Noch liegt lediglich ein Referentenentwurf des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass dieser Entwurf auch zum Gesetz wird. Denn gegen die geplanten Regelungen gibt es kaum Kritik.
Die Bundesregierung erkennt zunächst die wichtige Funktion von Betriebsräten in den Betrieben an. Sie muss aber auch erkennen, dass es immer weniger Betriebsratsgremien gibt. Laut den Zahlen des
IAB-Betriebspanels 2019 verfügen noch neun Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Westdeutschland und zehn Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Ostdeutschland über einen
Betriebsrat. Rund 41 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Westdeutschland sowie 36 Prozent in Ostdeutschland werden von Betriebsräten vertreten.
Die Ursachen für die abnehmende Vertretung durch Betriebsräte sind vielfältig. So ist es durchaus denkbar, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders in kleinen Betrieben bewusst auf
die Gründung eines Betriebsrats verzichten. Andererseits häufen sich Berichte, dass in manchen Betrieben Arbeitgeber mit zum Teil drastischen Mitteln die Grün-dung von Betriebsräten
verhindern. In kleineren Betrieben können daneben die Formalien des regulären Wahlverfahrens eine Hemmschwelle darstellen, die es bei der Organisation einer Betriebsratswahl zu überwinden
gilt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung es sich zum Ziel gesetzt, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern und zugleich die Fälle der
Behinderungen von Betriebsratswahlen zu reduzieren.
Folgende Lösungen und Neuerungen werden u.a. vorgeschlagen:
Verbessertes Wahlverfahren
Im BetrVG wird das vereinfachte Wahlverfahren nach Vereinbarung sowohl für die Wahl des Betriebsrats als auch für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung ausgeweitet.
§ 14a wird wie folgt geändert:
„§ 14a Vereinfachtes Wahlverfahren für Kleinbetriebe
(1) In Betrieben mit in der Regel fünf bis einhundert (bisher: fünfzig) wahlberechtigten Arbeitnehmern wird der Betriebsrat
in einem zweistufigen Verfahren gewählt…
(3) Ist der Wahlvorstand in Betrieben mit in der Regel fünf bis einhundert (bisher: fünfzig) wahlberechtigten Arbeitnehmern … vom
Betriebsrat … bestellt, wird der Betriebsrat … auf nur einer Wahlversammlung in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt.
(5) In Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 (bisher: 51 bis
100) wahlberechtigten Arbeitnehmern können der Wahlvorstand und der Arbeitgeber die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren…“
In § 14 wird Absatz 4 geändert: „In Betrieben mit in der Regel bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern bedarf es keiner Unterzeichnung von Wahlvorschlägen. Wahlvorschläge sind in
Betrieben mit in der Regel 21 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern von zwei Wahlberechtigten und in Betrieben mit in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmern von mindestens einem Zwanzigstel der
wahlberechtigten Arbeitnehmer zu unterzeichnen. In jedem Fall genügt die Unterzeichnung durch fünfzig wahlberechtigte Arbeitnehmer.“
Schutz der Wahl
Um den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Gründung eines Betriebsrats zu verbessern, wird der Kündigungsschutz verbessert.
§ 15 Kündigungsschutzgesetz soll folgendermaßen geändert werden:
„Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung … einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands … beantragt, ist vom Zeitpunkt der
Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig… Der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der
Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat … nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz … vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.“
Verbesserungen für Auszubildende
Die Altersgrenze für Auszubildende bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird gestrichen.
Rechte des Betriebsrats bei der Qualifizierung
Das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung wird gestärkt und die Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung ermöglicht.
Künstliche Intelligenz
Im Hinblick auf die Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von KI und von Informations- und Kommunikationstechnik im Betrieb wird festgelegt, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen für
Informations- und Kommunikationstechnik für den Betriebsrat als erforderlich gilt.
Videokonferenzen
Betriebsräte erhalten die Möglichkeit, unter ausschließlich selbst gesetzten Rahmenbedingungen und unter Wahrung des Vorrangs der Präsenzsitzung, Sitzungen mittels Video- und
Telefonkonferenz durchzuführen.
§ 30 BetrVG soll geändert werden:
„Abweichend von … kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn
1. die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,
2. nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des
Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und
3. sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können…“
Mobile Arbeit
Um mobile Arbeit zu fördern, soll in § 87 Absatz 1 BetrVG ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt werden.