Welche Besonderheiten es bei einer BR-Wahl zu Pandemiezeiten gibt und wann eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden muss, erfahren Sie in diesem Newsletter

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 28. Mai 2021 dem erst eine Woche zuvor vom Bundestag beschlossenen Betriebsrätemodernisierungsgesetz zugestimmt. Dieses soll Betriebsratsgründungen erleichtern, enthält aber auch neue Regelungen für virtuelle BR-Sitzungen und das Arbeiten im Home-Office. Es wird nun dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung zugeleitet und tritt am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Lesen Sie in unserem Top-Thema mehr zu den Besonderheiten einer BR-Wahl zu Pandemiezeiten. Weiterhin haben wir auch wieder aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte praxisnah für Sie aufbereitet, die sich momentan verstärkt mit Themen rund um die Pandemie auseinandersetzen.

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Themen des Monats

  • Besonderheiten einer BR-Wahl zu Pandemiezeiten
  • Wann eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird

Aktuelles von den Arbeitsgerichten

  • Kündigung wegen schwerer rassistischer Äußerungen
  • Lohnanspruch für Arbeitnehmer trotz Corona-Schließung
  • Kündigung in Quarantäne unwirksam
  • Betriebsratssitzung per Videokonferenz

Neue Seminarangebote der W.A.F.

Top-Themen des Monats

Besonderheiten einer BR-Wahl zu Pandemiezeiten
In weniger als einem Jahr geht es los. In der Zeit vom 1. März bis 31. Mai wird in vielen deutschen Betrieben ein neuer Betriebsrat gewählt. Für diesen Zeitraum sind noch keine Einschränkungen durch die Pandemie absehbar. Doch eine Wahl kann auch noch dieses Jahr erforderlich werden, insbesondere wenn im Betrieb noch kein BR besteht oder aber eine der sonstigen Voraussetzungen für außerordentliche BR-Wahlen gegeben ist.
 
Wann eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird
Ihr Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht. Er muss seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor allen Gefahren schützen, die aus dem Arbeitsverhältnis resultieren könnten. Nach § 89 BetrVG hat der Betriebsrat zu überwachen, dass der Arbeitsschutz auch tatsächlich beachtet wird.

Video-Empfehlung des Monats
Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Die neuesten Änderungen zusammengefasst!

Welche Regelungen beinhaltet das neue Betriebsrätemodernisierungsgesetz? Unser Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Matthias Ferstl gibt Aufschluss.

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Aktuelles von den Arbeitsgerichten
Kündigung wegen schwerer rassistischer Äußerungen

LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.12.2020, Az. 5 Sa 231/20

Leitsatz: Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist wegen rassistischer Äußerungen rechtmäßig.

Der Fall: Ein langjährig beschäftigter schwerbehinderter Facharbeiter mit Unterhaltspflichten erhielt von seinem Arbeitgeber nach Zustimmung des Integrationsamtes und ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung die Kündigung. Er hatte unter anderem türkischstämmige Fremdfirmenmitarbeiter beleidigt. Der Arbeitnehmer soll sich auf die Frage eines Kollegen, was er zu Weihnachten bekommen habe, in der Werkstattküche wie folgt geäußert haben: „Ich habe mir eine Gaskammer gewünscht, diese aber nicht erhalten. Die Türken soll man ins Feuer werfen und ihnen den Kopf abschlagen." Bereits zuvor hatte er Fremdmitarbeiter als „Ölaugen", „Nigger" und „meine Untertanen" beschimpft. Diese hatten sich deshalb nicht bereits vorher beschwert, weil der Arbeitnehmer sich als unantastbar geriert hatte, als jemand, dem man „nichts könne", weil er einen Behindertenausweis habe und unkündbar sei. Gegen die Kündigung klagte der Arbeitnehmer – vergeblich.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Kündigung war aufgrund der Äußerungen sozial gerechtfertigt und hat das Arbeitsverhältnis beendet. Sowohl die Bezeichnung „Ölaugen" als auch die Bezeichnung „Nigger" oder „Untertanen" sind nicht hinnehmbare beleidigende Äußerungen. Dies gipfelte dann in einer nationalsozialistisch menschenverachtenden Äußerung. Die Bemerkungen über die türkischen Arbeitskollegen reduzierten diese auf lebensunwerte Wesen und stellten einen unmittelbaren Bezug zu den nationalsozialistischen Gräueltaten her. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens war der Arbeitgeberin eine vorherige Abmahnung unzumutbar. Die Interessenabwägung fiel trotz des hohen sozialen Besitzstandes und den eher schlechten Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt zu dessen Lasten aus.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat also die Kündigung wegen schweren rassistischen und beleidigenden Äußerungen bestätigt. Der Betriebsrat muss ohnehin dafür sorgen, dass so etwas in keinem Betrieb geschieht. In solchen Fällen kann auch über den selten verwendeten § 104 BetrVG einmal nachgedacht werden: die Entfernung betriebstörender Arbeitnehmer.

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil 3
Kernthema Kündigung: Wichtiges Wissen für Ihre BR-Arbeit
Lohnanspruch für Arbeitnehmer trotz Corona-Schließung

AG Mannheim, Urteil vom 25.03.2021, Az. 8 Ca 409/20

Leitsatz: Arbeitnehmer haben auch dann Anspruch auf die Zahlung von Annahmeverzugslohn, wenn durch eine Corona-Verordnung die Betriebsschließung des Arbeitgebers angeordnet wurde.

Der Fall: Ein Arbeitnehmer war in einem Tanzlokal beschäftigt. Durch die Corona-Verordnung war das Tanzlokal geschlossen worden. Der Arbeitnehmer verlangte seinen Lohn, obwohl er nicht gearbeitet hatte. Als der Arbeitgeber nicht zahlte, klagte der Arbeitnehmer seine Ansprüche ein. Der Arbeitgeber meinte, nicht zahlen zu müssen, da es sich bei der Corona-Pandemie um eine Jahrhundert-Katastrophe und damit um höhere Gewalt gehandelt hätte.

Die Entscheidung des Gerichts: Der Arbeitgeber hatte den Arbeitsausfall als Betriebsrisiko zu tragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es bei Verboten aus betriebsfremden Gründen auf die Eigenart des Betriebs an, ob der Betrieb also eine besondere Risikosphäre darstellt, was hier bei dem Betrieb des Tanzclubs vorlag. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an möglichst hohem Kundenverkehr erhöhte zugleich das Risiko einer sich ausweitenden Epidemie. Die Zuweisung des Betriebsrisikos rechtfertigte sich aus dem Umstand, dass sein Geschäft „in guten wie in schlechten Tagen" auf Kundenverkehr bzw. hohe Besucherzahl ausgerichtet ist. Schließlich handelt es sich bei der Corona-Pandemie auch nicht um ein völlig unvorhersehbares Ereignis. Auch ein Angebot der Arbeitsleistung durch den Minijobber war aufgrund der Betriebsschließung entbehrlich.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das Arbeitsgericht war auf Seiten des Arbeitnehmers. Arbeitnehmer können also auch bei einer Betriebsschließung, die auf Corona beruht, ihr Arbeitsentgelt weiter verlangen.

GRUNDLAGEN

Webinar: Arbeitsrecht Teil 2
So setzen Sie Ihre Arbeitnehmerschutzrechte erfolgreich durch
Kündigung in Quarantäne unwirksam

AG Köln, Urteil vom 15.04.2021, Az. 8 Ca 7334/20

Leitsatz: Wenn sich ein Arbeitnehmer in einer behördlich angeordneten Quarantäne befindet, ist in der Regel eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nicht möglich.

Der Fall: Ein Dachdecker befand sich auf telefonische Anordnung des Gesundheitsamts in häuslicher Quarantäne. Er war als Kontaktperson eines mit Covid-19 Infizierten identifiziert worden. Über die Quarantäne informierte er seinen Arbeitgeber, einen kleinen Dachdeckerbetrieb. Der Arbeitgeber bezweifelte die Quarantäneanordnung und vermutete, der Arbeitnehmer wolle sich lediglich vor der Arbeitsleistung „drücken“. Er verlangte eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes, die der Arbeitnehmer beim Gesundheitsamt auch telefonisch einforderte. Als diese schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes auch nach mehreren Tagen noch nicht vorlag, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Klage, obwohl das Kündigungsschutzgesetz wegen des Vorliegens eines Kleinbetriebs von 10 und weniger Beschäftigten keine Anwendung fand.

Die Entscheidung des Gerichts: Der Arbeitgeber benötigt im Kleinbetrieb keinen Kündigungsgrund, den er nachweisen muss. Trotzdem hat er den Prozess verloren. Die Kündigung war nämlich sitten- und treuwidrig. Der Arbeitnehmer hat sich lediglich an die behördliche Quarantäneanordnung gehalten. Erschwerend kam hinzu, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich aufgefordert hatte, entgegen der Quarantäneanweisung im Betrieb zu erscheinen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Es ist natürlich für den Arbeitgeber ärgerlich, wenn sich ein Arbeitnehmer in einer behördlich angeordneten Quarantäne befindet. Kündigen darf er ein Arbeitsverhältnis deshalb aber nicht. Das gilt sogar während der Probezeit.

GRUNDLAGEN

Betriebsratsarbeit im Kleinbetrieb
Praxisnahes Wissen speziell für Einzelkämpfer und kleine Gremien
Betriebsratssitzung per Videokonferenz

AG Köln, Beschluss vom 24.03.2021, Az.: 18 BVGa 11/21

Leitsatz: Es stellt eine unzulässige Behinderung der Betriebsratsarbeit dar, wenn ein Arbeitgeber den Teilnehmern einer Video-Betriebsratssitzung Abmahnungen erteilt oder Gehaltskürzungen vornimmt.

Der Fall: Der Betriebsrat einer Kölner Filiale eines deutschlandweit tätigen Textilunternehmens hatte von seiner Arbeitgeberin die Aufforderung erhalten, Betriebsratssitzungen in der Filiale durchzuführen. Als der Betriebsrat dennoch Sitzungen per Videokonferenz durchführte, wurden die Mitglieder deshalb abgemahnt und die hierfür aufgewendeten Zeiten nicht bezahlt. Dagegen zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Verhalten des Arbeitgebers war eine nach § 78 BetrVG unzulässige Behinderung der Mitglieder des Betriebsrats bei der Ausübung ihrer Mandatstätigkeit, zumal diese nach einer Sonderregelung aus Anlass der COVID-19-Pandemie bis zum 30.6.2021 berechtigt sind, mittels Videokonferenz an Betriebsratssitzungen teilzunehmen (§ 129 Abs. 1 BetrVG). Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie im konkreten Fall - ein ausreichend großer Raum für die Durchführung einer Betriebsratssitzung unter Einhaltung der Vorgaben der Corona-ArbSchV im Betrieb nicht vorhanden ist. Die Gehaltskürzungen für die Zeiten der Sitzungsteilnahme waren daher ebenso widerrechtlich wie auch der Ausspruch von Abmahnungen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: So dreiste Fälle einer offensichtlichen Betriebsratsbehinderung sollten sanktioniert werden. Nur durch eine solche arbeitsgerichtliche Entscheidung lernt der Arbeitgeber des Falls (vielleicht) etwas dazu.

NEU

Webinar: Online-Sitzungen professionell durchführen
Videokonferenzen in der BR-Arbeit zur echten Alternative werden lassen

Podcast-Empfehlung des Monats
Plant der Arbeitgeber massive Einschnitte im Betrieb?

Welche erste Anzeichen gibt es für die Planung massiver Einschnitte des Arbeitgebers und wie können Sie als Betriebsrat damit umgehen? Dr. Matthias Ferstl und Carolin Wiesbauer geben hilfreiche Tipps.

Unsere Empfehlung
Neue Seminarangebote der W.A.F.

Webinar: Praktische BR-Arbeit in Home-Office Zeiten
Virtuelle Gremienarbeit stärken und den Kontakt zur Belegschaft halten.
 
Betriebliche Pandemieplanung
Aus Versäumnissen bei Corona notwendige Maßnahmen ableiten.

© W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung AG