Betrieblicher Gesundheitsschutz in Zeiten von Corona | Was muss der AG bei der Kündigung eines Auszubildenden beachten?| Kündigung wegen wiederholter späterer Krankmeldungen

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

trotz teilweise erheblichem Widerstand wurde die bundeseinheitliche Notbremse nunmehr doch noch beschlossen und in das Infektionsschutzgesetz integriert. Für Betriebe bedeutet dies, dass da, wo es möglich ist, Home-Office nicht nur angeboten werden muss, sondern Arbeitnehmer dieses Angebot im Grundsatz auch wahrnehmen müssen. Lesen Sie hierzu mehr in unserem Top-Thema, wie auch zu anderen aktuellen und spannenden Themen!

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Thema des Monats

  • Betrieblicher Gesundheitsschutz in Zeiten von Corona

BR fragt – W.A.F. antwortet

  • Welche besonderen Formalien muss der Arbeitgeber bei der Kündigung eines Auszubildenden beachten? Wie sollen wir als Betriebsrat regieren?

Aktuelles von den Arbeitsgerichten

  • Werbung für die Gewerkschaft
  • Kündigung wegen wiederholter verspäteter Krankmeldungen
  • Arbeitgeber muss Betriebsrat mit Videokonferenz-Technik versorgen

Neue Seminarangebote der W.A.F.

Top-Thema des Monats
Betrieblicher Gesundheitsschutz in Zeiten von Corona

SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung, SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard, SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel – wer soll sich da noch auskennen? Auch Fachleute kommen bei diesen Themen gerne mal ins Straucheln. Behalten Sie den Überblick und erfahren Sie, welche Rechtsqualität die einzelnen Regelungen haben, wie sie sich voneinander abgrenzen und was eigentlich drin steht.

SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung

Die Verordnung wird offiziell Corona-ArbSchV abgekürzt. Sie hat zum Ziel, Infektionsrisiken mit dem Coronavirus bei der Arbeit zu minimieren und die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten zu schützen.

Rechtsverordnungen haben Gesetzescharakter, d.h. die Regelungen wirken unmittelbar und zwingend.

Wichtige Bestandteile der Corona-ArbSchV sind insbesondere Maßnahmen zur Kontaktreduktion im Betrieb, die Bereitstellung eines Atemschutzes sowie die neu ergänzten Bestimmungen zu regelmäßigen betrieblichen Angeboten für Corona-Tests. Konkret ist folgendes geregelt:

  • Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m zu anderen Personen; Tragen von Mund-Nase-Schutz (medizinische Gesichtsmasken), wo dies nicht möglich ist.
  • In Kantinen und Pausenräumen muss ebenfalls der Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden.
  • Arbeitgeber müssen Flüssigseife und Handtuchspender in Sanitärräumen bereitstellen.
  • Regelmäßiges Lüften muss gewährleistet sein.
  • Müssen Räume von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden, müssen pro Person 10 m² zur Verfügung stehen.
  • In Betrieben ab 10 Beschäftigten müssen diese in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden.
  • Arbeitgeber müssen mindestens medizinische Gesichtsmasken (Mund-Nasen-Schutz) zur Verfügung stellen.
  • Arbeitgeber sind verpflichtet, in ihren Betrieben allen Mitarbeitern, die nicht ausschließlich im Home-Office arbeiten, regelmäßige Selbst- oder Schnelltests anzubieten, grundsätzlich mindestens 2-mal pro Woche.

Die ursprünglich ebenfalls in der Corona-ArbSchV verankerten Regelungen zum Home-Office wurden nunmehr in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Neu ist dabei, dass es jetzt auch eine zusätzliche Verpflichtung für Arbeitnehmer gibt, das Angebot von Home-Office anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Dabei können Gründe beispielsweise die Störung durch Dritte im Home-Office sein oder ein fehlender adäquater Arbeitsplatz.

Die Geltungsdauer der Corona-ArbSchV wurde zuletzt bis einschließlich 30. Juni 2021 verlängert.

SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard

Auf betrieblicher Ebene ist die Infektionsgefährdung zugleich auch eine Gefährdung für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten und somit zwingender Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers.

Der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard der Bundesregierung gibt dem Arbeitgeber Sicherheit bei der Auswahl und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz, mithin also bundeseinheitliche, verlässliche und branchenübergreifende Mindeststandards an die Hand.

Wenngleich der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit besitzt, so heißt das nicht, dass er keinerlei Rechtswirkungen entfalten kann. Denn sollten Arbeitnehmer durch Nichtbeachtung dieser Standards in Einzelfällen zu Schaden kommen, stellt die Nichtbeachtung des Standards jedenfalls eine Verletzung der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht nach § 618 Abs. 1 BGB und §§ 3 – 5 ArbSchG dar und könnte ggfs. auch eine Haftung begründen.

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel konkretisiert den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard und damit die Anforderungen an den Arbeitsschutz auf Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsschutzverordnungen während der Pandemie. Sie ist zwar kein Gesetz und gilt daher nicht zwingend, stellt aber für alle Betriebe ein Mindestniveau dar, bei dessen Umsetzung Arbeitgeber den speziellen Anforderungen an den Arbeitsschutz aufgrund der Pandemie nachkommen. Diese speziellen Anforderungen sind insbesondere in der Corona-ArbSchV geregelt. Gleichwohl können Arbeitgeber von der Arbeitsschutzregel abweichen und andere, gleich wirksame oder wirksamere Schutzmaßnahmen treffen.

NEU

Webinar: Test- und Impfpflicht im Betrieb
Als BR die neuen Maßnahmen des Infektionsschutzes überblicken

BR fragt – W.A.F. antwortet
Kündigung eines Auszubildenden

BR fragt: Welche besonderen Formalien muss der Arbeitgeber bei der Kündigung eines Auszubildenden beachten? Wie sollen wir als Betriebsrat regieren?

W.A.F. antwortet: Die Form der Kündigung eines Berufsausbildungsvertrags ist kompliziert geregelt. Aber es gibt 4 Grundsätze:

  1. Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nach § 22 Berufsbildungsgesetz (BBiG) von beiden Parteien schriftlich ohne Angabe eines Grundes gekündigt werden.
  2. Nach der Probezeit kann eine Kündigung vom Ausbildenden nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist schriftlich unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Je länger das Ausbildungsverhältnis besteht, je näher also der Azubi vor der Prüfung steht, desto höher sind die Anforderungen an den wichtigen Grund.
  3. Nach Ablauf der Probezeit kann der Auszubildende mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgibt oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. Auch er muss die Kündigungsgründe angeben.
  4. Der Betriebsrat ist auch vor der Kündigung eines Auszubildenden anzuhören. Wird die Anhörung versäumt, ist die Kündigung unwirksam.

Obwohl der Arbeitgeber vielleicht mit Ausspruch der Kündigung alles richtig gemacht hat, steht es jedem gekündigten Auszubildenden frei, die Kündigung arbeitsgerichtlich überprüfen zu lassen. Eine solche Klage muss allerdings binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden.

Bei Berufsbildungsverhältnissen gibt es allerdings eine Besonderheit. Zu beachten ist hier § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Danach kann bei Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden ein Schlichtungsausschuss gebildet werden. Ob es einen solchen Ausschuss wirklich gibt, kann durch Nachfrage bei der zuständigen Innung oder der IHK in Erfahrung gebracht werden.

Das Problem besteht darin: Muss kein Ausschuss angerufen werden, gilt die 3-Wochen-Frist aus § 4 KSchG. Auszubildende sollten in jedem Fall binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung eine Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Stellt sich dann heraus, dass ein Schlichtungsausschuss hätte angerufen werden müssen, setzt das Arbeitsgericht das Verfahren zunächst aus. Der Schlichtungsausschuss beendet das Verfahren durch einen sog. „Spruch“. Wird der Spruch von beiden Parteien nicht innerhalb einer Woche anerkannt, so kann binnen 2 Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden. Der Klage muss nach § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuss vorangegangen sein.

NEU

Berufsausbildung: Azubis im Fokus des Betriebsrats
Rechtliche Grundlagen und Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrats

Video-Empfehlung des Monats
Krank oder nicht??

Darf die Betriebsratsarbeit trotz Krankschreibung ausgeführt werden? Unsere beiden Rechtsanwälte Niklas Pastille und Fabian Baumgartner klären nun auch im Video über das neue Urteil vom 28.07.2020 auf.

Zum Video  ➜

Aktuelles von den Arbeitsgerichten
Werbung für die Gewerkschaft

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.11.2020, Az. 34 K 2939/19.PVL

Leitsatz: Betriebsräte dürfen keine Arbeitnehmer wegen einer Gewerkschaftszugehörigkeit bevorzugen.

Der Fall: Eine Vermischung zwischen Betriebsrats- und Gewerkschaftstätigkeit darf nicht passieren. Das kann sogar ein Kündigungsgrund sein. Das Urteil ist zwar für eine Personalrätin im öffentlichen Dienst ergangen, gilt jedoch für Betriebsräte in Unternehmen entsprechend. Der Personalrätin wurde vorgeworfen, Bewerber auf freie Stellen in unzulässiger Weise auf einen Eintritt in die Gewerkschaft angesprochen zu haben. Die Personalrätin war schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Sie war unterhaltspflichtig für einen volljährigen, schwerbehinderten Sohn. Belastet wurde die Personalrätin durch mehrere Zeugen, die sich auf Stellen beworben hatten. Die Zeugen gaben die Gespräche mit der Personalrätin in deren Büro folgendermaßen wieder:

Einem Zeugen hatte die Personalrätin auf die Frage nach einer Hilfestellung bei einer Bewerbung um eine Stelle erklärt: „Nein, wir helfen nur unseren Leuten." Er fragte nach: „Wer sind eure Leute?" Sie antwortete: „W.-Leute, die Mitglied sind." Auf seine weitere Frage „Also muss ich Mitglied sein, um beim Universitätsklinikum eingestellt zu werden?" habe die Personalrätin schlicht „Ja" gesagt.

Einem anderen Zeugen sei auf seine Frage im Zusammenhang mit einer Stellenbewerbung „Wie kannst du mir helfen?" gesagt worden: „Lebenslauf und Bewerbung machen und du musst bei W. Mitglied werden." Auch die dritte Zeugin äußerte sich eindeutig, dass ihr auf eine Erkundigung nach einer Stelle als Versorgungsassistentin erklärt worden sei: „Man muss Mitglied bei W. werden, dass man überhaupt eine Chance bekommt, Versorgungsassistentin zu werden."

Der Arbeitgeber wollte sich das nicht länger gefallen lassen und beantragte beim Personalrat die Zustimmung zur Kündigung der Personalrätin. Als der Personalrat diese Zustimmung nicht gab, stellte der Arbeitgeber beim Verwaltungsgericht den Antrag, die Zustimmung ersetzen zu lassen.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Verwaltungsgericht hat in einem Beschluss die Zustimmung der Personalrätin für die außerordentliche Kündigung ersetzt. Es hielt eine außerordentliche Kündigung für gerechtfertigt, weil die Personalrätin das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zerstört hatte. Der Betriebsfrieden war massiv beeinträchtigt. Es handelte sich zwar um eine sog. Verdachtskündigung, aber schon die Vorwürfe stellten einen wichtigen Grund dar, der die außerordentliche Kündigung rechtfertigte. Die festgestellten Vorwürfe beinhalten Pflichtverletzungen, mit denen die Personalrätin nicht nur die ihr als Personalratsmitglied zustehenden Kompetenzen überschritten, sondern auch ihre arbeitsvertraglichen (Neben-)Pflichten in massiver Weise verletzt hat. Ganz eindeutig urteilten die Richter, dass ein Personalratsmitglied jegliche Einflussnahme der dargestellten oder ähnlichen Art auf (potentielle) Bewerber zu unterlassen hat.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Passen Sie als Betriebsrat auf, wenn es um Gewerkschaftstätigkeit geht. Gewerkschaften und Betriebsräte sind voneinander unabhängige Institutionen.

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil 3
Kernthema Kündigung: Wichtiges Wissen für Ihre BR-Arbeit
Kündigung wegen wiederholter verspäteter Krankmeldungen

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.11.2020, Az.: 10 Sa 52/18

Leitsatz: Eine Kündigung wegen wiederholt verspäteter Krankmeldungen durch einen langzeiterkrankten Arbeitnehmer kann rechtmäßig sein.

Der Fall: Ein Arbeitnehmer war seit 2016 durchgängig arbeitsunfähig krankgemeldet. Der Arbeitnehmer hatte es mehrfach versäumt, seine Arbeitgeberin rechtzeitig über die Fortdauer der Erkrankung zu unterrichten. Darauf hatte die Arbeitgeberin ihren Mitarbeiter zunächst hingewiesen. Im Anschluss hatte sie ihn zudem mehrfach wegen mangelnder und nicht rechtzeitiger Anzeigen abgemahnt. Da die Abmahnungen jedoch nicht zu einer Änderung des Verhaltens führten, kündigte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer. Der wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Gericht hielt die Kündigung für wirksam. Das begründeten die Richter damit, dass der Arbeitnehmer seine Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich verletzt hatte. Die Arbeitgeberin sei hingegen ihren Pflichten, vor allem der Pflicht zur vorherigen Abmahnung, nachgekommen. Der Arbeitgeber hat nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) Anspruch auf die unverzügliche Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit sowie auf die pünktliche Übermittlung etwaiger Folgebescheinigungen. Das gilt auch nach Ablauf des 6-wöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Bei Pflichtverstößen sind vor einer Kündigung in aller Regel eine oder mehrere Abmahnungen erforderlich. Weigert sich der Arbeitnehmer jedoch trotzdem seinen Verpflichtungen nachzukommen, kann eine Kündigung schnell rechtmäßig sein.

TOP AKTUELL

Verhaltensbedingte Kündigung
Abmahnungserfordernis und wichtige Kündigungsgründe kennen
Arbeitgeber muss Betriebsrat mit Videokonferenz-Technik versorgen

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.04.2021, Az. 15 TaBVGa 401/21

Pressemitteilung: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat einen Arbeitgeber im Wege einer einstweiligen Verfügung verurteilt, dem bestehenden Betriebsrat eine technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, die diesem die Durchführung von Sitzungen und Beratungen in Form einer Videokonferenz ermöglicht. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, es handle sich um erforderliche Informationstechnik, die der Arbeitgeber nach § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung stellen müsse.

Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben.

Podcast-Empfehlung des Monats
Basics zum Gesundheitsschutz

Marc Faber und Niklas Pastille erörtern in diesem Podcast das Thema Grundfragen des betrieblichen Gesundheitsschutzes.

Unsere Empfehlung
Neue Seminarangebote der W.A.F.

Arbeits- und Gesundheitsschutz im Home-Office
Als BR für sicheres und gesundes Arbeiten im Home-Office Sorge tragen
 
Online-Sitzungen professionell durchführen
Videokonferenzen in der BR-Arbeit zur echten Alternative werden lassen

© W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung AG