Die krankheitsbedingte Kündigung und das Corona-Virus | Kündigung wegen rassistischer Äußerungen | Abmahnung

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

das gesamte Team der W.A.F. wünscht Ihnen für das Jahr 2021 von Herzen alles Gute und vor allem Gesundheit!

In vielen Betrieben herrscht durch die Corona-Pandemie nach wie vor Ausnahmezustand. Ganz besonders jetzt sind Sie als betriebliche Interessenvertreter gefragt und große Herausforderungen warten auf Sie. Wir von der W.A.F. unterstützen Sie dabei auch im neuen Jahr als starker Partner mit Präsenzseminaren oder unseren Live Webinaren.

Ein Thema, das uns diesen Monat ganz besonders am Herzen liegt: Einige Arbeitgeber scheinen die Krise zu nutzen, um sich unter dem Deckmantel von Corona von längerfristig erkrankten Arbeitnehmern zu trennen. Das führt dazu, dass Sie als Betriebsrat sicherlich öfter mit dem Thema „krankheitsbedingte Kündigung“ konfrontiert werden. Aber wie verhalten Sie sich als Interessenvertreter bei einer Kündigungsanhörung und wie können Sie Ihre Beteiligungsrechte wirksam einsetzen? Mehr dazu erfahren Sie in unserem Top-Thema und dem Seminar „Krankheitsbedingte Kündigung“.

Lassen Sie uns gemeinsam mit neuem Engagement, guten Vorsätzen und vor allem geballtem Wissen im neuen Jahr richtig durchstarten!

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.

Inhalt

Neue Seminarangebote der W.A.F.

  • BR-Arbeit im Konzern
  • Arbeits- und Gesundheitsschutz im Home-Office

Top-Thema des Monats

  • Die krankheitsbedingte Kündigung und das Corona-Virus

Testen Sie Ihr Betriebsratswissen

  • Darf der Arbeitgeber Arbeit im Home-Office anordnen?

Aktuelles von den Arbeitsgerichten

  • Die Drohung mit dem gelben Schein
  • Die elektronische Personalakte in der Mitbestimmung
  • Zeitarbeitnehmer muss zuerst gekündigt werden
  • Gelbe Karte für Betriebsräte?
  • Benachteiligung wegen der Religion bei der Kirche
  • Kündigung wegen rassistischer Äußerungen

Top-Thema des Monats
Die krankheitsbedingte Kündigung und das Corona-Virus

Corona wird zu Kündigungen führen. Doch wann ist eine coronabedingte Kündigung möglich? Nach dem Kündigungsschutzgesetz muss eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Und das ist sie eben nur, wenn betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigungsgründe vorliegen.

Die personenbedingte Corona-Kündigung

Natürlich kann eine Kündigung durch den Arbeitgeber grundsätzlich auf einen Grund, der in der Person eines Arbeitnehmers liegt, gestützt werden. Aber um es vorwegzunehmen: Es dürften nur sehr große Ausnahmefälle denkbar sein, in denen der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung auf die Erkrankung eines Arbeitnehmers mit Covid-19 stützen kann. Wir werden im Laufe des Beitrages sehen, dass stets eine negative Prognose für eine krankheitsbedingte Kündigung erforderlich ist. Das dürfte bei Covid-19 in aller Regel nicht der Fall sein. Auch eine Quarantäneanordnung der Gesundheitsbehörde, die zu einem Beschäftigungsverbot führt, wird eine personenbedingte Kündigung in aller Regel nicht rechtfertigen können. Die betrieblichen Auswirkungen dürften gering sein, da der Arbeitgeber das gezahlte Gehalt nach dem Infektionsschutzgesetz ersetzt bekommen kann. Außerdem ist die Kündigung stets die letzte Maßnahme, die für den Arbeitgeber möglich sein darf.

Ein kurzer Blick auf die verhaltensbedingte Kündigung

Wenn ein Mitarbeiter seine Erkrankung nicht mitteilt und so andere Arbeitnehmer gefährdet, kann durchaus über eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber nachgedacht werden. Hier sind erhebliche Risiken für den Arbeitnehmer denkbar.

Drei-Wochen-Frist beachten

Egal welche Kündigung ausgesprochen wird: Arbeitnehmer haben die 3-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage zu beachten. Betriebsräte sollten ihre Kolleginnen und Kollegen daran erinnern.

Die Rolle des Betriebsrats bei der krankheitsbedingten Kündigung

Wie vor jeder anderen Kündigung auch muss der Arbeitgeber vor der personenbedingten Kündigung eines Kollegen seinen Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG anhören.

Hat der Betriebsrat gegen die ordentliche Kündigung Einwendungen, sollte er diese schriftlich mitteilen. Dabei hat er sich zwangsläufig an den gesetzlich vorgegebenen Widerspruchsgründen des § 102 Abs. 3 BetrVG zu orientieren. Anders als bei einer betriebsbedingten oder verhaltensbedingten Kündigung sind sämtliche 5 Widerspruchsgründe bei der krankheitsbedingten Kündigung äußerst praxisrelevant:

  1. Der Arbeitgeber hat bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte wie das Alter oder die Betriebszugehörigkeitszeit nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt.
  2. Die Kündigung verstößt gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG, also zum Beispiel gegen eine Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM).

  3. Der Arbeitnehmer kann an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden.

  4. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich.

  5. Eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters ist zumindest unter geänderten Vertragsbedingungen möglich und er hat dazu sein Einverständnis erklärt.

Die Kündigungsvoraussetzungen: Die Arbeitsunfähigkeit als Kündigungsgrund

Krankheit an sich ist natürlich noch kein Kündigungsgrund. Dazu müssen stets die nachfolgenden 3 Voraussetzungen vorliegen (BAG, Urteil vom 20.1.2000, Az. 2 AZR 378/99). Diese 3 Stufen muss Ihnen der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung darlegen:

1. Stufe: Negative Zukunftsprognose

Der Arbeitgeber muss davon ausgehen können, dass in Zukunft mit weiteren Erkrankungen des Arbeitnehmers zu rechnen ist, wie etwa bei chronischen Erkrankungen. Liegt keine negative Gesundheitsprognose vor, scheitert die krankheitsbedingte Kündigung bereits.

2. Stufe: Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen

Zusätzlich zur negativen Gesundheitsprognose muss der Arbeitgeber darlegen können, dass durch die krankheitsbedingte Abwesenheit des Mitarbeiters die betrieblichen Interessen nachhaltig beeinträchtigt werden. Dies ist bei

  • Störungen im Arbeitsablauf oder
  • bei wirtschaftlichen Belastungen der Fall. In aller Regel wird der Arbeitgeber auch die Entgeltfortzahlungskosten als Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen heranziehen. Diese muss er ganz genau aufschlüsseln.

Der Arbeitgeber hat konkret darzulegen, welche Betriebsablaufstörungen vorliegen:

  • Wie sehen die Störungen aus und wie haben sie sich ausgewirkt?
  • Gab es Umorganisationen?
  • Mit welchen Konsequenzen war das verbunden?
  • Musste der Arbeitgeber eine Ersatzkraft suchen, einstellen und bezahlen?

3. Stufe: Interessenabwägung

Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber stets eine Interessenabwägung machen. Zu klären ist, ob es

  • trotz negativer Zukunftsprognose und
  • trotz erheblicher Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen
  • Aspekte gibt, die das Beschäftigungsinteresse des Kollegen dem Kündigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegen lassen.

Im Rahmen der Interessenabwägung spielen viele Faktoren eine Rolle. Zugunsten des Arbeitnehmers wirkt sich insbesondere aus:

  1. Lag ein Arbeitsunfall vor?
  2. Wie lange hat der Mitarbeiter schon dem Betrieb angehört?
  3. Wie alt ist der Kollege?
  4. Hat er Unterhaltspflichten?
  5. Gibt es Möglichkeiten, den Mitarbeiter auf eine andere Stelle umzusetzen oder seine Arbeitskraft wenigstens zum Teil wiederherzustellen?

Leidensgerechter Arbeitsplatz

Bei der Prüfung, ob es einen leidensgerechten Arbeitsplatz gibt, hat der Arbeitgeber auch zu berücksichtigen, ob der Mitarbeiter nach einer entsprechenden Schulung oder Fortbildung auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann.

Kann der Arbeitgeber den Arbeitsplatz im Wege des Direktionsrechts frei machen, muss er dies auch tun. So könnte er einen Mitarbeiter vom leidensgerechten Arbeitsplatz versetzen und den Arbeitsplatz dem Kranken zuweisen. Freikündigen oder gar neu erschaffen muss er einen leidensgerechten Arbeitsplatz hingegen nicht.

Fallgruppen bei einer krankheitsbedingten Kündigung

Es gibt verschiedene Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung. Bei jeder einzelnen aber muss der Arbeitgeber das soeben dargestellte 3-Stufen-Schema durchgehen!

1. Fallgruppe: Häufige Kurzerkrankungen

Häufige Kurzerkrankungen liegen vor, wenn der Arbeitnehmer zwar immer nur für ein paar Tage krank ist, dafür aber oft. Der Arbeitgeber muss sich hier die Frage stellen, ob es die ernsthafte Vermutung weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang gibt. Allerdings fordert die Rechtsprechung, dass sich die relevanten Fehlzeiten über einen Zeitraum von gut 3 Jahren erstrecken müssen. Außerdem müssen die Fehlzeiten pro Jahr insgesamt deutlich über 6 Wochen liegen. Beruhen die häufigen Ausfälle auf ausgeheilten Leiden oder einmaligen Vorkommnissen (Verkehrsunfall, Blinddarmoperation, Beinbruch beim Skiunfall, usw.), scheidet eine negative Prognose und damit eine Kündigung aus.

2. Fallgruppe: Lang andauernde Erkrankung

Neben den häufig Kurzerkrankten gibt es viele Arbeitnehmer, die dauerhaft bzw. über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig sind. Auch hier sind die Erfolgsaussichten einer Kündigung immer nach dem 3-Stufen-Schema des BAG zu prüfen! Lässt die Erkrankung den Schluss zu, dass der Mitarbeiter auch in absehbarer Zeit seine Arbeit nicht wieder aufnehmen wird? Für die Prognose sind ebenfalls die Fehlzeiten aus der Vergangenheit heranzuziehen: Ist der Arbeitnehmer etwa schon mehr als 9 Monate arbeitsunfähig und kann er keinen Gesundungstermin mitteilen, liegt häufig eine negative Prognose vor.

3. Fallgruppe: Krankheitsbedingte dauernde Arbeitsunfähigkeit

Es gibt allerdings auch Fälle, in denen Kollegen so schwer erkranken, dass sie ihre ursprüngliche Leistungsfähigkeit nicht mehr wiedererlangen. Solche Fälle sind natürlich höchst kündigungsrelevant. Im Rahmen der negativen Prognose reicht es hier aus, wenn in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Gesundung zu rechnen ist. Da aufgrund der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen deutlich ist, muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung nur prüfen, ob er den Arbeitnehmer nicht auf einen freien leidensgerechten Arbeitsplatz umsetzen kann.

4. Fallgruppe: Krankheitsbedingte Leistungsminderung

Eine Krankheit kann einen Kollegen so mitnehmen, dass er zwar noch arbeiten kann, aber nicht mehr so wie früher. Im Rahmen der negativen Prognose muss der Arbeitgeber klären, ob der Arbeitnehmer auch künftig dauernd und in erheblichem Umfang Minderleistungen erbringen wird. Dabei haben erhebliche Leistungsminderungen in der Vergangenheit Indizwirkung für die Zukunft. Bei der Beeinträchtigung der dienstlichen Interessen verlangt das Bundesarbeitsgericht eine Minderleistung auf 2⁄3 der Normalleistung. Auch hier muss der Arbeitgeber prüfen, ob die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Ist das der Fall, muss er ihm diesen Arbeitsplatz anbieten. Eine Kündigung scheidet aus. Was die Interessensabwägung betrifft, gelten die Ausführungen zu den häufigen Kurzerkrankungen entsprechend.

Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Jeder Arbeitgeber muss vor der Kündigung prüfen, ob es nicht mildere Maßnahmen als die Entlassung gibt. So eine mildere Maßnahme kann ein BEM sein. Er muss also vor der Kündigung zumindest prüfen, ob die Arbeitskraft des zu kündigenden Mitarbeiters nicht schrittweise wieder aufgebaut werden kann.

TOP AKTUELL

Krankheitsbedingte Kündigung
Was der Arbeitgeber wirklich darf und wie Sie als BR richtig reagieren

LIVE WEBINAR

Webinar: Betriebliches Eingliederungsmanagement Teil 1
Arbeitsunfähigkeit überwinden, Arbeitsplätze erhalten

Testen Sie Ihr Betriebsratswissen
Darf der Arbeitgeber Arbeit im Home-Office anordnen?

Unter welchen Voraussetzungen ist das möglich?

Die Beantwortung der Frage finden Sie am Ende der Ausgabe.

Video-Empfehlung des Monats
Was ist eine Abmahnung und was kann man tun, wenn man abgemahnt wurde?

Du hast eine Abmahnung erhalten und möchtest wissen, was du jetzt tun kannst? Erfahre in diesem Video, warum ein Arbeitgeber diese "gelbe Karte" des Arbeitsrechts ausspielen muss und warum es eigentlich gar keine richtige Definition dafür gibt. Rechtsanwalt Fabian Baumgartner erklärt außerdem, was Anwälte bei einer Abmahnung raten.

Zum Video  ➜

Aktuelles von den Arbeitsgerichten
Die Drohung mit dem gelben Schein

Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.07.2020, Az. 8 Sa 430/19 
Die Androhung einer Krankschreibung kann sehr schnell eine Kündigung rechtfertigen.

Der Fall: Bereits nach acht Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses eskalierte die Situation. Der Arbeitgeber forderte den freigestellten Arbeitnehmer auf, am folgenden Tag zu einem Gespräch im Betrieb zu erscheinen. Der Arbeitnehmer war jedoch nicht bereit, an diesem Gespräch teilzunehmen und sagte: „Ich kann ja auch noch krank werden.“ Darauf erhielt er eine fristlose Kündigung, gegen die er klagt.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Kündigung war wirksam. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass bereits die Drohung, sich unberechtigt krankschreiben zu lassen, ausreiche, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Bereits das war ein wichtiger Grund, der eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung ermöglicht.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Der Betriebsrat sollte die Kolleginnen und Kollegen gegebenenfalls auf der nächsten Betriebsversammlung auf dieses Urteil hinweisen. Schnell ist unüberlegt ein Satz ausgesprochen worden, der weitreichende Konsequenzen haben kann.

TOP AKTUELL

Verhaltensbedingte Kündigung
Abmahnungserfordernis und wichtige Kündigungsgründe kennen
Die elektronische Personalakte in der Mitbestimmung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2020, Az.: 3 TaBV 65/19
Trotz einer bestehenden Betriebsvereinbarung dürfen Betriebsräte nicht ohne weiteres in die elektronische Personalakte von Mitarbeitern schauen. 

Der Fall: Bei einem großen Arbeitgeber gab es einen Gesamtbetriebsrat und zwölf örtliche Betriebsräte. In der Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und Nutzung von elektronischen Personalakten hieß es:

„Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende und der örtliche Betriebsratsvorsitzende erhält permanenten Zugriff auf die elektronische Personalakte …"

Trotz der Gesamtbetriebsvereinbarung weigerte sich die Arbeitgeberin, den Betriebsräten Einsicht in die elektronischen Personalakten zu gewähren. Daraufhin zog der Gesamtbetriebsrat vor das Arbeitsgericht.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Gesamtbetriebsvereinbarung war teilweise unwirksam. Das generelle Einsichtsrecht der Betriebsratsvorsitzenden in die elektronische Personalakte der Arbeitnehmer, das nicht von deren Zustimmung abhängig ist, verletzte die Arbeitnehmer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zur Kontrolle der Regelungen aus der Gesamtbetriebsvereinbarung war ein derart weites Einsichtsrecht der Betriebsratsseite weder geeignet, noch erforderlich und verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer in unangemessener Weise.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Ein pauschales Einsichtsrecht der Betriebsratsvorsitzenden in die elektronische Personalakte der Arbeitnehmer verletzt die Arbeitnehmer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und ist damit verboten. Die Einsichtnahme ist immer von der Zustimmung der Arbeitnehmer abhängig.

GRUNDLAGEN

Betriebsverfassungsrecht Teil 4
Mit fundiertem Wissen den BR-Alltag in der Praxis meistern
Zeitarbeitnehmer muss zuerst gekündigt werden

Landesarbeitsgericht Köln, Urteile vom 02.09.2020, Az.: 5 Sa 295/20 und 5 Sa 14/20
Wer als Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen aussprechen möchte, muss in aller Regel zuerst dafür sorgen, dass die Leiharbeit im Betrieb abgebaut wird. So hat das auch das Landesarbeitsgericht Köln gesehen.

Der Fall: Ein Arbeitgeber beschäftigte 106 Arbeitnehmer und daneben auch Leiharbeiter. Dann geriet er in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste angeblich sechs Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen. Zwei Arbeitnehmer legten eine Kündigungsschutzklage ein mit dem Argument, dass in den knapp zwei Jahren vor Ausspruch der Kündigungen der Arbeitgeber sechs Leiharbeitnehmer fortlaufend mit nur wenigen Unterbrechungen eingesetzt hatte.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Arbeitnehmer haben ihre Kündigungsschutzklage gewonnen. Sie hätten auf den Arbeitsplätzen der Leiharbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können, da diese Arbeitsplätze als freie Arbeitsplätze anzusehen waren.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Die Entscheidungen befassen sich nicht mit der Problematik der Personalreserve. Denn auch die darf ein Arbeitgeber grundsätzlich vorhalten. Ein entsprechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts gibt es noch nicht. Da die Leiharbeitnehmer dieses Falls fortlaufend beschäftigt worden waren und deshalb nicht als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf im Unternehmen eingesetzt wurden, musste sich das Gericht mit dieser Frage nicht beschäftigen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen. Wir werden gegebenenfalls weiter berichten.

TOP AKTUELL

Betriebsbedingte Kündigung
Personalabbau: Auswirkungen infolge Corona sozial gestalten
Gelbe Karte für Betriebsräte?

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.07.2020, Az. 8 TaBV 3/19
Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen haben in der Personalakte nichts zu suchen, die Entfernung kann im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltend gemacht werden.

Der Fall: Der Arbeitgeber erteilte drei Betriebsratsmitgliedern jeweils eine Abmahnung. Grund hierfür war ein Streit um die Prämienberechnung für Außendienstmitarbeiter, im Zuge dessen der Betriebsrat die Außendienstler per E-Mail aufforderte, den individuellen Zielvorgaben des Arbeitgebers zu widersprechen. Der Arbeitgeber bekam hiervon Kenntnis und teilte jedem einzelnen Betriebsratsmitglied mit, dass er es wegen dieser Aufforderung betriebsverfassungsrechtlich abmahne und bei weiteren Verstößen ein Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG einleiten würde. Die Abmahnungen wurden in die jeweiligen Personalakten aufgenommen. Dies wollten die Betriebsratsmitglieder nicht hinnehmen.

Die Entscheidung des Gerichts: Abmahnungen, mit denen der Arbeitgeber die Amtsausübung von Betriebsratsmitgliedern rügt und Sanktionen nach § 23 Abs. 1 BetrVG androht (sog. betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen), dürfen unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit nicht in die Personalakten der Betriebsratsmitglieder aufgenommen werden. Sowohl das betroffene Mitglied, als auch das Gremium als solches können die Entfernung der Abmahnungen aus ihren Personalakten verlangen und nötigenfalls im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren durchsetzen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Es ist umstritten, ob der Arbeitgeber Betriebsratsmitglieder auch für ein Verhalten im Rahmen ihres Amtes abmahnen darf, in der Personalakte hat eine solche Abmahnung jedenfalls nichts zu suchen. Aber Vorsicht: Bei Ab­mah­nun­gen we­gen un­be­rech­tig­ter Be­triebs­rats­schu­lung verhält es sich anders, da hier konkrete Ansprüche ei­nes ein­zel­nen Betriebsratsmitglieds - nämlich die Freistellung - im Streit stehen, die nicht ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Fragen zum Inhalt haben. Hier wird überwiegend vertreten, dass entsprechende Ansprüche nur vom je­wei­li­gen Betriebsratsmitglied im Ur­teils­ver­fah­ren ge­gen den Ar­beit­ge­ber durch­ge­setzt wer­den können (vgl. LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 02.01.2012, 10 Ta 1993/11).

SPEZIAL SEMINAR

Verstoß des Arbeitgebers gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit
Entwickeln Sie als Betriebsrat angemessene Reaktionsmöglichkeiten
Benachteiligung wegen der Religion bei der Kirche

Arbeitsgericht Karlsruhe, Urteil vom 18.09.2020, Az.: 1 Ca 171/1
Arbeitgeber sollten bei Stellenausschreibungen stets diskriminierungsfrei handeln. Nicht, dass es ihnen so geht, wie dem kirchlichen Arbeitgeber in diesem Fall.

Der Fall: Es ging um eine Stellenausschreibung bei einer Kirche. Die Bewerberinnen und Bewerber wurden aufgefordert, ihre Bewerbungsunterlagen unter Angabe der Konfession zu übermitteln. Eine Rechtsanwaltsfachangestellte bewarb sich, teilt aber gleich mit, dass sie Atheistin sein. Als die Stelle dann eine andere Bewerberin vergeben wurde, verlangte sie 10.000 € Entschädigung.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Richter sahen ebenfalls eine Diskriminierung, haben allerdings eine Entschädigung von 1,5 Bruttomonatsvergütungen, also etwas mehr als 5.000 €, als gerechtfertigt angesehen. Die Aufforderung in der Stellenanzeige, die Konfession anzugeben, war ein ausreichendes Indiz für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nach § 22 AGG. Als berufliche Anforderung taugte die Angehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft nicht. Das wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn sie angesichts des Ethos der Kirche und der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Erbringung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Die Darlegungs- und Beweislast für eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung trägt dann der Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer genügend Indizien für eine Diskriminierung vortragen kann. Arbeitnehmer sollten deshalb entsprechende Indizien sichern.

SPEZIAL SEMINAR

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Sich als BR aktiv gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz einsetzen
Kündigung wegen rassistischer Äußerungen

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 02.11.2020, Az.: 1 BvR 2727/19
Auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts darf ein Arbeitnehmer entlassen werden, der sich rassistisch äußert.

Der Fall: Ein Mitglied eines Betriebsrats hatte sich gegenüber einem dunkelhäutigen Kollegen abfällig geäußert und versucht, affenähnliche Geräusche nachzumachen mit den Worten „Ugah, Ugah!“.  Er war bereits einmal ergebnislos wegen einer vergleichbaren Äußerung abgemahnt worden. Der Arbeitgeber kündigte deshalb fristlos. Der Arbeitnehmer klagte vergeblich durch alle Instanzen. Dann legte er eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein und meinte, die Urteile der Arbeitsgerichte hätten ihn in seinem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit verletzt.

Die Entscheidung des Gerichts: Das sahen die Karlsruher Richter allerdings anders. Die Verfassungsbeschwerde war unzulässig, da der Arbeitnehmer seine Beschwerde nicht ausreichend begründet hatte. Sie hielten die Verfassungsbeschwerde aber auch für unbegründet. Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit tritt zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde anderer Personen antasten. Das gilt vor allem, wenn es sich dabei um Beleidigungen handelt.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Wenn es einen Grund für eine fristlose Kündigung gibt, sollte stets an die 2-Wochen-Frist aus § 626 Abs. 2 BGB gedacht werden. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist eine fristlose Kündigung nicht möglich. Bei rassistischen Vorfällen sollte der Betriebsrat sofort einschreiten. Denn das ist seine Aufgabe aus § 75 BetrVG.

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Webinar: Arbeitsrecht Teil 3
Kernthema Kündigung: Wichtiges Wissen für Ihre BR-Arbeit

Testen Sie Ihr Betriebsratswissen
Die Auflösung

Darf der Arbeitgeber Arbeit im Home-Office anordnen?

Nicht alle Arbeitnehmer sind froh, im Home-Office arbeiten zu dürfen. Doch kann der Arbeitnehmer sich dagegen wehren?

Diese Frage lässt sich naturgemäß nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Zunächst ist ein Blick in den Arbeitsvertrag der Parteien ganz wichtig. Denn wenn es eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien gibt, kann natürlich der Arbeitgeber auch in den Grenzen der Vereinbarung die Arbeiten im Home-Office anordnen. Dabei hat er die Grenzen des ordnungsgemäßen Ermessens aus den §§ 106 GewO, 315 BGB zu beachten. Gibt es eine solche Vereinbarung im Arbeitsvertrag nicht, wären sich vermutlich alle Arbeitsrechtler bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie einig gewesen, dass ein solches Recht des Arbeitgebers auf eine Anordnung der Arbeit im Home-Office grundsätzlich nicht besteht. Das dürfte nunmehr allerdings infrage zu stellen sein. Es dürfte bei erheblichen wirtschaftlichen Folgen für den Arbeitgeber ein Recht bestehen, den Arbeitnehmer ins Home-Office zu schicken. Dabei ist aber jeder Einzelfall besonders zu betrachten.

Kein Anspruch auf Home-Office

Andersherum kann der Arbeitnehmer bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung auch nicht beanspruchen, im Home-Office arbeiten zu dürfen. Das gilt jedenfalls so lange, wie die Politik eine Gesetzesänderung nicht beschlossen hat.

Gleichbehandlungsgrundsatz beachten

Es gibt aber auch noch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Gestattet der Arbeitgeber einigen Arbeitnehmern die Arbeit im Home-Office, dürfte eine Verweigerung bei anderen Arbeitnehmern ohne einen sachlichen Grund nicht rechtmäßig sein. Selbst, wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Attest vorlegt und behauptet, wegen der Corona-Pandemie erheblich schützenswert zu sein, hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf ein Arbeiten im Home-Office oder einen Einzelarbeitsplatz. Allein dem Arbeitgeber obliegt es, wie er seinen Verpflichtungen zum Schutz der Arbeitnehmer gerecht wird. (Arbeitsgericht Augsburg, Urteil vom 07.05.2020, Az.: 3 Ga 9/20).

Neues Gesetz im Entwurf

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine Gesetzesinitiative für eine gesetzliche Regelung zur mobilen Arbeit auf den Weg gebracht. Mit dem Gesetz soll unter anderem die Erfassung von Arbeitszeiten und der Unfallversicherungsschutz geregelt werden. Im Unterschied zu dem inoffiziellen Referentenentwurf enthält der nun vorgelegte Entwurf keinen Anspruch auf regelmäßige mobile Arbeit bis zu 24 Tage im Jahr.

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Home-Office und mobiles Arbeiten
Besonderheiten flexibler Arbeitsplatzmodelle auf den Punkt gebracht

Podcast-Empfehlung des Monats
Ausblick auf 2021: Neue Regelungen im Arbeitsrecht

Aktuell zu sein und zu bleiben ist wichtig! Vor allem als BR-Mitglied, denn ohne aktuelle Informationen geht die BR-Arbeit ins Leere. Deshalb geben in diesem Podcast Arne Schrein und Niklas Pastille einen Ausblick auf das Betriebsrats-Jahr 2021.

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Als BR für sicheres und gesundes Arbeiten im Home-Office Sorge tragen.

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