Welcome-Back-Gespräche und die Mitbestimmung  
 
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Top-Thema des Monats
Welcome-Back-Gespräche und die Mitbestimmung
Lesen Sie alles zu den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei Rückkehrgesprächen.

Testen Sie Ihr Betriebsratswissen
Was ist das BEM?

Video-Empfehlung des Monats
Schulung bis auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber? Wie weit müssen Betriebsräte geschult werden?

Aktuelles aus den Arbeitsgerichten
Wieder ein Fall eines gemobbten Betriebsrats
Einseitige Lohnkürzungen nicht möglich
Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder
Wenn die Wiedereingliederung abgelehnt wird
Die behindertengerechte Beschäftigung

Podcast
Verschwiegenheitspflicht: Was darf ich sagen und was nicht?

Seminarempfehlung
Arbeitsschutz topaktuell: Begleitseminar zur "A+A 2019"
 
 
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat,

Arbeitgeber nutzen Rückkehrgespräche leider häufig dazu, um Mitarbeiter, die krank waren oder aus anderen Gründen fehlten, unter Druck zu setzen. Doch das ist keinesfalls Sinn und Zweck der Sache. Diese Gespräche sollen dazu dienen, Krankheitsursachen aufzudecken, den Beschäftigten zu helfen und Mängel in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz ans Licht zu bringen. Gut, dass Sie als Betriebsrat mitbestimmen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Top-Thema des Monats.

Außerdem gibt es natürlich wieder die wichtigste Rechtsprechung. Es ging zum einen um einen Fall einer gemobbten Betriebsrätin und zum anderen, wie die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder zu erfolgen hat. Außerdem haben wir noch weitere sehr interessante Entscheidungen für Sie aufbereitet.

Herzliche Grüße
Ihre W.A.F.
 
 
 
 
 
 
 
   
 
  Top-Thema des Monats  
 
  Welcome-Back-Gespräche und die Mitbestimmung  
 
  Rückkehrgespräche werden auch Krankenrückkehrgespräche oder Welcome-Back-Gespräche genannt. Gemeint sind damit ein oder mehrere Gespräche, die der Arbeitgeber führt mit:
  • einem erkrankten Mitarbeiter,
  • einem mittlerweile wieder arbeitsfähigen Mitarbeiter oder
  • mit einem Kollegen, der eine längere Auszeit hatte.
Die Gespräche sollen dazu dienen, die Ursachen des Fehlens am Arbeitsplatz, insbesondere die Krankheitsgründe, aufzuklären. Letztendlich soll damit – jedenfalls in der Theorie – eine neue Erkrankung verhindert werden.

Ziele des Arbeitgebers
Häufig geht es dem Arbeitgeber aber vielmehr darum, nähere Einzelheiten über die Krankheit und deren Auswirkungen für die Zukunft zu erfahren. Häufig wird Druck auf die Beschäftigten ausgeübt. Immer wieder kommt es vor, dass in einem solchen Gespräch gleich der Entwurf eines Aufhebungsvertrags vorgelegt wird, mit der Aufforderung zur Unterschrift und der Androhung, dass im Falle der Nichtunterzeichnung eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Das Harmloseste in solchen Gesprächen ist noch die Aufforderung, nicht so oft „krank zu feiern“.

Aufgabe des Betriebsrats
Der Betriebsrat ist hier gefragt. Er hat Mitbestimmungsrechte bei systematisch geführten Gesprächen und er hat stets die Einhaltung der geltenden Gesetze und Verordnungen zu überwachen.

Die Rechte und Pflichten der Mitarbeiter
Zunächst ist zu klären, ob betroffene Kolleginnen und Kollegen an einem solchen Rückkehrgespräch teilnehmen müssen.

1. Bei Arbeitsfähigkeit:
Der Mitarbeiter muss an einem solchen Gespräch teilnehmen – wie an fast jedem Personalgespräch. Der Arbeitgeber kann nach billigem Ermessen den Ort und die Uhrzeit festlegen. Der Kollege muss zwar den Termin wahrnehmen, inhaltlich zur Sache äußern muss er sich allerdings nicht.

Wichtig: Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass es keine Pflicht zur Teilnahme an Gesprächen über den Arbeitsvertrag oder dessen mögliche Änderung oder Auflösung gibt (BAG, Urteil vom 23.06.09, Az.: 2 AZR 606/08).

Spannender wird die Frage, ob ein Arbeitnehmer zu einem Rückkehrgespräch auch ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen darf. Das wird lediglich durch einen Trick funktionieren. Arbeitnehmer haben nach dem Betriebsverfassungsgesetz keinen generellen Anspruch darauf, dass sie ein Betriebsratsmitglied bei allen Personalgesprächen begleitet. Dieses Recht ist auf die im Betriebsverfassungsgesetz genannten Gesprächsanlässe beschränkt. Dabei genügt es, wenn die zu erwartenden Themen teilweise mit denen im Gesetz genannten übereinstimmen. Und es ist unerheblich, ob die Gesprächsinitiative vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber ausgeht. Es handelt sich hierbei um folgende Gesprächsanlässe:
 
 
   
 
  Tipp: Immer, wenn es um die Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung geht, darf der Betriebsrat dabei sein.

2. Bei Arbeitsunfähigkeit:
Während bestehender Arbeitsunfähigkeit muss kein Personalgespräch geführt werden, auch kein Welcome-Back-Gespräch. Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, ist er von seiner Arbeitsleistung befreit. Deshalb kann der Arbeitgeber keine Weisungen erteilen. Dies gilt sowohl für Weisungen in Bezug auf die Hauptleistungspflichten als auch für Weisungen in Bezug auf Nebenpflichten. Es kommt auch nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer gesundheitlich in der Lage ist, an dem Personalgespräch teilzunehmen.

Also: Während Arbeitsunfähigkeitszeiten müssen keine Welcome-Back-Gespräche geführt werden.

Die Mitbestimmungsrechte bei Welcome-Back-Gesprächen
Handelt es sich um systematische und kollektiv angelegte Gespräche, die theoretisch sämtliche Mitarbeiter nach Fehlzeiten durchlaufen müssen, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Kollektiv angelegte Rückkehrgespräche darf kein Arbeitgeber ohne die Zustimmung seines Betriebsrats einführen, nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Einzelfallbezogene Gespräche
Das Landesarbeitsgericht München hat außerdem klargestellt, dass sogar einzelfallbezogene Gespräche unter diese Regelung fallen können (Beschluss vom 13.02.2014, Az.: 3 TaBV 84/13). Immer dann, wenn die Gespräche willkürlich durchgeführt werden, besteht auch ein Mitbestimmungsrecht. Den einen Mitarbeiter könne es bereits nach drei Tagen Krankenstand treffen, den anderen erst nach mehreren Monaten Abwesenheit. Hier sei das Schutzbedürfnis der Beschäftigten umso höher. Entscheidendes Kriterium sei allein das formalisierte, unternehmensweite Verfahren.

Keine Zustimmung erforderlich
Der Arbeitgeber kann nur dann ohne Zustimmung des Betriebsrats handeln, wenn er kein unternehmensweites Verfahren einführt, sondern individuell auf einen echten Problemfall reagiert.

Beispiel: Keine Zustimmung erforderlich
Im Unternehmen finden keine Rückkehrgespräche statt. Ein Mitarbeiter meldet sich aber öfters montags krank. Diesen Beschäftigten lädt der Arbeitgeber nun zu einem klärenden Gespräch ein, um die Ursachen zu ermitteln. Ein solches Rückkehrgespräch ist nicht mitbestimmungspflichtig.

Tipp: Gefährdungsbeurteilung
Der Betriebsrat bestimmt auch bei der Gefährdungsbeurteilung, also der Beurteilung der einzelnen Arbeitsbedingungen an den Arbeitsplätzen nach § 5 Arbeitsschutzgesetz, mit. Ein Mitbestimmungsrecht ergibt sich insoweit aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Fehlt nun eine solche Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers, wird der Betriebsrat das vom Arbeitgeber beabsichtigte Krankenrückkehrgespräch mit dem Mitarbeiter deshalb sogar verhindern können, bis eine solche Gefährdungsbeurteilung vorliegt. Hier hat zunächst einmal der Arbeitgeber seine Hausaufgaben zu erledigen.

Die Durchführung der Welcome-Back-Gespräche und worauf der Betriebsrat achten sollte
Einfluss auf die Durchführung kann der Betriebsrat vor allem nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nehmen. Er hat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Mitarbeiter geltenden Gesetze, Verordnungen etc. eingehalten werden. Achten sollte der Betriebsrat also bei Welcome-Back-Gesprächen darauf, ob der Datenschutz, die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften sowie andere wichtige Regelungen eingehalten werden.

So bereiten Sie die Mitarbeiter vor
Wenn ein Mitarbeiter zum ersten Mal mit einem Welcome-Back-Gespräch konfrontiert wird, ist er nervös. Deshalb sollten Sie, als Betriebsrat, ihm zunächst genau erklären, welchen Sinn und Zweck ein solches Gespräch haben kann.

Existieren in einem Unternehmen bereits Rückkehrgespräche, hat der Betriebsrat zahlreiche Möglichkeiten, seine Kollegen zu unterstützen. Sinnvoll ist es, mit dem Mitarbeiter im Vorfeld des Gesprächs eine Sprechstunde nach § 39 BetrVG abzuhalten. Nach Absprache mit dem Arbeitgeber darf der Beschäftigte diese während der Arbeitszeit und ohne Minderung seines Arbeitsentgelts nutzen. Gehen Sie am besten sofort auf den Mitarbeiter zu, wenn er wieder in den Betrieb zurückkehrt.

Abmahnung
Der Arbeitgeber darf den Beschäftigten nicht abmahnen, wenn er im Welcome-Back-Gespräch nichts sagt. Ebenso ist ein Unterdrucksetzen verboten. Schreiten Sie als Betriebsrat sonst sofort ein!

Schweigerecht und Schweigepflicht
Weder der Beschäftigte noch sein Arzt müssen etwas zu den Erkrankungen sagen. Auch muss der Kollege seinen Arzt nicht von der Schweigepflicht entbinden, nur weil der Arbeitgeber das möchte. In einem späteren Kündigungsschutzverfahren mag unter Umständen anderes gelten.

Deshalb ist die Frage nach der Art der Erkrankung oder nach dem Gesundheitszustand des Mitarbeiters nicht erlaubt. Wird sie trotzdem gestellt, muss der Beschäftigte nicht antworten oder darf sogar die Unwahrheit sagen. Ausnahmen gibt es natürlich dann, wenn ernsthafte Ansteckungsgefahren von der Krankheit ausgehen.

Gleiches gilt für die Frage nach der Entwicklung der Erkrankung oder nach dem Gesundheitszustand. Der Kollege darf die Antwort verweigern oder die Unwahrheit sagen.

Auch Fragen, die die private Situation betreffen, sind äußerst problematisch. Besonders wenn Mitarbeiter häufiger erkranken, sind Arbeitgeber sehr daran interessiert, die Ursachen zu erfahren. Seine Grenzen hat die Neugier bei allen Fragen, die den privaten Bereich betreffen, wie zum Beispiel nach der familiären Situation, nach Trinkgewohnheiten oder anderen besonderen Verhaltensweisen. Alle Fragen danach sind unzulässig und dürfen auch falsch beantwortet werden.

Datenschutz
Die Personendaten der Kollegen fallen unter das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Das gilt auch für sämtliche Informationen, die die Unternehmensleitung im Rahmen der Welcome-Back-Gespräche ermittelt. Klären Sie als Betriebsrat, wie die Protokolle der Gespräche am besten zu dokumentieren und aufzubewahren sind. In aller Regel gehören Krankheitsdaten jedenfalls nicht in die normale Personalakte. Zudem ist darauf zu achten, dass solche Daten vor unbefugtem Zugriff geschützt sind.

Eckpunkte für eine Betriebsvereinbarung
Möchte der Arbeitgeber systematische Rückkehrgespräche einführen, muss er mit Ihnen als Betriebsrat eine Einigung hierüber erzielen.

Einigung bedeutet, dass der Betriebsrat und der Arbeitgeber eine Vorgehensweise oder Regelung vereinbaren müssen. Sie können zu diesem Zweck eine Betriebsvereinbarung schließen.
Eine Betriebsvereinbarung sollte folgende Eckpunkte enthalten:
  • unter welchen Voraussetzungen ein Gespräch durchzuführen ist, also welche Krankheitszeiten oder sonstigen Fehlzeiten zu einem Welcome-Back-Gespräch führen
  • die Teilnehmer des Gesprächs
  • das Recht des Betriebsrats auf Teilnahme
  • das Ziel des Gesprächs
  • die grundsätzlichen Inhalte des Gesprächs
  • Tabuthemen, insbesondere unzulässige persönliche Fragen
  • die Einladungsfrist
  • Protokollpflicht
  • Nachbesprechung über das Ergebnis des Welcome-Back-Gesprächs
 
 
 
 
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Was ist das BEM?
 
 
  Was bedeutet BEM? Und wer kürzt es wie ab? Häufig sieht man das auch so: bEM  
 
 
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Video-Empfehlung des Monats
 
Schulung bis auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber? Wie weit müssen Betriebsräte geschult werden?
 
 
 
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Aktuelles aus den Arbeitsgerichten
 
Wieder ein Fall eines gemobbten Betriebsrats
 
 
  Arbeitsgericht Gießen, Urteil vom 10.05.2019, Az.: 3 Ca 433/17
Betriebsräte loszuwerden, ist nicht einfach. Mit dem geltenden Recht hat das meistens nichts zu tun, wie auch das Arbeitsgericht Gießen erkennen musste.

Der Fall: Das Arbeitsverhältnis einer ehemaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden war zwischenzeitlich beendet worden. Nun klagte die Kollegin gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin und deren früheren Rechtsberater. Ein als Zeuge vernommener Detektiv war von der Arbeitgeberin als Lockspitzel eingeschleust worden, um die Betriebsratsmitglieder in Verruf zu bringen und Kündigungsgründe zu provozieren. Der Detektiv bestätigte den Vorwurf, dass der Arbeitnehmerin ein Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot untergeschoben werden sollte, um ihre fristlose Kündigung durchzubekommen. Dazu habe auch gehört, dass die Betriebsratsvorsitzende von zwei weiteren Detektiven durch Beschimpfen und Bespucken zu Tätlichkeiten provoziert werden sollte. Als die Betriebsratsvorsitzende nicht zuschlug, verletzte einer der Detektive den anderen und bezichtigte die Betriebsratsvorsitzende dieser Tätlichkeiten. Das alles hatte die Arbeitgeberin auf Anraten ihres Rechtsberaters vorgenommen.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Arbeitgeberin und der Rechtsberater wurden als Gesamtschuldner wegen der erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung verurteilt, eine Entschädigung in Höhe von 20.000 Euro zu zahlen. Es handelte sich um schwere Persönlichkeitsverletzungen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Wenn also der Arbeitgeber einen Detektiv ins Spiel bringt, um ein Betriebsratsmitglied in Verruf zu bringen und um Kündigungsgründe zu provozieren, stellt das eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. In diesem Fall sollte auch der Staatsanwalt informiert werden.
 
 
 
 
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Einseitige Lohnkürzungen nicht möglich
 
 
  Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.04.2019, Az.: 5 Sa 221/18
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern musste sich mit einer einseitigen Lohnkürzung durch den Arbeitgeber beschäftigen.

Der Fall: Ein Kfz-Mechaniker erhielt einen Stundenlohn von 13,71 € brutto und ein Urlaubsgeld von 40 % eines durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalts. Dann wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt und in dem anschließenden Kündigungsschutzprozess schlossen die Parteien einen Vergleich. Das Arbeitsverhältnis sollte zu einem späteren Zeitpunkt enden und die Arbeitgeberin verpflichtete sich, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeit freizustellen. Außerdem sollte das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abgerechnet werden. Die Arbeitgeberin kürzte trotzdem den Stundenlohn auf 12,89 € brutto. Sie begründete das damit, dass der Kfz-Mechaniker nicht mehr als Servicetechniker tätig gewesen sei und ihm im Beisein des Serviceleiters mitgeteilt worden sei, dass der Stundenlohn gekürzt werden würde. Dagegen hätte er keine Einsprüche erhoben. Außerdem habe er keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, da er keinen Urlaub während der Freistellungsphase genommen habe. Dagegen zog der Kfz-Mechaniker vor Gericht.

Die Entscheidung des Gerichts: Eine Änderung der ursprünglichen Lohnvereinbarung war nicht zustande gekommen. Schweigen ist grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls ist bei einem Arbeitsverhältnis im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind. Und auch den Anspruch auf Urlaubsgeld hatte der Kfz-Mechaniker. Denn die Zahlung hing nicht davon ab, ob er tatsächlich Urlaub nimmt.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Ein Angebot muss stets angenommen werden. Wenn ein Arbeitgeber mitteilt, dass der Lohn gekürzt werden soll, bedeutet das Schweigen eines Arbeitnehmers also noch längst keine Zustimmung.
 
 
 
 
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Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder
 
 
  Arbeitsgericht Bonn, Beschluss vom 07.03.2019, Az.: 3 BV 87/18
Nicht nur bei der Betriebsratswahl selbst kann einiges schieflaufen, denn auch die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder muss ordnungsgemäß verlaufen, wie das Arbeitsgericht Bonn entschieden hat.

Der Fall: Der Betriebsrat wurde nach den Regeln der Verhältniswahl gewählt. Er bestand aus 27 Mitgliedern, von denen 24 bei einer Gewerkschaft und drei in einer anderen organisiert waren. Die 23 nach dem Haustarifvertrag freizustellenden Mitglieder wurden hingegen nicht nach den Regeln der Verhältniswahl, sondern nach Maßgabe der Stimmenmehrheit gewählt, mit dem Ergebnis, dass sämtliche freigestellte Mitglieder nur der einen Gewerkschaft entstammten. Hiergegen gingen die Mitglieder der anderen Gewerkschaft vor Gericht.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Wahl war rechtswidrig. Von der nach § 38 Abs. 2 BetrVG gesetzlich vorgeschriebenen Verhältniswahl bei der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder kann auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Betriebsrat beabsichtigt, jedem freizustellenden Mitglied bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Wird die Wahl nach § 38 Abs. BetrVG nicht als Verhältniswahl durchgeführt, sondern jedes freizustellende Mitglied in getrennten Wahlgängen gewählt, ist das nicht zulässig.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Wird die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nicht als Verhältniswahl durchgeführt, führt dies zur Nichtigkeit der gesamten Wahl. Außerdem: Fair geht vor!
 
 
 
 
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Wenn die Wiedereingliederung abgelehnt wird
 
 
  Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2019, Az.: 8 AZR 530/17
Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist nicht gut für die Inklusion der von Behinderung betroffener Menschen.

Der Fall: Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer war bei einer Stadt als technischer Angestellter beschäftigt. Für fast zwei Jahre erkrankte er. Dann erfolgt eine betriebsärztliche Untersuchung, da eine stufenweise Wiedereingliederung zur vorsichtigen Heranführung an die Arbeitstätigkeit durchgeführt werden sollte. Eine Betriebsärztin hatte jedoch Bedenken. Sie hatte die Befürchtung, dass der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers eine Beschäftigung entsprechend dem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen würde. Zwei Monate nach Ablehnung des Wiedereingliederungsplans wurde ein neuer ärztlicher Plan von dem Arbeitnehmer eingereicht und die Wiedereingliederung wurde durchgeführt. Im Anschluss forderte der Arbeitnehmer von seiner Arbeitgeberin Ersatz der Vergütung, die ihm dadurch entgangen war, dass die Stadt ihn nicht entsprechend des ersten Wiedereingliederungsplans schon früher beschäftigt hatte.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Ablehnung der ersten Wiedereingliederung war völlig in Ordnung gewesen. Die Stadt war nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans zu beschäftigen. Zwar kann ein Arbeitgeber nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung derart mitzuwirken, dass er den Beschäftigten entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftigt. Im vorliegenden Fall lagen allerdings besondere Umstände vor, aufgrund derer der Arbeitgeber seine Zustimmung zum Wiedereingliederungsplan verweigern durfte. Es bestand aufgrund der Beurteilung der Betriebsärztin die begründete Befürchtung, dass der Gesundheitszustand eine Beschäftigung entsprechend diesem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen würde. Deshalb hat der Arbeitnehmer den Rechtsstreit verloren.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Arbeitgeber dürfen also die stufenweise Wiedereingliederung eines Schwerbehinderten bei begründeten Zweifeln an der Gesundheitseignung ablehnen. Das sollte jedoch auf objektive Füße gestellt werden, insbesondere sollte die Nichteignung durch eine ärztliche Meinung untermauert werden.
 
 
 
 
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Die behindertengerechte Beschäftigung
 
 
  Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2019, Az.: 6 AZR 329/18
Arbeitgeber sind zu einer behindertengerechten Beschäftigung verpflichtet. Das hat allerdings auch seine Grenzen, wie diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt.

Der Fall: Das Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten, seit vielen Jahren beschäftigten Arbeitnehmer unterfiel einem tariflichen Sonderkündigungsschutz. Die Arbeitgeberin musste Insolvenz anmelden und kündigte betriebsbedingt das Arbeitsverhältnis im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers wurde wegen einer Umverteilung der noch verbliebenen Aufgaben nicht mehr besetzt. Andere Tätigkeiten konnte der Arbeitnehmer nicht ausüben. Trotzdem klagte er gegen die Kündigung.

Die Entscheidung des Gerichts: Der Arbeitnehmer hat seine Kündigungsschutzklage verloren, da die Kündigung das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet hatte. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz hatte wegen § 113 Satz 1 InsO keine Wirkung. Außerdem war die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, für den Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten, den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigte.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Der Beschäftigungsanspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers besteht demnach nicht, wenn der Arbeitgeber den bisherigen Arbeitsplatz durch eine Organisationsänderung entfallen lässt. Aber dabei dürfte der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden haben.
 
 
 
 
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Die Auflösung - Was ist ein BEM:
 
 
  BEM – Das sind die 3 Ziele:
Ziel Nr. 1: Die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters soll überwunden werden. Er kehrt dauerhaft zu seiner ursprünglichen Leistungsfähigkeit zurück.

Ziel Nr. 2: Mit den durch das BEM ermittelten Leistungen oder Hilfen wird weiteren Krankheiten auch von anderen Mitarbeitern vorgebeugt.

Ziel Nr. 3: Der Arbeitsplatz bleibt erhalten.

Die Abkürzung
Vielfach wird das betriebliche Eingliederungsmanagement mit „BEM“ abgekürzt. Das Bundesarbeitsgericht wählt diese Form: „bEM“.

Der Kündigungsschutzprozess
Bei einem Kündigungsschutzprozess wegen einer krankheitsbedingten Kündigung gilt folgendes: Der Arbeitgeber hat vor jeder Kündigung wegen Krankheit im Rahmen der Interessenabwägung unbedingt das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen (§ 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX).

Schnell-Check: Hier ist das betriebliche Eingliederungsmanagement Pflicht
 
 
   
 
  Haben Sie gerade mindestens einmal „Ja“ angekreuzt, muss das betriebliche Eingliederungsmanagement durchgeführt werden.

Arbeitnehmer muss zustimmen
Weigert sich der betroffene Kollege, ein BEM durchzuführen, ist Ihr Arbeitgeber an dieser Stelle aus dem Schneider. Ohne Zustimmung des Kollegen muss er kein BEM durchführen.

Interessant: Die Regelungen über das BEM im SGB IX gelten für sämtliche Kollegen, egal ob sie schwerbehindert, behindert oder nicht behindert sind.
 
 
 
 
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Podcast Folge #179
 
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