Erfahren Sie alles Wichtige zur Entsendung von BR-Mitgliedern zu Schulungen und zur Besetzung von Gesamt- und Konzernbetriebsrat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

als Betriebsrat übernehmen Sie eine Menge spannender und verantwortungsvoller Aufgaben. Um diese kompetent anzugehen und zu erledigen, ist aktuelles und fachlich fundiertes Wissen für Sie besonders wichtig. So sieht es neben der ständigen Rechtsprechung des BAG auch der Gesetzgeber und hat in § 37 Abs. 6 BetrVG jedem BR-Mitglied einen gesetzlichen Anspruch auf Schulung eingeräumt. Lesen Sie hierzu mehr in unserem ersten Top-Thema des Monats.

Außerdem haben wir wieder neue Entscheidungen der Arbeitsgerichte praxisnah für Sie aufbereitet. In allen vier Fällen geht es um das Kernthema Kündigung. Lesen Sie mehr zur Zustimmung des Integrationsamts, die vor der Kündigung (schwer-)behinderter Arbeitnehmer einzuholen ist, zum Abmahnungserfordernis vor einer verhaltensbedingten Kündigung, zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Kündigungen und was bei einem gravierenden Datenschutzverstoß eines BR-Mitglieds passieren kann.

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Themen des Monats

  • Die Entsendung von BR-Mitgliedern zu Schulungen
  • Die Besetzung von Gesamt- und Konzernbetriebsrat

Aktuelles von den Arbeitsgerichten

  • Entschädigungsanspruch bei Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamts
  • Kündigung wegen sexueller Belästigung
  • Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei einer Probezeitkündigung
  • Datenschutzverstoß durch ein BR-Mitglied kann zur Kündigung führen

Aktuelle Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen des Monats

Die Entsendung von BR-Mitgliedern zu Schulungen
Wissen ist für den Betriebsrat kein Nice-to-have. Deshalb wurde Betriebsräten ein Schulungsanspruch eingeräumt. Was genau das heißt erfahren Sie hier.
 
Die Besetzung von Gesamt- und Konzernbetriebsrat
Neben dem örtlichen Betriebsrat kann es in Unternehmen auch einen GBR und ggf. einen KBR geben. Diese Gremien gilt es zu besetzen - doch wie?

Video-Empfehlung des Monats
Rechte und Pflichten des Betriebsrats

Um Ihr neues Amt optimal auszufüllen ist es wichtig, dass Sie Ihre Rechte, aber auch Ihre Pflichten und Aufgaben kennen. Denn nur dann können Sie die Tragweite Ihrer Handlungsmöglichkeiten absehen und sich für Ihre Kollegen einsetzen. Auf diese Weise können Sie z.B. die Arbeitsbedingungen verbessern und so das Gesamtwohl des Betriebs mitgestalten. Die Rechtsanwälte Arne Schrein und Niklas Pastille unterstützen Sie dabei.

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Aktuelles von den Arbeitsgerichten
Entschädigungsanspruch bei Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamts

BAG, Urteil vom 02.06.2022, Az. 8 AZR 191/21

Leitsatz: (Schwer-)behinderte Arbeitnehmer können einen Entschädigungsanspruch haben, wenn der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Integrationsamts eine Kündigung ausspricht.

Der Fall: Anfang Februar 2018 erlitt ein Hausmeister einen Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung und musste auf die Intensivstation. Über diese Situation war die Arbeitgeberin telefonisch benachrichtigt worden. Trotzdem kündigte die Arbeitgeberin ca. zwei Monate später das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen. Das Integrationsamt wurde vorher nicht angehört. Der Arbeitnehmer erhob vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage, das Verfahren endete mit einem Vergleich.

Schließlich erhob der Hausmeister erneut Klage, diesmal gerichtet auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Dabei stütze er sich darauf, dass die Arbeitgeberin ihm ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts gekündigt habe. Zwar habe zum Kündigungszeitpunkt noch kein Nachweis der Schwerbehinderung durch eine behördliche Feststellung vorgelegen und auch ein Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung war nicht gestellt. Die Schwerbehinderung sei allerdings zum Zeitpunkt der Kündigung offensichtlich gewesen.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Klage des Arbeitnehmers hatte keinen Erfolg, da er im Prozess keine Umstände darlegen konnte, nach denen im Zeitpunkt der Kündigung durch die Arbeitgeberin von einer offenkundigen Schwerbehinderung auszugehen war. Die Richter sagten jedoch auch deutlich, dass der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten (schwer-)behinderter Menschen enthalten, die Vermutung begründen kann, dass eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung erfolgte. Zu diesen Vorschriften gehört insbesondere auch § 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines (schwer-)behinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf. Eine solche Vermutung kann und muss sodann der Arbeitgeber nach § 22 AGG widerlegen, möchte er im Prozess nicht unterliegen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Kündigt ein Arbeitgeber einen anerkannt oder offenkundig (schwer-)behinderten Menschen oder einen Menschen mit einer Gleichstellung, ohne das Integrationsamt einzuschalten, muss er mit Entschädigungsansprüchen rechnen.

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil 4
Wichtige Bereiche des Arbeitsrechts gezielt vertiefen
Kündigung wegen sexueller Belästigung

LAG Hamm, Urteil vom 23.02.2022, Az. 10 Sa 492/21

Leitsatz: Auch im Fall einer sexuellen Belästigung ist vor dem Ausspruch einer Kündigung in der Regel eine Abmahnung erforderlich.

Der Fall: Ein Arbeitnehmer war als technischer Leiter mit einem Monatsgehalt von 10.600 € angestellt. Ihm wurde gekündigt, nachdem sich mehrere Kolleginnen über sexuelle Belästigungen beschwert hatten. Er hatte unter anderem Kolleginnen den Arm um die Schultern gelegt und sie zum Sauna-Gang oder Café-Besuch aufgefordert. Die Frauen fühlten sich belästigt. Nachdem der Arbeitnehmer die Kündigung erhalten hatte, erhob er vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Gericht hielt die Kündigung mangels vorheriger Abmahnung für unverhältnismäßig und erklärte sie für unwirksam. Auch bei einer Kündigung wegen einer sexuellen Belästigung handele es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung. Diese setzt grundsätzlich voraus, dass ein Arbeitnehmer zuvor einschlägig abgemahnt worden ist. Das Arbeitsgericht war vorliegend auch nicht der Auffassung, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Der Vorwurf einer sexuellen Belästigung wiegt regelmäßig schwer. Dennoch kann hieraus nicht per se geschlossen werden, dass eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne Abmahnung ohne Wenn und Aber wirksam ist, entscheidend sind wie so oft die Umstände des Einzelfalls.

SPEZIAL-SEMINAR

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Als BR präventiv tätig werden und Übergriffen Einhalt gebieten
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei einer Probezeitkündigung

LAG Thüringen, Urteil vom 08.03.2022, Az. 5 Sa 62/22

Leitsatz: Die gesetzlichen Widerspruchsgründe aus § 102 Abs. 3 BetrVG gelten nur sehr eingeschränkt, wenn sich der Mitarbeiter noch in der Probezeit befindet.

Der Fall: Der Arbeitgeber wollte noch während der Probezeit eine Arbeitnehmerin kündigen, hatte jedoch zuvor den Personalrat hierzu anzuhören. Die Regelung dazu steht in § 78 des Thüringer Personalvertretungsgesetzes (ThürPersVG) und ist sehr ähnlich dem § 102 BetrVG. Liegt einer der im Gesetz genannten Widerspruchsgründe vor, muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage eingereicht hat. Der Personalrat hier hatte jedoch der Kündigung mit der Begründung widersprochen, dass die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich wäre und eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Vertragsbedingungen erfolgen könnte. Dazu wäre die Arbeitnehmerin auch bereit.

Die Entscheidung des Gerichts: Die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers während der Probezeit ist ebenfalls mitbestimmungspflichtig. In § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 ThürPersVG sind Gründe genannt, auf die der Personalrat seinen Widerspruch gegen die Kündigung stützen kann. Die dort genannten Einwendungen entsprechen im Wesentlichen den in § 1 Abs. 3 und Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und S. 3 KSchG aufgeführten Gründen.

Mitbestimmung bei Kündigungen bedeutet aber nicht zugleich, dass den Arbeitnehmern, die noch keinen Kündigungsschutz im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes haben, dieser indirekt über die Mitbestimmtheit der ordentlichen Kündigung zuwächst. Vielmehr bleibt es dabei, dass sich die Mitbestimmtheit nur auf solche Gründe beschränkt, die im Rahmen der Probezeitkündigung eine Rolle spielen.

Der Personalrat führte in seinem Schreiben aus, dass nach § 78 Abs.1 Nr. 3 und 4 ThürPersVG der Kündigung nicht zugestimmt wird. Diese Einwendungen sind auch in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2b und in Abs. 2 S. 3 KSchG angeführt. Sie gehören somit in den Bereich des Kündigungsschutzgesetzes. Im Rahmen der Probezeit können sie keine Rolle spielen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Möchte der Betriebsrat einer Kündigung widersprechen, sollte er sich unbedingt an die gesetzlichen Widerspruchsgründe aus § 102 Abs. 3 BetrVG halten. Diese Gründe gelten allerdings nur sehr eingeschränkt, wenn sich der Mitarbeiter noch in der Probezeit befindet.

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil 3
Kernthema Kündigung: Wichtiges Wissen für Ihre BR-Arbeit
Datenschutzverstoß durch ein BR-Mitglied kann zur Kündigung führen

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.03.2022, Az. 7 Sa 63/21

Leitsatz: Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem BR-Mitglied kann sozial gerechtfertigt sein, wenn es Prozessakten aus einem früheren Kündigungsschutzprozess digital veröffentlich hat.

Der Fall: Ein bei einem Autohersteller in Stuttgart seit mehr als 20 Jahren beschäftigter Entwicklungsingenieur war seit dem Jahr 2006 Mitglied des Betriebsrats. Seine Arbeitgeberin hatte ihm bereits schon einmal gekündigt, wogegen der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage eingelegt hatte. Die Prozessakten und insbesondere die Schriftsätze der Arbeitgeberin hatte der Arbeitnehmer nun digitalisiert und im Internet für einen größeren Kreis von Personen zum Herunterladen bereitgestellt. In den Schriftsätzen der Arbeitgeberin waren auch personenbezogene Daten enthalten, insbesondere Gesundheitsdaten weiterer Mitarbeiter mit deren Namen. Daraufhin wurde ihm mit Zustimmung des Betriebsrats erneut außerordentlich gekündigt.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG wies die Klage ab und erachtete die außerordentliche Kündigung für gerechtfertigt. Es war der Auffassung, dass der Mitarbeiter rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte anderer verletzt hatte. Er hätte die in den Schriftsätzen namentlich benannten Personen und deren Gesundheitsdaten nicht veröffentlichen dürfen. Dafür gab es auch keinen rechtfertigenden Grund.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Betriebsräte sollten beim Umgang mit personenbezogenen Daten stets vorsichtig sein. Grobe Verstöße können trotz besonderem Kündigungsschutz zu wirksamen Kündigungen führen.

GRUNDLAGEN

Datenschutz und Arbeitnehmerüberwachung Teil 1
Grundverständnis schaffen und Zusammenhänge überblicken

Podcast-Empfehlung des Monats
Anhörungsverfahren verbockt - was jetzt?

Sie wissen alles über das Anhörungsverfahren vor der Kündigung? Seien Sie sich da mal nicht zu sicher und hören Sie gut zu: die Rechtsanwälte Niklas Pastille und Tobias Gerlach nehmen das Thema Anhörungsverfahren nochmals genauer unter die Lupe.

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Webinar: BRV und Stellvertreter Teil 2
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Quickstart Mitbestimmung Teil 1
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