Corona wird zu Kündigungen führen. Doch wann ist
eine coronabedingte Kündigung möglich? Nach dem Kündigungsschutzgesetz muss eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Und das ist sie eben nur, wenn betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte
Kündigungsgründe vorliegen.
Die personenbedingte Corona-Kündigung
Natürlich kann eine Kündigung durch den Arbeitgeber grundsätzlich auf einen Grund, der in der Person eines Arbeitnehmers liegt, gestützt werden. Aber um es vorwegzunehmen: Es dürften nur sehr große
Ausnahmefälle denkbar sein, in denen der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung auf die Erkrankung eines Arbeitnehmers mit Covid-19 stützen kann. Wir werden im Laufe des Beitrages sehen, dass stets
eine negative Prognose für eine krankheitsbedingte Kündigung erforderlich ist. Das dürfte bei Covid-19 in aller Regel nicht der Fall sein. Auch eine Quarantäneanordnung der Gesundheitsbehörde, die zu einem
Beschäftigungsverbot führt, wird eine personenbedingte Kündigung in aller Regel nicht rechtfertigen können. Die betrieblichen Auswirkungen dürften gering sein, da der Arbeitgeber das gezahlte Gehalt nach
dem Infektionsschutzgesetz ersetzt bekommen kann. Außerdem ist die Kündigung stets die letzte Maßnahme, die für den Arbeitgeber möglich sein darf.
Ein kurzer Blick auf die verhaltensbedingte Kündigung
Wenn ein Mitarbeiter seine Erkrankung nicht mitteilt und so andere Arbeitnehmer gefährdet, kann durchaus über eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber nachgedacht werden. Hier sind erhebliche
Risiken für den Arbeitnehmer denkbar.
Drei-Wochen-Frist beachten
Egal welche Kündigung ausgesprochen wird: Arbeitnehmer haben die 3-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage zu beachten. Betriebsräte sollten ihre Kolleginnen und Kollegen daran erinnern.
Die Rolle des Betriebsrats bei der krankheitsbedingten Kündigung
Wie vor jeder anderen Kündigung auch muss der Arbeitgeber vor der personenbedingten Kündigung eines Kollegen seinen Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG anhören.
Hat der Betriebsrat gegen die ordentliche Kündigung Einwendungen, sollte er diese schriftlich mitteilen. Dabei hat er sich zwangsläufig an den gesetzlich vorgegebenen Widerspruchsgründen des § 102 Abs. 3
BetrVG zu orientieren. Anders als bei einer betriebsbedingten oder verhaltensbedingten Kündigung sind sämtliche 5 Widerspruchsgründe bei der krankheitsbedingten Kündigung äußerst praxisrelevant:
- Der Arbeitgeber hat bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte wie das Alter oder die Betriebszugehörigkeitszeit nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Kündigung verstößt gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG, also zum Beispiel gegen eine Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM).
Der Arbeitnehmer kann an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden.
Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich.
Eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters ist zumindest unter geänderten Vertragsbedingungen möglich und er hat dazu sein Einverständnis erklärt.
Die Kündigungsvoraussetzungen: Die Arbeitsunfähigkeit als Kündigungsgrund
Krankheit an sich ist natürlich noch kein Kündigungsgrund. Dazu müssen stets die nachfolgenden 3 Voraussetzungen vorliegen (BAG, Urteil vom 20.1.2000, Az. 2 AZR 378/99). Diese 3 Stufen muss Ihnen der
Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung darlegen:
1. Stufe: Negative Zukunftsprognose
Der Arbeitgeber muss davon ausgehen können, dass in Zukunft mit weiteren Erkrankungen des Arbeitnehmers zu rechnen ist, wie etwa bei chronischen Erkrankungen. Liegt keine negative Gesundheitsprognose vor,
scheitert die krankheitsbedingte Kündigung bereits.
2. Stufe: Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen
Zusätzlich zur negativen Gesundheitsprognose muss der Arbeitgeber darlegen können, dass durch die krankheitsbedingte Abwesenheit des Mitarbeiters die betrieblichen Interessen nachhaltig beeinträchtigt
werden. Dies ist bei
- Störungen im Arbeitsablauf oder
- bei wirtschaftlichen Belastungen der Fall. In aller Regel wird der Arbeitgeber auch die Entgeltfortzahlungskosten als Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen heranziehen. Diese muss er ganz genau
aufschlüsseln.
Der Arbeitgeber hat konkret darzulegen, welche Betriebsablaufstörungen vorliegen:
- Wie sehen die Störungen aus und wie haben sie sich ausgewirkt?
- Gab es Umorganisationen?
- Mit welchen Konsequenzen war das verbunden?
- Musste der Arbeitgeber eine Ersatzkraft suchen, einstellen und bezahlen?
3. Stufe: Interessenabwägung
Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber stets eine Interessenabwägung machen. Zu klären ist, ob es
- trotz negativer Zukunftsprognose und
- trotz erheblicher Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen
- Aspekte gibt, die das Beschäftigungsinteresse des Kollegen dem Kündigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegen lassen.
Im Rahmen der Interessenabwägung spielen viele Faktoren eine Rolle. Zugunsten des Arbeitnehmers wirkt sich insbesondere aus:
- Lag ein Arbeitsunfall vor?
- Wie lange hat der Mitarbeiter schon dem Betrieb angehört?
- Wie alt ist der Kollege?
- Hat er Unterhaltspflichten?
- Gibt es Möglichkeiten, den Mitarbeiter auf eine andere Stelle umzusetzen oder seine Arbeitskraft wenigstens zum Teil wiederherzustellen?
Leidensgerechter Arbeitsplatz
Bei der Prüfung, ob es einen leidensgerechten Arbeitsplatz gibt, hat der Arbeitgeber auch zu berücksichtigen, ob der Mitarbeiter nach einer entsprechenden Schulung oder Fortbildung auf einem anderen
Arbeitsplatz eingesetzt werden kann.
Kann der Arbeitgeber den Arbeitsplatz im Wege des Direktionsrechts frei machen, muss er dies auch tun. So könnte er einen Mitarbeiter vom leidensgerechten Arbeitsplatz versetzen und den Arbeitsplatz dem
Kranken zuweisen. Freikündigen oder gar neu erschaffen muss er einen leidensgerechten Arbeitsplatz hingegen nicht.
Fallgruppen bei einer krankheitsbedingten Kündigung
Es gibt verschiedene Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung. Bei jeder einzelnen aber muss der Arbeitgeber das soeben dargestellte 3-Stufen-Schema durchgehen!
1. Fallgruppe: Häufige Kurzerkrankungen
Häufige Kurzerkrankungen liegen vor, wenn der Arbeitnehmer zwar immer nur für ein paar Tage krank ist, dafür aber oft. Der Arbeitgeber muss sich hier die Frage stellen, ob es die ernsthafte Vermutung
weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang gibt. Allerdings fordert die Rechtsprechung, dass sich die relevanten Fehlzeiten über einen Zeitraum von gut 3 Jahren erstrecken müssen. Außerdem müssen die
Fehlzeiten pro Jahr insgesamt deutlich über 6 Wochen liegen. Beruhen die häufigen Ausfälle auf ausgeheilten Leiden oder einmaligen Vorkommnissen (Verkehrsunfall, Blinddarmoperation, Beinbruch beim
Skiunfall, usw.), scheidet eine negative Prognose und damit eine Kündigung aus.
2. Fallgruppe: Lang andauernde Erkrankung
Neben den häufig Kurzerkrankten gibt es viele Arbeitnehmer, die dauerhaft bzw. über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig sind. Auch hier sind die Erfolgsaussichten einer Kündigung immer nach dem
3-Stufen-Schema des BAG zu prüfen! Lässt die Erkrankung den Schluss zu, dass der Mitarbeiter auch in absehbarer Zeit seine Arbeit nicht wieder aufnehmen wird? Für die Prognose sind ebenfalls die Fehlzeiten
aus der Vergangenheit heranzuziehen: Ist der Arbeitnehmer etwa schon mehr als 9 Monate arbeitsunfähig und kann er keinen Gesundungstermin mitteilen, liegt häufig eine negative Prognose vor.
3. Fallgruppe: Krankheitsbedingte dauernde Arbeitsunfähigkeit
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen Kollegen so schwer erkranken, dass sie ihre ursprüngliche Leistungsfähigkeit nicht mehr wiedererlangen. Solche Fälle sind natürlich höchst kündigungsrelevant. Im
Rahmen der negativen Prognose reicht es hier aus, wenn in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Gesundung zu rechnen ist. Da aufgrund der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit die Beeinträchtigung der
betrieblichen Interessen deutlich ist, muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung nur prüfen, ob er den Arbeitnehmer nicht auf einen freien leidensgerechten Arbeitsplatz umsetzen kann.
4. Fallgruppe: Krankheitsbedingte Leistungsminderung
Eine Krankheit kann einen Kollegen so mitnehmen, dass er zwar noch arbeiten kann, aber nicht mehr so wie früher. Im Rahmen der negativen Prognose muss der Arbeitgeber klären, ob der Arbeitnehmer auch künftig
dauernd und in erheblichem Umfang Minderleistungen erbringen wird. Dabei haben erhebliche Leistungsminderungen in der Vergangenheit Indizwirkung für die Zukunft. Bei der Beeinträchtigung der dienstlichen
Interessen verlangt das Bundesarbeitsgericht eine Minderleistung auf 2⁄3 der Normalleistung. Auch hier muss der Arbeitgeber prüfen, ob die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem leidensgerechten
Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Ist das der Fall, muss er ihm diesen Arbeitsplatz anbieten. Eine Kündigung scheidet aus. Was die Interessensabwägung betrifft, gelten die Ausführungen zu den häufigen
Kurzerkrankungen entsprechend.
Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)
Jeder Arbeitgeber muss vor der Kündigung prüfen, ob es nicht mildere Maßnahmen als die Entlassung gibt. So eine mildere Maßnahme kann ein BEM sein. Er muss also vor der Kündigung zumindest prüfen, ob die
Arbeitskraft des zu kündigenden Mitarbeiters nicht schrittweise wieder aufgebaut werden kann.