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Der § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), gibt Ihnen als Betriebsrat bei der Lage der Arbeitszeit ein umfassendes Mitbestimmungsrecht. Das bezieht sich grundsätzlich auch auf die Erstellung von Dienstplänen und damit auch auf die Schichtarbeit.
Was dies jedoch im Einzelfall bedeutet, ist dem Gesetz nicht genau zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zählen hierzu aber folgende vier Fallgruppen, an denen Sie sich orientieren können:- Der Betriebsrat bestimmt mit, wenn es um die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage geht.
- Mitbestimmungspflichtig sind der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit.
- Die Einführung besonderer Arbeitszeitmodelle, zum Beispiel Schichtarbeit oder Gleitzeit, darf nicht ohne den Betriebsrat geschehen.
- Bei Pausenregelungen hat der Betriebsrat ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht.
Hinzu kommt, dass auch die Regelungen aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 3 und 99 BetrVG berührt werden. Der Mitbestimmung unterliegen nämlich auch- die vorübergehende Verlängerung (zum Beispiel Überstunden) oder Verkürzung (zum Beispiel Kurzarbeit) der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und
- die dauerhafte, nicht unerhebliche Verlängerung der Arbeitszeit als personelle Maßnahme im Sinne von § 99 BetrVG.
Schichtarbeit
Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt die Einführung oder der Abbau von Schichtarbeit für den ganzen Betrieb, bestimmte Betriebsabteilungen oder Arbeitsplätze. Schichtarbeit kann dabei in Wechselschicht geleistet werden, dann gibt es mehrere Schichten an einem Tag. Das Mitbestimmungsrecht besteht auch im Fall der Änderung, selbst wenn nur eine einzige Schicht ausfällt. Der Wegfall einer Schicht ist zudem eine zu regelnde Frage der Arbeitszeitverteilung und zugleich eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit und demnach mitbestimmungspflichtig. Auch eine Umstellung von drei auf zwei Schichten, der Wegfall der Nachtschicht oder die Einführung von Wechselschichten führt zu einem Mitbestimmungsrecht.
Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich sogar auf die Aufstellung eines einzelnen Schichtplans. Der Betriebsrat kann mit dem Arbeitgeber allgemeine Grundsätze der Schichtgestaltung in einer Betriebsvereinbarung vereinbaren. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber innerhalb des vorgegebenen Rahmens den einzelnen Schichtplan alleine erstellen.
Der Betriebsrat bestimmt auch bei den Grundsätzen mit, nach denen die Arbeitnehmer den einzelnen Schichten zugeordnet werden. Allerdings ist die Zuweisung eines Arbeitnehmers von einer Schicht in eine andere gerade keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme, da sie keinen kollektiven Bezug hat. Allerdings kann dabei ein Mitbestimmungsrecht in Form einer personellen Einzelmaßnahme, also einer Versetzung im Sinne des § 95 BetrVG, vorliegen.
Keine Mitbestimmung
Nicht mitbestimmungspflichtig ist allerdings, wenn ein Arbeitnehmer wegen Krankheit, Urlaub oder der Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme ausscheidet.
Schichtarbeit in der Nacht muss nicht jeder Arbeitnehmer machen
Besonders wichtig für den Betriebsrat ist es zu wissen, wer alles in Nachtschicht arbeiten darf und wer nicht. Grundsätzlich dürfen alle erwachsenen Arbeitnehmer in Nachtschicht arbeiten. Eine Ausnahme gilt für (schwer-)behinderte Kollegen. Diese sind von der Nachtschicht befreit. Werdende und stillende Mütter dürfen nicht zwischen 20 und 6 Uhr beschäftigt werden. Jugendliche zwischen dem 15. bis zum Beginn des 18. Lebensjahres dürfen in der Nacht zwischen 20 und 6 Uhr nicht arbeiten. Allerdings gibt es für bestimmte Wirtschaftsbereiche Ausnahmen, wie etwa für das Bäckerhandwerk. Hier dürfen jugendliche Auszubildende mit 16 Jahren ab 5 Uhr und mit 17 Jahren ab 4 Uhr eingesetzt werden. Und Kinder dürfen gar nicht in die Nachtschicht.
Wie der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht ausübt
Beim Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit handelt es sich um einen Fall der erzwingbaren Mitbestimmung. Der Betriebsrat kann daher nicht nur gegen eine vom Arbeitgeber beabsichtigte Maßnahme ein Veto einlegen, sondern auch von sich aus aktiv werden:- Dem Betriebsrat steht ein sogenanntes Initiativrecht zu, das heißt, er kann Maßnahmen zur Arbeitszeitgestaltung vorschlagen.
- Der Betriebsrat darf sich notfalls auch der Hilfe des Arbeitsgerichts beziehungsweise der Einigungsstelle bedienen.
- Es sollte dabei stets Ziel sein, das Mitbestimmungsrecht im Rahmen einer Betriebsvereinbarung auszuüben.
Maßnahmen gegen Ihren Arbeitgeber
Das Mitbestimmungsrecht bei Arbeitszeitfragen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zählt zu den stärksten Beteiligungsrechten. Aus diesem Grund zieht die Verletzung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit durch den Arbeitgeber auch schwerwiegende Folgen nach sich. Es drohen Ihrem Arbeitgeber folgende Sanktionen:- Die rechtmäßige Beteiligung des Betriebsrats ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Festlegung der Lage der Arbeitszeit. Missachtet der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte, ist die Maßnahme nicht nur gegenüber dem Betriebsrat, sondern auch dem jeweiligen Mitarbeiter gegenüber unwirksam.
- Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht auf Unterlassung der Maßnahme verklagen.
- Bei wiederholter Missachtung der Beteiligungsrechte kann der Betriebsrat sogar ein Ordnungsgeld und unter Umständen auch ein Zwangsgeld gegen den Arbeitgeber festsetzen lassen.
Die Rechte bei der zeitlichen Lage der Arbeitszeit
Der Gesetzgeber hat umfassende Mitbestimmungsbefugnisse in Arbeitszeitfragen eingeräumt. Diese lassen sich zu folgenden Fallgruppen zusammenfassen:
1.: Mitbestimmung bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage
Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich zunächst auf die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit in Ihrem Betrieb. Dazu gehört- die Frage, an wie vielen Tagen in der Woche gearbeitet werden soll. An der Entscheidung für eine 4-, 5- oder 6-Tage-Woche muss der Arbeitgeber seinen Betriebsrat daher teilhaben lassen,
- die Bestimmung der einzelnen Wochentage, an denen gearbeitet werden soll (zum Beispiel Montag bis Freitag bei einer 5-Tage-Woche),
- die Anzahl der arbeitsfreien Tage in der Woche,
- die regelmäßige Arbeitsbefreiung an bestimmten Tagen im Jahr, wie zum Beispiel am Rosenmontag oder Heiligabend.
2.: Mitbestimmung bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
Die Mitbestimmungspflicht bei der Lage der täglichen Arbeitszeit umfasst- die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und
- damit auch die Einführung oder Änderung eines Schichtsystems für den ganzen Betrieb oder bestimmte Arbeitsplätze
- die Grundsätze, nach denen die Mitarbeiter einem Schichtplan zugeordnet werden sollen, und auch bei der Aufstellung der einzelnen Schichtpläne.
3.: Mitbestimmung bei Pausen
Pausen sind Arbeitszeitunterbrechungen nach § 4 ArbZG. Das Mitbestimmungsrecht umfasst auch die täglichen Pausen der Arbeitnehmer und damit die zeitliche Lage der Pausen (zum Beispiel Frühstücks- oder Mittagspause), die Dauer der Pausen (zum Beispiel Mittagspause von 12.15 Uhr bis 13 Uhr), die Situation, dass Ruhepausen aus produktionstechnischen Gründen auf Arbeitsunterbrechungen angerechnet werden sollen.
4.: Überwachung der Einhaltung der Gesetze
Bei der Festlegung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber zudem folgende gesetzliche Beschränkungen beachten:- Die zeitlichen Höchstgrenzen und die zeitliche Lage der täglichen Arbeitszeit (§ 3 ArbZG)
- Erforderliche Ruhepausen und Ruhezeiten (§§ 4, 5 ArbZG)
- Die Beschränkung der Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen (§§ 9 ff. ArbZG)
- Schutzvorschriften für werdende und stillende Mütter (§ 8 Mutterschutzgesetz (MuSchG)), Jugendliche (§§ 8 ff. Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)) sowie (schwer-)behinderte Menschen (§ 207 Sozialgesetzbuch (SGB) IX)
Die Rechte des Arbeitgebers
Allerdings hat auch der Arbeitgeber Rechte. Denn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bestimmt Ihr Arbeitgeber allein nach den Festlegungen im Arbeits- oder Tarifvertrag, also den zeitlichen Umfang der Arbeitspflicht eines Mitarbeiters. Außer bei der Festlegung der wöchentlichen Dauer der Arbeitszeit sind der Mitbestimmung vor allem durch Tarifverträge und Gesetze Grenzen gesetzt.
Ein Beispiel
Hier ein Beispiel des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Beschluss vom 27.06.1989, Az.: 1 ABR 33/88, in dem der Betriebsrat gewonnen hatte:
Ein Arbeitgeber betrieb eine Glasfabrik. Er beschäftigte 1.000 Arbeitnehmer. 800 von ihnen arbeiteten im Schichtbetrieb, davon etwa 350 im Vier-Schicht-Betrieb, der Rest im Drei-Schicht-Betrieb. Der Schichtplan wurde jeweils für längere Zeit im Voraus aufgestellt.
An einem Tag übernahm dann der Arbeitgeber einen Mitarbeiter, der im Vier-Schicht-Betrieb arbeitete, von der Schicht 4-4, in der er bisher tätig war, in die Schicht 1-4. Dadurch ergab sich für ihn eine andere Verteilung der Wochenarbeitszeit auf die einzelnen Wochentage sowie eine Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit.
Der Betriebsrat war nun der Auffassung, beim Wechsel eines Arbeitnehmers, von einer Schicht des Vier-Schicht-Betriebes in eine andere, handele es sich um eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG, die nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist.
Ein Schichtwechsel führe zu einer Änderung der Umstände der Arbeitsleistung. Er müsse mit neuen Arbeitskollegen zusammenarbeiten, sei einem neuen Vorgesetzten unterstellt und müsse zugleich seine Arbeitsaufgabe innerhalb einer anderen Arbeitsorganisation erbringen.
Darüber hinaus bringe der Schichtwechsel sowohl eine Veränderung der Arbeitszeitverteilung auf die einzelnen Wochentage als auch eine vorübergehende Verkürzung bzw. vorübergehende Verlängerung der Wochenarbeitszeit für den jeweils betroffenen Arbeitnehmer mit sich. Der Schichtwechsel stelle auch einen kollektiven Tatbestand dar, weil Maßnahmen dieser Art Arbeitnehmer beträfen, die in einer völlig identischen Vertragssituation zum Arbeitgeber stünden. Es seien keine betrieblichen oder persönlichen Belange oder Besonderheiten ersichtlich, die den Arbeitgeber veranlasst haben könnten, nicht etwa einen anderen Arbeitnehmer auszuwählen.
Das Urteil
Wird in einem Betrieb im Schichtbetrieb gearbeitet, so unterliegt auch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer von einer Schicht in die andere umgesetzt werden können, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Und auch die kollektiven Interessen waren berührt. Bei einem aus bestimmten betrieblichen Anlässen erforderlich werdendem Schichtwechsel – wie Krankheit oder Urlaub – geht es gerade nicht um eine Einzelfallregelung.
Fragen zur Mitbestimmung
Anhand der folgenden Fragen kann geprüft werden, ob ein Arbeitgeber die gesetzlichen Regelungen und insbesondere die Mitbestimmungsrechte bei der Aufstellung von Dienst- und Schichtplänen beachtet.- Werden die arbeitszeitrechtlichen Schutzvorschriften für werdende und stillende Mütter (§ 8 Mutterschutzgesetz (MuSchG)), Jugendliche (§§ 8 ff. Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)) sowie (schwer-)behinderte Menschen (§ 207 Sozialgesetzbuch (SGB) IX) beachtet?
Wird das Mitbestimmungsrecht beachtet bei- der Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage?
- der Frage, an wie vielen Tagen in der Woche gearbeitet werden soll?
- der Festlegung der Anzahl der arbeitsfreien Tage in der Woche?
- der Festlegung der regelmäßigen Arbeitsbefreiung an bestimmten Tagen im Jahr?
- bei der Einführung oder Änderung eines Schichtsystems für den ganzen Betrieb oder bestimmte Arbeitsplätze?
- bei der Einführung oder Änderung von Dienstplänen?
- bei der Einführung oder Änderung von Zeiten für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sowie bei Reisezeiten?
- bei der Einführung oder Änderung besonderer Arbeitszeitmodelle, wie zum Beispiel der Gleitzeit?
- bei der vorübergehenden Verlängerung (zum Beispiel Überstunden) oder Verkürzung (zum Beispiel Kurzarbeit) der betriebsüblichen Arbeitszeit?
- der dauerhaften, nicht unerheblichen Verlängerung der Arbeitszeit als personelle Maßnahme im Sinne von § 99 BetrVG?
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