Home-Office im Wandel der Zeit | Die unwirksame Einführung von Kurzarbeit | Kann der Arbeitgeber Corona Schnelltests verlangen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

wir hoffen, Sie haben schöne Ostertage verbracht, die ersten Frühlingsstunden genossen und sind nun gut erholt zurück an Ihrem Arbeitsplatz. Hier wollen wir Sie wieder bestmöglich mit frischem BR-Wissen zu aktuellen Themen versorgen!

Nachdem „Home-Office" derzeit in aller Munde ist, widmet sich dem nicht nur unser Top-Thema des Monats. Wir haben hierzu für Sie auch das brandneue Webinar „Home-Office und mobiles Arbeiten“ im Programm! Hier erfahren Sie kompakt an einem Vormittag alles Wichtige zu den flexiblen Arbeitsplatzmodellen mit ihren rechtlichen Besonderheiten.

Natürlich haben wir für Sie auch wieder die wichtigsten Urteile der vergangenen Monate zusammengestellt. Unter anderem hatten die Gerichte darüber zu entscheiden, ob der Urlaubsanspruch in Kurzarbeit Null anteilig gekürzt werden darf, ob Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit anordnen dürfen und ob Präsenzsitzungen des Betriebsrats aus Anlass der Corona-Pandemie untersagt werden dürfen.

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Top-Thema des Monats

  • Home-Office im Wandel der Zeit

BR fragt – W.A.F. antwortet

  • Kann unser Arbeitgeber uns verpflichten, eine nachträgliche Vereinbarung zum Arbeitsvertrag zu unterschreiben?

Aktuelles von den Arbeitsgerichten

  • Auswechseln der Leiharbeiter nach 18 Monaten
  • Die unwirksame Einführung von Kurzarbeit
  • Arbeitgeber dürfen Urlaub bei Kurzarbeit Null anteilig kürzen
  • Der Arbeitgeber darf Betriebsratssitzungen als Präsenzsitzungen pandemiebedingt untersagen

Neue Seminarangebote der W.A.F.

Top-Thema des Monats
Home-Office im Wandel der Zeit

Wirtschaft und Arbeitswelt befinden sich gegenwärtig in einem strukturellen Wandel. Insbesondere gewinnen mit fortschreitender Digitalisierung flexible Arbeitsformen zunehmend an Bedeutung. So hat sich im Verlauf der Corona-Pandemie gezeigt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer viele berufliche Tätigkeiten mit Hilfe von mobilen Endgeräten auch ortsunabhängig erbringen können.

Um für diese Entwicklung den gesetzlichen Rahmen zu schaffen, laufen derzeit verschiedene gesetzgeberische Aktivitäten. Diese wollen wir im Folgenden näher beleuchten, da hiervon alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen sein können.

Corona-Arbeitsschutz-Verordnung

Nach der Corona-Arbeitsschutz-Verordnung, die am 27.01.2021 in Kraft getreten ist, müssen Arbeitgeber derzeit Home-Office anbieten, wo es möglich ist. Dabei handelt es sich aber nur um eine coronabedingte Sonderlösung, die jedenfalls nach herrschender Ansicht keinen individuellen Rechtsanspruch auf Home-Office verschafft. Schließlich ist diese befristet und tritt ohne erneute Verlängerung mit Ablauf des 30.04.2021 wieder außer Kraft.

Mobile Arbeit-Gesetz

Anfang Oktober 2020 hatte das Kanzleramt den ersten Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil für das Arbeiten im Home-Office torpediert. Dieser hatte noch einen Rechtsanspruch auf 24 Tage Home-Office im Jahr vorgesehen.

Am 26.11.2020 wurde daher ein überarbeiteter, zweiter Referentenentwurf veröffentlicht, der sich aktuell noch in der Ressortabstimmung befindet. Was ist nun konkret geplant? Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die regelmäßig (d.h. nicht nur anlassbezogen) mobil arbeiten möchten, werden folgende verbesserte Rahmenbedingungen geschaffen:

  • In der Gewerbeordnung wird geregelt, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin dessen oder deren Wunsch nach mobiler Arbeit erörtert.
  • Einigen sich die Arbeitsvertragsparteien nicht über die von dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin gewünschte mobile Arbeit, muss der Arbeitgeber seine ablehnende Entscheidung form- und fristgerecht begründen.
  • Versäumt der Arbeitgeber dies, tritt eine gesetzliche Fiktion ein und die mobile Arbeit gilt entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin für die Dauer von maximal sechs Monaten als festgelegt. Die gesetzliche Fiktion greift auch, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin den Wunsch, mobil zu arbeiten, nicht erörtert.

Die Regelungen des Arbeitsschutzes bleiben unberührt. Danach hat der Arbeitgeber insbesondere die bei mobiler Arbeit auftretenden Gefährdungen zu beurteilen, Schutzmaßnahmen festzulegen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu unterweisen.

Was bedeutet das Mobile Arbeit-Gesetz für die betriebliche Mitbestimmung?

Nicht enthalten im Referentenentwurf sind Fragen der Mitbestimmung. Allerdings heißt es in der Begründung, dass sichergestellt werde, dass die Tarifvertrags- und Betriebsparteien weiterhin eigene Regelungen zu mobiler Arbeit treffen können, um passgenaue und ausgewogene Lösungen unter Berücksichtigung der Belange aller Beteiligten zu finden.

Betriebsrätestärkungsgesetz

Bislang spielten beim Thema Home-Office diverse Mitbestimmungsrechte zusammen. Mit dem aktuell ebenfalls vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vorgelegten Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetzes soll zur Förderung mobiler Arbeit und zum Schutz der Arbeitnehmer bei Wahrnehmung von Home-Office in § 87 Absatz 1 BetrVG ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt werden.

Aktuell vorgesehen ist im Entwurf allerdings nur die „Ausgestaltung“, nicht jedoch die „Einführung“ mobiler Arbeit. Der Arbeitgeber könnte daher die Einführung von einer bestimmten Ausgestaltung abhängig machen und damit seine Interessen durchsetzen.

Prinzip der Diskontinuität

Nach dem Prinzip der Diskontinuität müssen alle Gesetzesvorlagen, die vom alten Bundestag nicht beschlossen wurden, in der neuen Legislaturperiode neu eingebracht und verhandelt werden. Dies bedeutet, dass bis spätestens zur Neuwahl des Bundestages am 26.09.2021 die Verhandlungen der Koalitionspartner zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht sein müssten. Andernfalls wären etwaige gesetzliche Regelungen zu diesem für alle so wichtigen Thema erstmal auf die lange Bank geschoben.

NEU

Arbeits- und Gesundheitsschutz im Home-Office
Als BR für sicheres und gesundes Arbeiten im Home-Office Sorge tragen

BR fragt – W.A.F. antwortet
Änderungen zum Arbeitsvertrag

BR fragt: Kann unser Arbeitgeber uns verpflichten, eine nachträgliche Vereinbarung zum Arbeitsvertrag zu unterschreiben? Er möchte die Arbeitsverträge ändern und einen Passus zur Kurzarbeit und zu den Arbeitszeiten einführen.

W.A.F. antwortet: Ihr Arbeitgeber kann Sie nicht verpflichten, eine Änderung des Arbeitsvertrags zu unterschreiben. Denn ein Nachtrag ist stets eine Änderung der bestehenden Arbeitsbedingungen. Eine entsprechende Vereinbarung setzt das Einverständnis beider Vertragspartner, also auch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer voraus. Möchten Sie sich nicht auf die Vorgaben einlassen, sollten Sie das auch nicht unterschreiben.

Ihrem Arbeitgeber bleibt dann noch die Prüfung, ob er eine Änderungskündigung wirksam durchsetzen kann. Dafür sind die Hürden jedoch sehr hoch und Änderungskündigungen sind vor den Arbeitsgerichten noch schwerer durchzusetzen als „normale“ Beendigungskündigungen.

SPEZIAL SEMINAR

Direktionsrecht und Änderungskündigung
Sich als Betriebsrat im Spannungsfeld sicher bewegen

Video-Empfehlung des Monats
Buhmann Betriebsrat: Ist die Belegschaft noch unser Freund?

 

Betriebsräte haben es nicht leicht. Egal wie man es dreht, der Betriebsrat ist immer der Buhmann. Am Beispiel Home-Office erklärt Rechtsanwalt Niklas Pastille, wie man gut mit der Belegschaft kommunizieren kann und welchen Schuh sich der Betriebsrat niemals anziehen sollte.

Zum Video  ➜

Aktuelles von den Arbeitsgerichten
Auswechseln der Leiharbeiter nach 18 Monaten

BAG, Beschluss vom 23.02.2021, Az.: 1 ABR 33/19

Leitsatz: Die 18-Monats-Grenze im § 1 Abs. 1b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) gilt arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen.

Der Fall: Leiharbeitnehmer dürfen nur maximal für 18 Monate in einem Betrieb eingesetzt werden. In dem entscheidenden Fall hatte ein Arbeitgeber schon längere Zeit Leiharbeitnehmer auf einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt. Nun wollte er nach 18 Monaten einen anderen Leiharbeitnehmer auf dem gleichen Platz beschäftigen. Vor der Einstellung eines Leiharbeitnehmers ist jedoch der Betriebsrat zu beteiligen und der versagte seine Zustimmung. Er meinte, der Arbeitgeber sei verpflichtet, für die Erledigung von Daueraufgaben reguläre Arbeitsplätze einzurichten und eigene Mitarbeiter einzustellen. Leiharbeitnehmer dürften auf Dauerarbeitsplätzen nur für höchstens 18 Monate eingesetzt werden. Nur ein Austausch der Leiharbeiter wäre nicht rechtmäßig. Der Arbeitgeber zog vor das Arbeitsgericht und verlangte die Ersetzung der Zustimmung.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen war. Denn nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 1b AÜG gilt die 18-Monats-Grenze arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen. Der Arbeitgeber durfte also einen neuen Leiharbeitnehmer beschäftigen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das Problem könnte mit der nächsten Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes neu entstehen. Wirklich sinnvoll erscheint der reine Austausch von Leiharbeitnehmern nach 18 Monaten nicht zu sein. Ein Zustimmungsverweigerungsrecht hat der Betriebsrat aber nicht.

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Leiharbeit
Rechtliche Hintergründe der Arbeitnehmerüberlassung kennen
Die unwirksame Einführung von Kurzarbeit

AG Siegburg, Urteil vom 11.11.2020, Az.: 4 Ca 1240/20

Leitsatz: Ein Arbeitgeber darf nur dann einseitig Kurzarbeit anordnen, wenn dies arbeitsvertraglich, durch Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag geregelt ist.

Der Fall: Das Bruttomonatsgehalt eines angestellten Omnibusfahrers betrug 2.100 €. Im März 2020 teilte ihm seine Arbeitgeberin mit, dass Kurzarbeit angemeldet werden müsse. Eine Vereinbarung über die Kurzarbeit gab es mit dem Omnibusfahrer nicht. Der Omnibusfahrer war mit der Kurzarbeit nicht einverstanden und bot dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung an. Die Arbeitgeberin kürzte aber trotzdem einen Teil des Gehalts und bezeichnete die Zahlung in der Abrechnung als „Kurzarbeitergeld“. Daraufhin klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht und verlangte die Zahlung seines vollen Gehalts.

Die Entscheidung des Gerichts: Ein Arbeitgeber darf nur dann einseitig Kurzarbeit anordnen, wenn dies arbeitsvertraglich, durch Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag zulässig ist. Bei einer Anordnung ohne rechtliche Grundlage besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld und Arbeitnehmer behalten ihren vollen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Kurzarbeit kann eben nur dann rechtlich einwandfrei eingeführt werden, wenn es eine Vereinbarung über die Kurzarbeit gibt. In aller Regel wird das in einer Betriebsvereinbarung geschehen. Wenn es aber in einem Betrieb gar keinen Betriebsrat gibt, hat der Arbeitgeber ein Problem.

CORONA SPEZIAL

Rezession und Kurzarbeit
In der Corona-Krise als BR umsichtig und professionell agieren!
Arbeitgeber dürfen Urlaub bei Kurzarbeit Null anteilig kürzen

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021, Az. 6 Sa 824/20

Leitsatz: Während Kurzarbeit Null können Urlaubsansprüche nicht entstehen. Der Jahresurlaub wird für jeden Monat der Kurzarbeit Null um ein Zwölftel gekürzt.

Der Fall: Die Arbeitnehmerin ist seit dem 01.03.2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt und arbeitet in einer 3-Tage-Woche in Teilzeit. Pro Kalenderjahr stehen der Arbeitnehmerin vereinbarungsgemäß 28 Werktage bzw. umgerechnet 14 Arbeitstage Erholungsurlaub zu.

Infolge der Corona-Pandemie galt für die Arbeitnehmerin ab April bis Dezember 2020 wiederholt Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. In den Monaten August und September 2020 hatte die Arbeitgeberin der Klägerin insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt.

Die Arbeitnehmerin ist der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Konjunkturbedingte Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse der Arbeitgeberin. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit. So unterliege sie während der Kurzarbeit Meldepflichten. Auch könne die Arbeitgeberin die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, weswegen es an einer Planbarkeit der freien Zeit fehle. Die Arbeitnehmerin begehrt deshalb die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der volle vertraglich vereinbarte Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen zustehe, somit noch weitere 2,5 Arbeitstage.

Die Arbeitgeberin tritt dem entgegen und ist der Meinung, mangels Arbeitspflicht entstünden während der Kurzarbeit Null keine Urlaubsansprüche. Deshalb habe sie den Urlaubsanspruch der Klägerin für 2020 bereits vollständig erfüllt.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG Düsseldorf bestätigt die Entscheidung des AG Essen vom 06.10.2020 (Az. 1 Ca 2155/20), die einen weiteren Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin verneint. Die Klägerin habe aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null sei der Urlaub um 1/12 zu kürzen gewesen. Dies ergebe sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage.

Der Erholungszweck des Urlaubs setze eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Während der Kurzarbeit seien die Leistungspflichten, welche im Arbeitsverhältnis korrespondieren, aufgehoben und Kurzarbeiter seien wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen ist.

Das Gericht betont, dass Kurzarbeit Null nicht mit der Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen sei und auch die besonderen Umstände der Corona-Pandemie hieran nichts ändern würden. Zudem würde sich aus den Vorschriften des BUrlG nichts anderes ergeben und eine spezielle Regelung für Kurzarbeit existiere ebenfalls nicht.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das LAG Düsseldorf folgt damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie). Danach entsteht während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch nicht. Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen.

SPEZIAL SEMINAR

Urlaubsrecht
Als BR die aktuelle Rechtsprechung kennen und erfolgreich mitbestimmen
Der Arbeitgeber darf Betriebsratssitzungen als Präsenzsitzungen pandemiebedingt untersagen

AG Regensburg, Beschluss vom 07.12.2020, Az.: 2 BVGa 7/20

Leitsatz: Im Einzelfall kann das aktuelle Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie es erfordern, dass ein Betriebsrat seine Betriebsratssitzungen digital im Sinne des § 129 Abs. 1 BetrVG durchzuführen hat.

Der Fall: Die Arbeitgeberin betrieb Wohnheime und Förderstätten für Menschen mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung und beschäftigte knapp 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Betriebsrat wollte nun eine Betriebsratssitzung abhalten. Die Arbeitgeberin untersagte das im Rahmen eines von ihr wegen der herrschenden Corona-Pandemie erstellten Hygienekonzepts. Sämtliche Präsenzveranstaltungen waren von ihr verboten worden. Zuvor hatte der Betriebsrat bereits drei Sitzungen mit einer von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten technischen Ausrüstung digital durchgeführt. Nun wollte sich der Betriebsrat gegen das Verbot zur Wehr setzen und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Am Tag vor der mündlichen Anhörung vor der Kammer des Arbeitsgerichts erfuhr die Arbeitgeberin, dass unter anderem in zwei ihrer Wohnheime Infizierungen mit dem Coronavirus erfolgt waren.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Richter waren anderer Ansicht. Im Einzelfall kann das aktuelle Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie es erfordern, dass ein Betriebsrat seine Betriebsratssitzungen digital im Sinne des § 129 Abs. 1 BetrVG durchzuführen hat. Es bestand hier kein besonderer Anlass, die Regelsitzungen des Betriebsrats im Dezember als Präsenzsitzungen durchzuführen. Die Vorschrift des § 129 BetrVG will gerade der Situation um die COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Schwierigkeiten einer Präsenzsitzung Rechnung tragen. Es soll Rechtssicherheit für diese Ausnahmesituation geschaffen und den Arbeitnehmervertretungen ermöglicht werden, Sitzungen und Beschlussfassungen mittels Video- und Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen durchzuführen. Die Norm des § 129 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist dabei zwar als „Kann“-Vorschrift ausgestaltet, was dem Betriebsratsvorsitzenden, der die Sitzungen einberuft, grundsätzlich ein Ermessen einräumt. Dieses Ermessen ist aber pflichtgemäß auszuüben. Treten besondere Umstände hinzu, kann sich das Ermessen auch auf null reduzieren mit der Folge, dass der Betriebsrat im zeitlichen Geltungsbereich des § 129 BetrVG verpflichtet ist, von den dort vorgesehenen technischen bzw. digitalen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, wenn solche zur Verfügung gestellt sind und es der Sitzungsinhalt zulässt. Das war hier im Ergebnis der Fall gewesen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die allerdings rechtlich durchaus nachvollziehbar ist. Eine Allgemeingültigkeit ist daraus nicht ableitbar.

NEU

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München, 10. – 12. Mai 2021
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Podcast-Empfehlung des Monats
Kann der Arbeitgeber Corona Schnelltests verlangen?

Kann der Arbeitgeber regelmäßige Corona Schnelltests von den Arbeitnehmern verlangen? Und welche Mitbestimmungsrechte hast du hier als Betriebsrat? Die Rechtsanwälte Arne Schrein und Matthias Ferstl sprechen darüber in diesem Podcast.

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