutlich über den Inzidenzwerten des Wohn- und Arbeitsortes beziehungsweise der Bundesrepublik Deutschland liegen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG ist immer im Verhältnis zu sehen: Entsprechen die Inzidenzwerte des Reiselandes denen in Deutschland oder liegen sogar darunter, geht die Reise in dieses Land selbst dann nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinaus, wenn dieses als Risikogebiet eingestuft wurde.

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil 2
So setzen Sie Ihre Arbeitnehmerschutzrechte erfolgreich durch
Einigungsstelle zur Zahlung einer Anwesenheitsprämie

LAG Köln, Beschluss vom 20.05.2022, Az. 9 TaBV 19/22

Leitsatz: Der Arbeitgeber kann die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Einführung einer Anwesenheitsprämie erzwingen.

Der Fall: Wegen eines seit Jahresbeginn 2022 erheblichen Krankenstandes wollte eine Arbeitgeberin eine Anwesenheitsprämie einführen. Gleichzeitig plante sie einen Personalabbau von rund einem Drittel der Belegschaft.

Der Betriebsrat hatte den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung zur Regelung einer Anwesenheitsprämie unter Verweis auf laufende Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen abgelehnt. Er begründete dies mit einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn und weil die Prämie an diejenigen Arbeitnehmer, die an Streikmaßnahmen teilnähmen, nur gekürzt ausgezahlt würde.

Daraufhin erklärte die Arbeitgeberin das Scheitern der Verhandlungen und forderte den Betriebsrat zur Bildung einer Einigungsstelle auf. Als der Betriebsrat dem nicht nachkam, zog die Arbeitgeberin vor Gericht. Sie wollte vom Gericht eine Einigungsstelle einsetzen lassen.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Arbeitgeberin hat den Rechtsstreit gewonnen und es wurde eine Einigungsstelle errichtet. Begründet hat das Gericht seine Entscheidung damit, dass die Zahlung einer freiwilligen Prämie nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig und damit eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht gegeben ist, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Anwesenheitsprämien sind ein zweischneidiges Schwert. Jeder Betriebsrat sollte sich überlegen, ob er nicht versuchen sollte, mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen. Denn neben der Streik-Problematik können Anwesenheitsprämien auch dazu führen, dass erkrankte Kolleginnen und Kollegen, sich trotz einer Ansteckungsgefahr doch noch zur Arbeit „schleppen“.

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Lohn und Gehalt
Mitbestimmungsrechte bei der betrieblichen Lohngestaltung
Einigungsstelle kann keinen Personalschlüssel festlegen

BAG, Beschluss vom 07.12.2021, Az. 1 ABR 25/20

Leitsatz: Ein Einigungsstellenspruch zur Mindestpersonalquote an Krankenbetten ist unwirksam.

Der Fall: In einer Klinik hatten mehrere externe Sachverständige im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung die Belastung der Mitarbeiter begutachtet. Die Feststellungen und Bewertungen der Sachverständigen wurden in einer Einigungsstelle erörtert und die abzuleitenden Maßnahmen verhandelt. Der Betriebsrat verlangte eine Mindestpersonalquote pro Patientenbett festzulegen. Als die Arbeitgeberin dies ablehnte, entschied die Einigungsstelle und legte eine Mindestpersonalquote fest. Dagegen zog die Arbeitgeberin bis vor das Bundesarbeitsgericht.

Die Entscheidung des Gerichts: Das BAG erklärte den Spruch der Einigungsstelle für unwirksam. Es sei schon nicht ersichtlich, welchen Regelungsauftrag die Einigungsstelle überhaupt hatte. Denn ein nicht hinreichend bestimmter Regelungsauftrag kann einer Einigungsstelle nicht die erforderliche Spruchkompetenz vermitteln, ein entsprechender Mangel hat die Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs zur Folge.

Außerdem gab es (noch) kein Mitbestimmungsrecht für den Betriebsrat. Denn das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei vom Arbeitgeber zu treffenden Schutzmaßnahmen setzt erst dann ein, wenn eine konkrete Gefährdung der Arbeitnehmer nach Art und Umfang feststeht oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz festgestellt wurde.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Die Gefährdungsbeurteilung selbst ist allein vom Arbeitgeber durchzuführen. Deshalb kann eine Einigungsstelle nur eine Regelung über das Verfahren zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen schaffen, aber keine konkreten Maßnahmen (wie z.B. die Einführung eines Personalschlüssels) festlegen.

GRUNDLAGEN

Betriebsverfassungsrecht Teil 4
Mit fundiertem Wissen den BR-Alltag in der Praxis meistern
Kündigung nach wiederholter Absage von Personalgesprächen

ArbG Heilbronn, Urteil vom 23.03.2022, Az. 2 Ca 14/22

Leitsatz: Sagt ein Arbeitnehmer wiederholt Personalgespräche ab, kann ihm nach Erteilung entsprechender Abmahnungen gekündigt werden.

Der Fall: Eine Arbeitnehmerin war seit November 2020 aus dem Home-Office heraus tätig. Die Arbeitnehmerin erhielt insgesamt drei Einladungen zu einem Mitarbeitergespräch. Alle drei Einladungen nahm sie nicht wahr. Insbesondere machte sie geltend, dass sie wegen der Corona-Situation keine persönlichen Termine wahrnehmen wolle. Für die ersten beiden Absagen erhielt sie eine Abmahnung, bei der dritten Absage dann die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung, gegen die sie klagte.

Die Entscheidung des Gerichts: Die fristlose Kündigung war unwirksam, die fristgerechte hatte jedoch das Arbeitsverhältnis beendet.

Die Interessenabwägung fiel bei der fristlosen Kündigung zu Lasten der Arbeitgeberin aus. Zwar ist eine beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, „an sich“ geeignet eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Nach Auffassung des Gerichts war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bei Berücksichtigung der Interessen der Mitarbeiterin zumutbar. Dies gilt auch für den Fall, dass sich der Arbeitnehmer weigert, zu einem durch den Arbeitgeber angeordneten einmaligen Personalgespräch im Betrieb zu erscheinen, wenngleich die Einladung zu einem solchen Gespräch grundsätzlich vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt ist.

Die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers wurde hingegen gerichtlich nicht beanstandet, da der allgemeine Hinweis auf ein mögliches Infektionsrisiko und die Auswirkungen einer Quarantäne das Direktionsrecht des Arbeitgebers allerdings nicht einschränken können. Dies gilt insbesondere, wenn die Arbeitsleistung bereits aus dem Home-Office heraus erbracht wird und der Arbeitgeber nur zu einem einmaligen Personalgespräch im Betrieb auffordert.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Mit Weisungen des Arbeitgebers ist nicht zu spaßen. Diesen nicht Folge zu leisten kann das Arbeitsverhältnis ernsthaft gefährden. Dies sollte jedem Arbeitnehmer bewusst gemacht werden.

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil 3
Kernthema Kündigung: Wichtiges Wissen für Ihre BR-Arbeit

Podcast-Empfehlung des Monats
Sommerzeit, Urlaubszeit, Krankheit?

Der Stress lässt nach, Sie beginnen die ersten freien Tage zu genießen – und dann passiert es. Sie werden krank oder haben gar einen Unfall. Von Erholung keine Spur. Damit zu dem Frust, den Urlaub nicht genießen zu können, nicht noch Ärger mit dem Chef hinzukommt, möchten wir heute die wichtigsten Dinge zum Thema „Krank im Urlaub“ mit Ihnen besprechen.

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