Erfahren Sie, warum eine Geschäftsordnung so wichtig ist und, wie die konstituierende Sitzung des Betriebsrats ablaufen muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

in den ersten Betrieben dürfte mittlerweile der Betriebsrat neu gewählt sein und die konstituierende Sitzung steht an. Doch wie läuft diese korrekt ab und ist eine Geschäftsordnung für das neu konstituierte Gremium sinnvoll? Unsere Top-Themen widmen sich genau diesen Fragen, damit Sie kompetent und rechtssicher in die neue Amtszeit starten!

Darüber hinaus haben wir wieder neue Entscheidungen der Arbeitsgerichte praxisnah für Sie aufbereitet. Erfahren Sie insbesondere, inwieweit beim Abschluss von Aufhebungsverträgen Drohungen zu Anfechtbarkeit führen und unter welchen Voraussetzungen unwirksame Betriebsvereinbarungen in eine Gesamtzusage umgedeutet werden können.

Viel Spaß beim Lesen!

Herzliche Grüße

Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Themen des Monats

  • Darum ist eine Geschäftsordnung so wichtig
  • Die konstituierende Sitzung des Betriebsrats

Aktuelles von den Arbeitsgerichten

  • Ein Aufhebungsvertrag muss fair verhandelt werden
  • Eine unwirksame Betriebsvereinbarung ist nicht immer umzudeuten
  • Gesamtbetriebsrat zuständig
  • Mehrere Betriebe können einen Betrieb nach dem Kündigungsschutzgesetz darstellen

Aktuelle Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen des Monats

Darum ist eine Geschäftsordnung so wichtig
Damit es im neuen BR keine Unklarheiten darüber gibt, wer sich welchen Aufgaben widmet, wie die Zusammenarbeit gestaltet wird und wer für was zuständig ist, ist eine Geschäftsordnung unverzichtbar. Hier erfahren Sie mehr dazu, wie sich der BR am besten organisiert.
 
Die konstituierende Sitzung des Betriebsrats
Im Rahmen der konstituierenden Sitzung tritt zum ersten Mal der neu gewählte Betriebsrat zusammen und erwirbt Handlungsfähigkeit, indem der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter gewählt werden. Lesen Sie hier wie die Sitzung ablaufen muss.

Video-Empfehlung des Monats
Betriebsratsmitglied soll weg – was tun?

Ein Betriebsratsmitglied soll gekündigt werden – sagt der Chef. Doch was ist jetzt im Betriebsrat zu tun? Und wie genau geht man mit dem betroffenen Betriebsratsmitglied um? Unser Experte im Arbeitsrecht Niklas Pastille klärt auf.

Zum Video  ➜

Aktuelles von den Arbeitsgerichten
Ein Aufhebungsvertrag muss fair verhandelt werden

BAG, Urteil vom 09.11.2021, Az. 1 AZR 206/20

Leitsatz: Ein Aufhebungsvertrag kann angefochten werden, wenn der Arbeitgeber den „Grundsatz fairen Verhandelns“ verletzt hat.

Der Fall: Ein Arbeitgeber forderte von einer Mitarbeiterin die Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags. Sie hatte unberechtigt Einkaufspreise reduziert, um einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Am Personalgespräch nahmen die Arbeitnehmerin, der Arbeitgeber und dessen Anwalt teil. Der Arbeitgeber drohte darin der Mitarbeiterin für den Fall der Nichtunterzeichnung mit einer außerordentlichen Kündigung und einer Strafanzeige. Ihrer Bitte nach einer längeren Bedenkzeit, damit sie Rechtsrat einholen könne, wurde nicht entsprochen. Nachdem die Parteien 10 Minuten schweigend am Tisch gesessen hatten, unterschrieb die Mitarbeiterin schließlich. Später erklärte sie die Anfechtung des Aufhebungsvertrages und klagte auf Weiterbeschäftigung. Der Arbeitgeber habe durch die Drohung und Ablehnung der Bedenkzeit gegen das Gebot des fairen Verfahrens verstoßen.

Die Entscheidung des Gerichts: Der Aufhebungsvertrag hatte das Arbeitsverhältnis wirksam beendet. In Anbetracht der Pflichtverletzung der Mitarbeiterin durfte der Arbeitgeber sowohl die außerordentliche Kündigung als auch eine Strafanzeige in Betracht ziehen. Er war nicht verpflichtet der Mitarbeiterin eine Bedenkzeit einzuräumen, bevor sie den Aufhebungsvertrag unterzeichnete.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Es ist jeder Einzelfall zu betrachten, da diese Entscheidung keineswegs bedeutet, dass der Arbeitgeber Beschäftigten bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags immer drohen und jede Bedenkzeit ablehnen darf. Vielmehr lag im Fall schon deswegen keine widerrechtliche Drohung vor, weil der Arbeitgeber auch hätte fristlos kündigen dürfen. Deswegen durfte er auch die Bedenkzeit ablehnen.

 

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil 3
Kernthema Kündigung: Wichtiges Wissen für Ihre BR-Arbeit
Eine unwirksame Betriebsvereinbarung ist nicht immer umzudeuten

BAG, Urteil vom 09.11.2021, Az. 1 AZR 206/20

Leitsatz: Eine unwirksame Betriebsvereinbarung kann in eine Gesamtzusage umgedeutet werden.

Der Fall: Ein Arbeitnehmer war seit sechs Jahren in einem Unternehmen mit mehreren Betrieben und entsprechenden Betriebsräten beschäftigt. Nun endete sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. November 2018. Daraufhin stritten die Parteien über die Zahlung einer Jahresprämie. Im Arbeitsvertrag stand dazu, dass variable Vergütungsbestandteile in einer Zusatzvereinbarung geregelt werden und dass weiteres in den jeweils gültigen Betriebsvereinbarungen stehen würde.

Es gab auch eine entsprechende Betriebsvereinbarung, die allerdings vorsah, dass Mitarbeiter, die bis einschließlich zum 01.01. des folgenden Geschäftsjahres aus dem Unternehmen ausscheiden, keine Prämie erhielten. Deshalb bekam der Arbeitnehmer auch keine Prämienzahlung. Trotzdem klagte er darauf und argumentierte, ihm stehe eine anteilige Jahresprämie auf Grundlage der Betriebsvereinbarung zu. Diese sei wirksam und die Stichtagsregelung sei wegen einer über das Geschäftsjahr hinausgehenden Bindungswirkung nichtig. Jedenfalls folge ein entsprechender Anspruch aus seinem Arbeitsvertrag, zumindest aber aus einer Gesamtzusage, in die die Betriebsvereinbarung im Fall ihrer Unwirksamkeit umzudeuten sei. Hilfsweise ergäbe sich ein Anspruch aus betrieblicher Übung, da die Jahresprämie seit Jahren bezahlt würde.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Geld erhielt er nicht. Die Betriebsvereinbarung war unwirksam, da sie von örtlichen Betriebsräten abgeschlossen worden war, hier jedoch der Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen wäre.

Der Arbeitnehmer hatte auch keinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der Jahresprämie. Insbesondere war die unwirksame Betriebsvereinbarung nicht in eine Gesamtzusage, also in eine Änderung der Arbeitsverträge, umzudeuten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht ausgeschlossen, eine unwirksame Betriebsvereinbarung entsprechend § 140 BGB in eine Gesamtzusage umzudeuten. Anknüpfungspunkt kann hier die auf ihren Abschluss gerichtete Erklärung des Arbeitgebers sein. Die Umdeutung einer solchen Erklärung in eine vertragliche Zusage erfordert allerdings besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch eine Kündigung nach § 77 Abs. 5 BetrVG ohne Grund jederzeit lösen kann. Eine Änderung der Arbeitsverträge kann hingegen nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer oder durch eine gerichtlich überprüfbare Änderungskündigung erfolgen. Daher kann ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer einzelvertraglich zu binden, nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Ein solcher Rechtsbindungswille kann vor allem nicht aus den in der Betriebsvereinbarung selbst getroffenen Regelungen abgeleitet werden. Dieser muss sich vielmehr aus außerhalb der Betriebsvereinbarung liegenden Umständen ergeben und auf einen von der Betriebsvereinbarung losgelösten Verpflichtungswillen gegenüber allen oder einer Gruppe von Arbeitnehmern gerichtet sein. Genau dafür gab es hier aber keinerlei Anhaltspunkte.

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung bestand ebenfalls nicht. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht nicht, wenn eine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung besteht oder sich der Arbeitgeber irrtümlich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Für die Umdeutung einer Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage bedarf es einiger Voraussetzungen. Am besten ist es, keine Fehler beim Abschluss entsprechender Betriebsvereinbarungen zu machen.

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Betriebsvereinbarung Teil 1
Inhalt und rechtliche Rahmenbedingungen kennen
Gesamtbetriebsrat zuständig

LAG München, Beschluss vom 23.11.2021, Az. 9 TaBV 64/21

Leitsatz: Eine Einigungsstelle ist einzusetzen, es sei denn, es besteht eine offensichtliche Unzuständigkeit.

Der Fall: In unserem März-Newsletter hatten wir eine Entscheidung des ArbG München zur Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats dargestellt (vgl. ArbG München, Beschluss vom 19.10.2021, Az. 10 BV 21/21). Die Arbeitgeberin wollte hier durch eine unternehmensweite Regelung Gehaltsanpassungen durchführen. Sie meinte, der Gesamtbetriebsrat wäre zuständig. Der lokale Betriebsrat war damit nicht einverstanden und wollte eine Einigungsstelle durchsetzen. Er zog vor das Arbeitsgericht, das den Antrag auf Einsetzung zurückwies. Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes München vom 19.10.2021, Az. 10 BV 21/21, abgeändert.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Einigungsstelle war nach Auffassung des Beschwerdegerichts einzusetzen, da deren offensichtliche Unzuständigkeit nicht festgestellt werden konnte. Es war nicht auszuschließen, dass der örtliche Betriebsrat vorliegend ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hatte. Das Gericht darf die Anträge auf Bestellung eines Vorsitzenden und auf Bestimmung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle aber nur zurückweisen, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist, vgl. § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG.

Der Begriff der offensichtlichen Unzuständigkeit ist sehr eng zu verstehen: Ein Antrag nach § 100 ArbGG kann nur abgewiesen werden, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt.

Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ergab sich nicht daraus, dass die Arbeitgeberin geltend macht, dass sie, soweit sie verpflichtet wäre eine Regelung zu treffen, lediglich eine unternehmensweite Regelung hierzu einführen würde. Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat für eine Angelegenheit zuständig, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht. Die Arbeitgeberin hatte aber zusätzliche Entgeltleistungen gerade nicht von einer unternehmensweiten Regelung abhängig gemacht, vielmehr hat sie auf jegliche Regelung verzichtet und berief sich auf allein individuelle Vereinbarungen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Auch wenn es einen Gesamtbetriebsrat gibt, kann in vielen Fällen der örtliche Betriebsrat trotzdem eine Einigungsstelle einsetzen lassen. Diese darf eben nur nicht offensichtlich unzuständig sein.

GRUNDLAGEN

Betriebsverfassungsrecht Teil 4
Mit fundiertem Wissen den BR-Alltag in der Praxis meistern
Mehrere Betriebe können einen Betrieb nach dem Kündigungsschutzgesetz darstellen

ArbG Gera, Urteil vom 16.12.2021, Az. 2 Ca 329/20

Leitsatz: Betriebsteile und Nebenbetriebe werden als Einheit mit dem Hauptbetrieb angesehen, soweit sie arbeitstechnisch nur Teilfunktionen wahrnehmen und über keinen eigenen Leitungsapparat verfügen.

Der Fall: Der Arbeitgeber benötigt keinen Kündigungsgrund, wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht zur Anwendung kommt. Das findet nur dann Anwendung, wenn mehr als zehn Mitarbeiter im Betrieb (!) arbeiten. Eine Reinigungskraft arbeitete auf den Campingplätzen der Arbeitgeberin. Alle Betriebe hatten jeweils weniger als 10 Arbeitnehmer. Zusammengerechnet gab es aber mehr als 10 Arbeitnehmer.

Die Arbeitnehmerin erhielt eine Kündigung, gegen die sie klagte. Sie meinte nun, die Betriebe seien zusammenzurechnen.

Die Entscheidung des Gerichts: Betriebsteile und Nebenbetriebe werden nach § 23 KSchG als Einheit mit dem Hauptbetrieb angesehen, soweit sie arbeitstechnisch nur Teilfunktionen wahrnehmen und über keinen eigenen Leitungsapparat verfügen. Hier erfolgten zentrale unternehmenslenkende Entscheidungen einheitlich im zentralen Büro und dort wurden auch die maßgeblichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten getroffen. Da über die Rechtmäßigkeit der Kündigung gestritten wurde, stellte das Arbeitsgericht folgerichtig fest, dass für die Kündigung ein Kündigungsgrund erforderlich war, den die Arbeitgeberin aber nicht nachweisen konnte.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Die Betriebsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes, des Betriebsverfassungsgesetzes und des Steuerrechts sind unterschiedlich. Daher müssen Sie jedes Mal genau prüfen, in welcher Materie Sie sich befinden.

SPEZIAL-SEMINAR

Betriebsbedingte Kündigung
Personalabbau: Auswirkungen infolge Corona sozial gestalten

Podcast-Empfehlung des Monats
Arbeiten über die Rente hinaus: Mitbestimmungspflichtig?

Zwei Mitarbeiter wollen über die Rente hinaus weiter für ein Unternehmen arbeiten. Hat der Betriebsrat hier ein Mitbestimmungsrecht? Sandra Becker und Arne Schrein diskutieren den Beschluss des BAG, das sich mit dieser Frage beschäftigt.

Unsere Empfehlung
Aktuelle Seminarangebote der W.A.F.

Mitbestimmung Teil 1
Sie sind neu gewählter Betriebsrat und brauchen einen "Quickstart"? Oder sind Sie wiedergewählter BR und möchten Ihr Wissen auffrischen und vertiefen? Dieses Seminar beleuchtet wichtige Fokusthemen – und zwar ganz neu sowohl aus betriebsverfassungs- als auch arbeitsrechtlichem Blickwinkel!
 
Mitbestimmung Teil 2
Sie haben bereits Teil 1 besucht und müssen auch in weiteren Themen betrieblicher Mitbestimmung schnell uptodate sein? Oder sind es gerade die Themen von Teil 2, zu denen Sie sowohl in arbeitsrechtlicher, als auch in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht Input benötigen? Dann ist dieses Seminar genau das Richtige für Sie!

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