Der Sonderkündigungsschutz des Betriebsrats | Betriebsratssitzungen trotz Corona | Wie kann der Betriebsrat Mobbing von vornherein verhindern?

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

als Betriebsratsmitglied sind Sie im Fall einer Kündigung in einer sehr guten Ausgangslage. Denn auch wenn die Kündigungswelle coronabedingt in Ihrem Betrieb rollt: Sie sind besonders geschützt. Der Gesetzgeber hat in § 15 Kündigungsschutzgesetz einen Sonderkündigungsschutz für Sie geregelt. Das bedeutet, dass die ordentliche Kündigung während Ihrer Amtszeit grundsätzlich unzulässig ist. Wir haben uns in unserem Top-Thema damit einmal näher auseinandergesetzt.

Ebenfalls klären wir, ob und wann der Arbeitgeber die Pflicht zum Tragen einer Maske am Arbeitsplatz anordnen darf und welche Rechte Sie als Betriebsrat in diesem Fall haben.

Natürlich haben wir für Sie auch wieder die wichtigsten Urteile der vergangenen Monate zusammengestellt. Besonderes Augenmerk gilt hierbei der aktuellen Entscheidung zur Frage, ob der Arbeitgeber dem Betriebsrat verbieten darf, sich trotz Corona zu Präsenzversammlungen zu treffen.

Herzliche Grüße

Ihre W.A.F.

Top-Thema des Monats
Der Sonderkündigungsschutz des Betriebsrats

Auch Betriebsratsmitglieder sind nicht unkündbar, aber doch besonders geschützt. Sie sollten wissen, wie Sie bei der beabsichtigten Kündigung eines Betriebsratsmitglieds vorgehen und welche Fristen es gibt.

Zu dem durch § 15 KSchG geschützten Personenkreis gehören

  • die Mitglieder des Betriebsrats (einschließlich nachgerückter oder vorübergehend tätiger Ersatzmitglieder),
  • die Jugend- und Auszubildendenvertretung
  • die Mitglieder des Wahlvorstands und
  • die Wahlbewerber für diese Organe.

 

Die Dauer des besonderen Kündigungsschutzes

Für die Betriebsratsmitglieder besteht der besondere Kündigungsschutz des § 15 KSchG während ihrer gesamten Amtszeit. Dies bedeutet, dass eine ordentliche Kündigung unzulässig ist, eine außerordentliche Kündigung neben eines wichtigen Grundes auch der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Tatsächlich gibt es nur einen Fall, in dem einem Betriebsratsmitglied – ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG – unter Umständen gekündigt werden kann und zwar bei der Stilllegung des gesamten Betriebs nach § 15 Abs. 4 KSchG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.07.2007, Az.: 8 AZR 769/06).

Nach der Beendigung des Amtes beginnt der nachwirkende Kündigungsschutz. Der besagt, dass die ordentliche Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit gerechnet, unzulässig ist. Einer Zustimmung des Betriebsrats für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung wird hingegen nicht mehr benötigt.

Beispiel:

Beginn der Amtszeit: 30.05.2020
Ende der Amtszeit: 30.05.2024
Ende des Kündigungsschutzes: 30.05.2025

 

Ersatzmitglieder

Der besondere Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder beginnt mit der Vertretung des verhinderten Betriebsratsmitglieds, ohne Rücksicht auf die Wahrnehmung konkreter Geschäfte des Betriebsrats und auch, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Vertretungsfall nicht vorgelegen hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.03.1988, Az.: 2 AZR 576/87).

Diese Frist beginnt bei jeder weiteren Vertretung erneut zu laufen!

Der Kündigungsschutz endet ein Jahr nach Beendigung der Ersatzmitgliedschaft. Das gilt unabhängig davon, wie lange die Vertretung gedauert hat.

Beispiel:

Vertretung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds in einer Betriebsratssitzung am: 31.05.2020
Ende des Kündigungsschutzes: 31.05.2021

Ausgeschlossen ist der Kündigungsschutz des § 15 KSchG, wenn der Vertretungsfall fingiert wurde oder das Ersatzmitglied weiß, dass kein Vertretungsfall vorliegt und sich trotzdem in den Posten drängt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.02.2004, Az.: 2 AZR 163/03).

 

Mitglieder des Wahlvorstands

Ab der Bestellung beginnt der besondere Kündigungsschutz für Mitglieder des Wahlvorstands. Er endet 6 Monate nach Bekanntgabe der endgültigen Wahlergebnisse.

Beispiel:

Bestellung des Wahlvorstandmitglieds: 12.01.2020
Bekanntgabe der Wahlergebnisse: 15.05.2020
Ende des Kündigungsschutzes: 15.11.2020

 

Wahlbewerber

Der Kündigungsschutz beginnt ab Aufstellung des Wahlvorschlags und endet 6 Monate nach Bekanntgabe der endgültigen Wahlergebnisse.

Beispiel:

Aufstellung des Wahlvorschlags: 14.03.2020
Bekanntgabe der Wahlergebnisse: 15.05.2020
Ende des speziellen Kündigungsschutzes: 15.11.2020

 

Initiatoren der erstmaligen Wahl

Mit der Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands beginnt der Kündigungsschutz und endet mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Beispiel:

Einladung zur Betriebsversammlung: 20.01.2020
Bekanntgabe der Wahlergebnisse: 15.05.2020

 

Kündigungsschutz bei der außerordentlichen Kündigung

Sofern eine ordentliche Kündigung unzulässig ist, kommt auch nur eine außerordentliche Kündigung mit Zustimmung des Betriebsrats in Betracht. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, muss der Arbeitgeber zunächst ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG einleiten.

 

Beispiele für zulässige fristlose Kündigungen eines Betriebsratsmitglieds:

  • Vorsätzliche unwahre Sachverhaltsdarstellung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zur Weiterbeschäftigung (versuchter Prozessbetrug) (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 12.04.2010, Az.: 2 Sa 819/09)
  • Morddrohung gegenüber einer Arbeitskollegin (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 20.11.2009, Az.: 13 TaBV 42/09)
  • Unterschlagung von Geldern bei krankhafter Spielsucht (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 07.08.2209, Az.: 10 TaBV 31/09)
  • Unerlaubte private Telefongespräche, die über die betriebliche Fernsprechanlage auf Kosten des Arbeitgebers geführt werden (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 28.11.2008, Az.: 10 Sa 1921/07)
  • Bezeichnung der Zustände im Betrieb als „schlimmer als in einem KZ" (Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 03.09.2008, Az.: 8 TaBV 10/08)
  • Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 25.05.2007, Az.: 13 TaBV 115/06)
  • Vorsätzliche falsche eidesstattliche Versicherung in einem Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.11.2005, Az.: 2 ABR 55/04)
  • Monatelange sexuelle Belästigung durch körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts (Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.01.2004, Az.: 13 TaBV 113/03)
  • Mitstempeln der Zeiterfassungskarte eines anderen Arbeitnehmers (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 08.09.1988, Az.: 2 ABR 18/88)
  • Eigenmächtige Urlaubsnahme trotz ausdrücklichen Verbots (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.01.1998, Az.: 2 ABR 19/97).

GRUNDLAGEN

Betriebsverfassungsrecht Teil I
Das Einsteiger-Seminar für alle Betriebsräte

Nicht ohne den Betriebsrat
Maskenpflicht am Arbeitsplatz

Was der Arbeitgeber zum Schutz seiner Angestellten tun darf und muss, hängt mit den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsschutzes sowie mit der sogenannten Fürsorgepflicht zusammen, die sich unter anderem auf § 618 BGB stützt. Insbesondere müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass Angestellte ihre Arbeit gefahrlos ausüben können. Die seit 11.08.2020 gültige SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel konkretisiert hierbei die Anforderungen an den Arbeitsschutz aufgrund des Coronavirus.

Grundsätzlich gilt: Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung muss erforderlich sein. So braucht beispielsweise jemand, der allein im Raum ist, keine Maske zu tragen. Immer jedoch, wenn es Kundenkontakt gibt oder Arbeitnehmer untereinander eng zusammenarbeiten, kann der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht und des Arbeitsschutzes das Tragen einer Maske anordnen.

 

Der Betriebsrat bestimmt mit

Beim Thema Maskenpflicht im Betrieb greift das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG:

„Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“ (…)

Wenn der Arbeitgeber also im Betrieb das Tragen einer Schutzmaske anordnen will, muss er das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachten.

Aber auch der Betriebsrat kann die Initiative ergreifen und die Einführung von Schutzmaßnahmen verlangen. Hierbei sollten Sie aber im Vorfeld das Gespräch mit den Kollegen suchen und abwägen, ob die Pflicht zum Tragen einer Maske tatsächlich Sinn macht.

TOP AKTUELL

Gefährdungsbeurteilung zur Infektionsprävention
Antworten zu aktuellen Fragen zum Thema Arbeitsschutz und Corona

Testen Sie Ihr Betriebsratswissen
In welchen Fällen muss der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?

Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, in denen ein Arbeitgeber eine Abfindung zahlen muss. Wissen Sie, welche das sind?

Die Antwort finden Sie am Ende des Newsletters.

Video-Empfehlung des Monats
Coronaverdacht: Muss der Arbeitgeber informiert werden?

Muss ich meinen Arbeitgeber über einen Coronaverdacht informieren? Normalerweise muss eine Erkrankung nicht dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Bei Corona gibt es aber spezielle Vorschriften und Rahmenbedingungen. Und wie sieht es mit der Corona-Warn-App aus? Ansgar Dittmar, Fachanwalt für Arbeitsrecht erklärt, was zu beachten ist.

Zum Video  ➜

Aktuelles aus dem Arbeitsgericht
Betriebsratssitzungen trotz Corona

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.08.2020, Az.: 12 TaBVGa 1015/20
Der Arbeitgeber darf sich nicht in die interne Betriebsratsarbeit einmischen. Insbesondere darf er nicht wegen Corona generell Präsenzsitzungen verbieten.

Der Fall: Ein Arbeitgeber, der eine Reha-Klinik betrieb, hatte dem bei ihm gebildeten Gesamtbetriebsrat die Durchführung von Präsenzversammlungen wegen Corona verboten. Er verwies auf die Möglichkeit, Video- oder Telefonkonferenzen durchzuführen nach dem neuen § 129 Betriebsverfassungsgesetz. Er begründete das Verbot mit dem höheren Infektionsrisiko, wenn die Mitglieder des Gesamtbetriebsrats überregional zusammentreffen würden. Der Gesamtbetriebsrat akzeptierte das nicht und zog vor das Arbeitsgericht. Er meinte, dass geheime Wahlen durchzuführen seien und dass das für den Veranstaltungsort geltende Hygienekonzept eingehalten werde.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Landesarbeitsgericht war auf Seiten des Betriebsrats. Es urteilte, dass es Aufgabe des Vorsitzenden ist, darüber zu entscheiden, wie die Sitzung durchgeführt wird. Der Arbeitgeber hat insoweit grundsätzlich kein Mitspracherecht. Die Präsenzversammlung durfte nach Ansicht des Gerichts durchgeführt werden, weil

  • eine geheime Wahl bevorstand, die nicht in einer Video- bzw. Telefonkonferenz durchgeführt werden konnte und
  • die für den Veranstaltungsort geltenden Hygiene-Auflagen eingehalten werden.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Das Restrisiko einer Infektion von Mitarbeitern ist in einem solchen Fall für den Arbeitgeber zumutbar. Zwar sehen die Arbeitsschutzregeln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor, dass Geschäftsreisen und Besprechungen, in denen Mitarbeiter persönlich aufeinandertreffen, so weit wie möglich zu reduzieren sind. Im Hinblick auf den Betriebsrat und seine Sitzungen sind dem Arbeitgeber jedoch Grenzen gesetzt.

NEU

Arbeits- und Gesundheitsschutz Teil III
Mitbestimmungsmöglichkeiten kennen - Praxis-Seminar für den BR
Neues zur Betriebsratsanhörung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.05.2020, Az.: 2 AZR 678/19
Der Arbeitgeber hat seinen Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Ob unter anderem ein Sonderkündigungsschutz mitzuteilen ist, hat das Bundesarbeitsgericht nun entschieden.

Der Fall: Ein Arbeitnehmer sollte eine außerordentliche fristlose Kündigung erhalten. Der Arbeitgeber beteiligte seinen Betriebsrat insoweit ordnungsgemäß, teilte jedoch zwei Dinge nicht mit. Er verschwieg seinem Betriebsrat, wann die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB für den Ausspruch der fristlosen Kündigung abläuft und er teilte nicht mit, dass der Arbeitnehmer tariflich ordentlich unkündbar war. Da jedoch der Betriebsrat umfassend zu beteiligen und zu informieren ist, meinte der Arbeitnehmer nun, die Kündigung sei deshalb unwirksam und griff sie durch eine Kündigungsschutzklage an. Schließlich ging die Angelegenheit bis zum Bundesarbeitsgericht.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Bundesarbeitsgericht stellte sich auf die Seite des Arbeitgebers. Die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist von 2 Wochen gehört nicht zu den „Gründen für die Kündigung", über die der Arbeitgeber den Betriebsrat unterrichten muss. Außerdem musste der Arbeitgeber für die fristlose Kündigung dem Betriebsrat den tariflichen Sonderkündigungsschutz nicht mitteilen. Nach dem Tarifvertrag war gerade die Option einer fristlosen Kündigung möglich. Deshalb wurden dem Betriebsrat hier keinerlei Einwände abgeschnitten.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Verlangen Sie als Betriebsrat trotzdem stets eine umfangreiche Information von Ihrem Arbeitgeber. Vieles spricht dafür, dass die Entscheidung sehr Einzelfall bezogen ist. In aller Regel wird zumindest die Mitteilung eines unter Umständen bestehenden Sonderkündigungsschutzes auch weiterhin zwingend erforderlich sein.

GRUNDLAGEN

Arbeitsrecht Teil III
Kernthema Kündigung: Wichtiges Wissen für Ihre BR-Arbeit
Die Prozessbeschäftigung

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.03.2020, Az.: 5 Sa 1932/19
Eine Prozessbeschäftigung begründet kein neues Arbeitsverhältnis.

Der Fall: Eine Arbeitnehmerin sollte eine krankheitsbedingte Kündigung erhalten. Der Betriebsrat widersprach dieser Kündigung. Der Arbeitgeber kündigte trotzdem und die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage. Daraufhin verlangte die Arbeitnehmerin vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses nach den Vorschriften des § 102 Abs. 5 BetrVG. Das ist dann möglich, wenn der Betriebsrat einer Kündigung ordnungsgemäß widersprochen hat. Die Arbeitnehmerin arbeitete daraufhin bis zum rechtskräftigen Abschluss ihres Kündigungsschutzprozesses beim Arbeitgeber weiter. Anschließend war sie der Ansicht, durch die Prozessbeschäftigung sei ein neues Arbeitsverhältnis entstanden und klagte erneut.

Die Entscheidung des Gerichts: Es gab kein neues Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmerin hatte kein Angebot auf den Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses abgegeben, sondern vielmehr hatte sie vom Arbeitgeber die Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs eingefordert. Hieraus entsteht aber kein neues Arbeitsverhältnis.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Der Betriebsrat sollte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Fall einer Kündigung bestmöglich unterstützen. Bei der Begründung des Widerspruchs zur Kündigung sollte genau gearbeitet werden, da die Widerspruchsgründe im Gesetz abschließend festgeschrieben sind. Nur ein auf diese Gründe gestützter Widerspruch hat die Rechtsfolge eines möglichen Weiterbeschäftigungsanspruchs.

NEU

Arbeitsrecht Teil IV
Wichtige Bereiche des Arbeitsrechts gezielt vertiefen
Geh mal zum Amtsarzt!

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 19.05.2020, Az.: 7 Sa 304/19
Nur, wenn ein Tarifvertrag es vorsieht, kann unter bestimmten Voraussetzungen der Arbeitgeber verlangen, dass ein Arbeitnehmer zum Amtsarzt geht.

Der Fall: Auf das Arbeitsverhältnis mit einem Schreiner fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung. Darin findet sich ein Paragraph, nach dem sich ein Arbeitnehmer bei einer begründeten Veranlassung durch einen Amtsarzt untersuchen lassen muss. Der Schreiner hatte erhebliche Arbeitsunfähigkeitstage und durfte nicht mehr als zehn Kilo heben. Deshalb erhielt er von seinem Arbeitgeber die Aufforderung, beim Amtsarzt vorstellig zu werden. Der Schreiner ging jedoch nicht dorthin und kassierte dafür eine Abmahnung. Gegen die Abmahnung klagte er nun und wollte, dass diese aus der Personalakte entfernt wird.

Die Entscheidung des Gerichts: Den Rechtsstreit hat der Schreiner verloren und die Abmahnung blieb in seiner Personalakte. Das Recht des Arbeitgebers aus dem Tarifvertrag, eine amtsärztliche Untersuchung vom Arbeitnehmer zu verlangen, knüpft an keine weiteren Voraussetzungen wie beispielsweise an die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers an. Schon nach dem Wortlaut der tariflichen Vorschrift war es nicht Voraussetzung der amtsärztlichen Untersuchung, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Untersuchung arbeitsfähig ist. Deshalb war die Anordnung des Arbeitgebers und die dann erteilte Abmahnung in Ordnung.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Eine Verpflichtung zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung gibt es in der Bundesrepublik nicht. Hier bestand die Besonderheit, dass viele Tarifverträge aus dem öffentlichen Bereich eine solche Verpflichtung vorsehen. Das ist jedoch eine große Ausnahme.

NEU

Tarifgebundener Betrieb
Handlungsspielräume des Betriebsrats kennen und nutzen
Die Auflösung des Betriebsrats

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2020, Az.: 14 TaBV 75/19
Schwere Pflichtverstöße darf ein Betriebsrat nicht begehen, sonst droht ihm die Auflösung.

Der Fall: Eine Arbeitgeberin stellte Leichtmetallfelgen her und beschäftigte 700 Mitarbeiter. Der Betriebsrat bestand aus 13 Mitgliedern. Diese hatten sich geweigert, mit dem Personalleiter, den die Arbeitgeberin als zuständigen Ansprechpartner benannt hatte, zusammenzuarbeiten. Der Betriebsrat hatte seine Weigerungshaltung sogar förmlich beschlossen und über einen längeren Zeitraum auch umgesetzt. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin, den Betriebsrat wegen einer groben Vernachlässigung seiner gesetzlichen Pflichten aufzulösen.

Die Entscheidung des Gerichts: Das Landesarbeitsgericht sah die Angelegenheit genauso wie der Arbeitgeber und löste den Betriebsrat auf. Der Betriebsrat hatte grob gegen seine Pflichten verstoßen. Es oblag alleine der Arbeitgeberin, für sie den entsprechenden Ansprechpartner zu bestimmen. Und selbst wenn ein Personalleiter nicht in allen Punkten konform mit dem Betriebsverfassungsrecht gehandelt hatte, durfte der Betriebsrat nicht im Wege der Selbsthilfe die Zusammenarbeit einstellen. Vielmehr hätte er sich mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts zur Wehr setzen müssen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie:

Durch die fehlende Zusammenarbeit mit dem Personalleiter verstieß der Betriebsrat eklatant gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Betriebsräte sollten über ihre gesetzlichen Rechte und Pflichten Bescheid wissen.

LIVE WEBINAR

Live Webinar: Betriebsverfassungsrecht Teil I
Das Einsteiger-Webinar für alle Betriebsräte

Testen Sie Ihr Betriebsratswissen
Die Auflösung

Leider herrscht oft der Irrglaube, dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung haben, wenn der Arbeitgeber sich von ihnen trennen möchte. Denn ein Arbeitnehmer hat grundsätzlich in den meisten Fällen keinen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung. Die Praxis zeigt lediglich, dass die Zahlung einer Abfindung in vielen Fällen die Trennung leichter macht.

 

Kein Mitbestimmungsrecht über die Höhe

Bei der Bemessung der Höhe einer möglichen Abfindungszahlung hat der Betriebsrat übrigens keine Mitbestimmungsrechte. Es bleibt dem Verhandlungsgeschick des Arbeitnehmers überlassen, ob und wie viel Abfindung der Arbeitgeber zahlt.

 

In diesen Fällen ist eine Abfindung Pflicht

Nur in einigen wenigen Ausnahmefällen ist die Zahlung einer Abfindung Pflicht.  Solch eine Zahlungsverpflichtung kann sich aus verschiedenen Rechtsgrundlagen ergeben:

  • tarifvertraglichen Regelungen
  • Sozialplänen
  • bei betriebsbedingten Kündigungen nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG), wenn also die Abfindung vom Arbeitgeber zugesagt wird
  • falls der Arbeitgeber von einem Interessenausgleich abweicht, kann es einen Nachteilsausgleichsanspruch in Form einer Abfindung geben
  • nach einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Kündigungsschutzprozess wegen einer Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung
  • Vergleich im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses oder eines außergerichtlichen Aufhebungsvertrags
  • Aufhebungsvertrag mit Abfindungsregelung

TOP AKTUELL

Betriebsänderung
In Corona-Zeiten umso wichtiger: Interessenausgleich und Sozialplan
Umstrukturierungen in der Corona-Krise
Mit welchen betrieblichen Umstrukturierungen der Betriebsrat in Zeiten der Corona-Krise rechnen muss, erfahren Sie in diesem Podcast.
 
Webinar: SBV in Zeiten von Corona
Mit diesem Live Webinar bringen wir Sie als Vertrauensperson in nur 90 Minuten auf den neuesten Stand der Rechtsprechung und Gesetzgebung.

Bitte antworten Sie nicht auf diese E-Mail. Wenn Sie uns Änderungen Ihrer Betriebsratsdaten zukommen lassen möchten senden Sie bitte eine E-Mail an mail@waf-seminar.de.
© W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung AG