Auch Betriebsratsmitglieder sind nicht
unkündbar, aber doch besonders geschützt. Sie sollten wissen, wie Sie bei der beabsichtigten Kündigung eines Betriebsratsmitglieds vorgehen und welche Fristen es gibt.
Zu dem durch § 15 KSchG geschützten Personenkreis gehören
- die Mitglieder des Betriebsrats (einschließlich nachgerückter oder vorübergehend tätiger Ersatzmitglieder),
- die Jugend- und Auszubildendenvertretung
- die Mitglieder des Wahlvorstands und
- die Wahlbewerber für diese Organe.
Die Dauer des besonderen Kündigungsschutzes
Für die Betriebsratsmitglieder besteht der besondere Kündigungsschutz des § 15 KSchG während ihrer gesamten Amtszeit. Dies bedeutet, dass eine ordentliche Kündigung unzulässig ist, eine außerordentliche
Kündigung neben eines wichtigen Grundes auch der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Tatsächlich gibt es nur einen Fall, in dem einem Betriebsratsmitglied – ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats nach §
103 BetrVG – unter Umständen gekündigt werden kann und zwar bei der Stilllegung des gesamten Betriebs nach § 15 Abs. 4 KSchG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.07.2007, Az.: 8 AZR 769/06).
Nach der Beendigung des Amtes beginnt der nachwirkende Kündigungsschutz. Der besagt, dass die ordentliche Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit gerechnet, unzulässig
ist. Einer Zustimmung des Betriebsrats für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung wird hingegen nicht mehr benötigt.
Beispiel:
Beginn der Amtszeit: 30.05.2020
Ende der Amtszeit: 30.05.2024
Ende des Kündigungsschutzes: 30.05.2025
Ersatzmitglieder
Der besondere Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder beginnt mit der Vertretung des verhinderten Betriebsratsmitglieds, ohne Rücksicht auf die
Wahrnehmung konkreter Geschäfte des Betriebsrats und auch, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Vertretungsfall nicht vorgelegen hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.03.1988, Az.: 2 AZR
576/87).
Diese Frist beginnt bei jeder weiteren Vertretung erneut zu laufen!
Der Kündigungsschutz endet ein Jahr nach Beendigung der Ersatzmitgliedschaft. Das gilt unabhängig davon, wie lange die Vertretung gedauert hat.
Beispiel:
Vertretung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds in einer Betriebsratssitzung am: 31.05.2020
Ende des Kündigungsschutzes: 31.05.2021
Ausgeschlossen ist der Kündigungsschutz des § 15 KSchG, wenn der Vertretungsfall fingiert wurde oder das Ersatzmitglied weiß, dass kein Vertretungsfall vorliegt und sich trotzdem in den Posten drängt
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.02.2004, Az.: 2 AZR 163/03).
Mitglieder des Wahlvorstands
Ab der Bestellung beginnt der besondere Kündigungsschutz für Mitglieder des Wahlvorstands. Er endet 6 Monate nach Bekanntgabe der endgültigen Wahlergebnisse.
Beispiel:
Bestellung des Wahlvorstandmitglieds: 12.01.2020
Bekanntgabe der Wahlergebnisse: 15.05.2020
Ende des Kündigungsschutzes: 15.11.2020
Wahlbewerber
Der Kündigungsschutz beginnt ab Aufstellung des Wahlvorschlags und endet 6 Monate nach Bekanntgabe der endgültigen Wahlergebnisse.
Beispiel:
Aufstellung des Wahlvorschlags: 14.03.2020
Bekanntgabe der Wahlergebnisse: 15.05.2020
Ende des speziellen Kündigungsschutzes: 15.11.2020
Initiatoren der erstmaligen Wahl
Mit der Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands beginnt der Kündigungsschutz und endet mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
Beispiel:
Einladung zur Betriebsversammlung: 20.01.2020
Bekanntgabe der Wahlergebnisse: 15.05.2020
Kündigungsschutz bei der außerordentlichen Kündigung
Sofern eine ordentliche Kündigung unzulässig ist, kommt auch nur eine außerordentliche Kündigung mit Zustimmung des Betriebsrats in Betracht.
Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, muss der Arbeitgeber zunächst ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG einleiten.
Beispiele für zulässige fristlose Kündigungen eines Betriebsratsmitglieds:
- Vorsätzliche unwahre Sachverhaltsdarstellung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zur Weiterbeschäftigung (versuchter Prozessbetrug) (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 12.04.2010, Az.: 2 Sa
819/09)
- Morddrohung gegenüber einer Arbeitskollegin (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 20.11.2009, Az.: 13 TaBV 42/09)
- Unterschlagung von Geldern bei krankhafter Spielsucht (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 07.08.2209, Az.: 10 TaBV 31/09)
- Unerlaubte private Telefongespräche, die über die betriebliche Fernsprechanlage auf Kosten des Arbeitgebers geführt werden (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 28.11.2008, Az.: 10 Sa 1921/07)
- Bezeichnung der Zustände im Betrieb als „schlimmer als in einem KZ" (Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 03.09.2008, Az.: 8 TaBV 10/08)
- Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 25.05.2007, Az.: 13 TaBV 115/06)
- Vorsätzliche falsche eidesstattliche Versicherung in einem Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.11.2005, Az.: 2 ABR 55/04)
- Monatelange sexuelle Belästigung durch körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts (Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.01.2004, Az.: 13 TaBV 113/03)
- Mitstempeln der Zeiterfassungskarte eines anderen Arbeitnehmers (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 08.09.1988, Az.: 2 ABR 18/88)
- Eigenmächtige Urlaubsnahme trotz ausdrücklichen Verbots (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.01.1998, Az.: 2 ABR 19/97).